Digitale Fabrik: Mensch und Roboter
 wachsen zusammen

 

erstellt am
17. 11. 17
13:00 MEZ

FH-Technikum-Wien-Konferenz beleuchtet Zukunft der Industrie
Wien (feei) - Das Zusammenwirken zwischen Mensch und Maschine, künstlicher Intelligenz und digitalisierten Fertigungsprozessen prägt zunehmend die industrielle Produktion. Welche wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und letztlich auch politischen Folgen sich daraus ergeben, war Thema der ersten großen Konferenz zur Industrierobotik in Österreich, die unter dem Titel „IndustrieRoboter@Work“ vergangene Woche an der FH Technikum Wien stattfand.

„Die gegenwärtige Revolution in der Herstellung von Waren steigert die Produktivität exorbitant und ermöglicht vollkommen neue Geschäftsmodelle. Industrieroboter spielen dabei eine entscheidende Rolle“, erklärte Erich Markl, Leiter des Instituts für Advanced Engineering Technologies an der FH Technikum Wien. Markl leitet dort auch die Digitale Fabrik, eine einzigartige Lehr- und Forschungseinrichtung für Smart Manufacturing und Industrie-4.0-Technologien.

Jahrmarktautomat am Internet of Things
Unter den Fittichen seines Teams gelang es Studierenden der FH Technikum im Zuge eines einzigartigen Retrofitprojektes einen 25 Jahre alten Greifautomaten „smart“ zu machen und ans Internet zu bringen. Welche Möglichkeiten sich damit auftun, demonstrierte eine Live-Schaltung nach München: Ein Mitarbeiter des Projektpartners Software-Factory spielte in Echtzeit aus der bayrischen Landeshauptstadt mit dem Greifarm des Jahrmarktautomaten, versenkte einen Ball und bekam per Mail automatisch seinen fiktiven Gewinngutschein.

Smart Factory bei Magna Steyr in Graz
Das enorme Potenzial einer vernetzten, smarten Produktion, veranschaulichte Wolfgang Zitz, Vice President Contract Manufacturing bei Magna Steyr, am Beispiel der Auftragsfertigung von Magna für BMW, Daimler und Jaguar Land Rover in Graz. „Vor der Inbetriebnahme einer neuen Fertigungslinie simulieren wir alle Prozesse und Materialströme an einem virtuellen Zwilling. Damit sind uns Anlaufzeiten gelungen, die im Vergleich zur Vergangenheit wesentlich kürzer sind.“ Eine immer individualisierte Auftragsfertigung für drei verschiedene Kunden am selben Standort mit nur einer Lackiererei werde durch den Einsatz smarter Produktionsmethoden massiv vereinfacht. Mittels Big Data ließen sich mittlerweile aber nicht nur Material- und Produktionsentwicklung sondern auch Finanzströme in Echtzeit abbilden.

Roboter und Arbeitsplätze – ein Schlagabtausch
Der anschließende Schlagabtausch zwischen Wolfgang Zitz und René Schindler von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE versuchte die Folgen der Automatisierung für die Arbeitswelt zu ergründen. „Wir haben in letzter Zeit ca. 1.000 neue Roboter gekauft, aber gleichzeitig auch 2.500 neue Mitarbeiter eingestellt. Die menschenleere Fabrik sehen wir daher nicht“, sagte Wolfgang Zitz. Dem hielt Gewerkschafter Schindler entgegen, dass jede Automatisierung Arbeitsplatzverluste bedeute. „Die Frage ist nur, ob sie anderswo entstehen. Bisher war das immer so. Ob es angesichts unserer zunehmend reifen Volkswirtschaften auch so sein wird, darf zumindest bezweifelt werden“, gab Schindler zu bedenken.

Um die beträchtlichen Produktivitätsgewinne durch die voranschreitende Automatisierung an die ArbeitnehmerInnen weiterzugeben, forderte Schindler eine Verkürzung der Arbeitszeit. „Das Versprechen war ja, dass uns die Roboter das Leben erleichtern. Insofern werden Sie als Arbeitgeber die digitale Dividende mit den ArbeitnehmerInnen teilen müssen“, so Schindler an die Adresse von Zitz. „In dieser Form ist die geforderte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für mich ,Steinzeitkommunismus‘, um es polemisch zu formulieren“, hielt der Angesprochene entgegen. Grundsätzlich seien kürzere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich ja durchaus überlegenswert, allerdings wären sie in der Praxis kaum umsetzbar, weil die Unternehmen entsprechenden personellen Ersatz vorhalten müssten, was großen Planungsaufwand erfordere.

Pro und Contra Wertschöpfungsabgabe
Zur vieldiskutierten Wertschöpfungsabgabe vulgo Maschinensteuer äußerte sich Zitz klar ablehnend: „Ich halte gar nichts von einer derartigen Steuer, weil sie innovationsfeindlich ist. Im immer härter geführten internationalen Wettbewerb haben wir nur dann eine Chance, wenn wir technologisch voraus sind, was eine Wertschöpfungsabgabe eindeutig konterkarieren würde.“ Gewerkschafter Schindler lehnte eine Besteuerung von Investitionen in Innovation ebenfalls ab. Allerdings müsse man sich Gedanken darüber machen, wie man die Sozialsysteme in Hinkunft finanzieren will. „Wir müssen wegkommen von einem System, bei dem alles nur von der Lohnsumme abhängt“, so Schindler. Wolfgang Zitz plädierte dagegen für lebenslanges Lernen und bessere Qualifizierungsmaßnahmen, um den akuten Fachkräftemangel effektiver bekämpfen zu können. Ein Anliegen, das auch René Schindler teilte. Die Frage sei dabei allerdings immer, zu welchen Bedingungen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.feei.at

 

 

 

 

 

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