Das Staatsgrundgesetz von 1867 als Garant
 für Grund- und Menschenrechte in Österreich

 

erstellt am
12. 12. 17
13:00 MEZ

NR-Präsidentin Elisabeth Köstinger und Historiker Gerald Stourzh unterstreichen Tragweite der vor 150 Jahren erlassenen Verfassungsnorm
Wien (pk) - Das Staatsgrundgesetz von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger stand am 11. Dezember als "Jubilar" im Mittelpunkt einer feierlichen Veranstaltung, zu der Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger in den Großen Redoutensaal der Hofburg eingeladen hatte. "Das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 ist bis heute ein zentraler Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts und damit auch eine Grundlage der Republik Österreich", unterstrich die Nationalratspräsidentin. Das vor 150 Jahren erlassene Gesetz garantiert gemeinsam mit anderen Gesetzen wie etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention die Grund- und Menschenrechte in Österreich, betonte der Historiker Gerald Stourzh in seinem Festvortrag.

Konkret verankert das Gesetz etwa die Unverletzlichkeit des Eigentums, den freie Verkehr von Personen und Vermögen, die Unverletzlichkeit des Hausrechts, das Briefgeheimnis, das Recht sich frei zu versammeln und Vereine zu gründen, die Meinungs- und Pressefreiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft. Nach der Ausrufung der Republik im Jahr 1918 entschieden sich die Parteien mangels eines Konsenses über einen Grundrechtskatalog für die Weitergeltung des Staatsgrundgesetzes, das dann auch 1945 von der Zweiten Republik übernommen wurde. Weltweit zählt es damit zu den ältesten Gesetzen dieser Art, die heute noch in Geltung sind.

Köstinger: Angst vor Terror darf nicht zur Aufgabe der Grund- und Freiheitsrechte führen
Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger hob in ihrer Begrüßungsansprache vor allem den Charakter des Staatsgrundgesetzes als ersten Grundrechtskatalog Österreichs hervor und sah darin einen Schritt hin zu einer liberalen, bürgerlichen Gesellschaft, die das Individuum und seine Verantwortung für sich selbst, für seine Familie und für die Gesellschaft in den Vordergrund rückt. Die Grund- und Freiheitsrechte, die vor 150 Jahren noch keine Selbstverständlichkeit gewesen seien, hätten den Grundstein gelegt, damit sich Österreich zu einer Demokratie formen konnte. Meinungsfreiheit, Zensurverbot, Versammlungs-, Vereins- und Religionsfreiheit – all das bilde das Fundament dafür, dass sich unterschiedliche Sichtweisen entwickeln und artikulieren können. Im Mittelpunkt würden für Köstinger die Menschenrechte stehen, insbesondere jene Normen, die uns Freiheit einräumen und dem Staat Schranken setzen würden.

Gerade in Tagen wie diesen kommt es laut Köstinger vor dem Hintergrund des Terrors oftmals zu einer heiklen Abwägung zwischen dem Schutz der Grundrechte und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Sie gab zu bedenken, dass dieser Widerspruch nur ein scheinbarer sei, zumal Freiheit und Sicherheit nur zwei Seiten derselben Medaille darstellen würden. "Ohne Sicherheit können wir nicht in Freiheit leben, umso weniger dürfen wir unsere Freiheit aus Furcht vor Terror und Gewalt aufgeben", steht für Köstinger fest.

Stourzh: Österreich ist eine Grundrechtsdemokratie
Univ.-Prof. Gerald Stourzh befasste sich in seinem Festvortrag mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und erinnerte, dass das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger gemeinsam mit dem Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt und dem Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts Teil der Dezemberverfassung und damit Bedingung und Folge des Ausgleichs mit Ungarn war. Diese drei Staatsgrundgesetze haben die bis heute wirkenden Grundlagen des Rechtsstaates in Österreich geschaffen, betonte er.

Das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger sei dabei von den Prinzipien der Trennung von Gesetz und Verfassung und der Einordnung von Menschen- und Grundrechten als Verfassungsrechte getragen. Die Idee der Grundrechte basiere auf den Forderungen des Revolutionsjahrs 1848, wobei Stourzh allerdings den Bestimmungen über das Reichsgericht zentrale Bedeutung beimaß, zumal ohne die Durchsetzungsmöglichkeit die Grundrechte bloße Staatszielbestimmungen geblieben wären. So konnte erst durch das Reichsgericht, das sich zum Verfassungsgerichtshof weiterentwickelt hat, die von Hans Kelsen geforderte direkte Verbindung zwischen Staatsbürger und Verfassung hergestellt werden. Stourzh hob zudem vor allem zwei wesentliche Folgen des Staatsgrundgesetzes in den ersten Jahrzehnten seiner Geltung hervor: die vollständige Gleichstellung und Emanzipation der Juden sowie die Gleichberechtigung der Nationalitäten.

Wenn das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger als einziges der Staatsgrundgesetze die Auflösung der Monarchie überlebt habe, dann liege dies vor allem in dem Umstand begründet, dass sich die Parteien 1920 nicht auf einen neuen Grundrechtskatalog einigen haben können. Auch durch die Schaffung des Verfassungsgerichtshofs sei, so Stourzh, das rechtsstaatliche Erbe Alt-Österreichs in die Republik eingeflossen, wobei nunmehr allerdings die Behörden an die Rechtsansicht des Höchstgerichts gebunden sind. Eine maßgebliche Weiterentwicklung habe der Grundrechtsschutz dann in der Zweiten Republik erfahren, allen voran durch den Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention und durch die Einführung der Individualbeschwerde. Für Stourzh steht damit fest, dass Österreich heute eine Grundrechtsdemokratie ist, die auf dem allgemeinen, gleichen Wahl- und Stimmrecht und auf dem Grundrechtsschutz aufbaut.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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