Abhörsichere Quantenkommunikation
 über 7.600 Kilometer

 

erstellt am
22. 01. 18
14:00 MEZ

Peking/Wien (öaw) - In einer neu erschienenen Publikation im Fachmagazin "Physical Review Letters" schildern Forscher/innen von Österreichischer Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Universität Wien und Chinesischer Akademie der Wissenschaften, wie das weltweit erste interkontinentale "Quantentelefonat" im September 2017 abhörsicher über eine Rekorddistanz von 7.600 Kilometern geführt werden konnte. Das erfolgreiche Experiment macht die Potenziale der Quantenphysik für die Entwicklung eines globalen Quanteninternets mit Satelliten deutlich.

Es war ein Experiment, das weltweit für Aufsehen sorgte: Am 29. September 2017 gelang die erste, durch Quantenphysik verschlüsselte Videokonferenz zwischen zwei Kontinenten. Das abhörsichere "Quantentelefonat" zwischen Wien und Peking dauerte 75 Minuten und wurde vor Wissenschaftler/innen und Journalist/innen zwischen ÖAW-Präsident Anton Zeilinger sowie Universität Wien-Rektor Heinz W. Engl und Chinas Akademie-Präsident Chunli Bai geführt. Mit dem erfolgreichen Experiment wurde nicht nur wissenschaftliches Neuland betreten sondern auch demonstriert, dass ein abhörsicheres Quanteninternet keine Utopie mehr ist.

Im Fachmagazin "Physical Review Letters" berichten die beteiligten Quantenforscher/innen der ÖAW, der Universität Wien und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften nun über die Quantentechnologie hinter dem Experiment. Mithilfe des chinesischen Forschungssatelliten "Micius" und Bodenstationen in Österreich und China wurden Quantenschlüssel ausgetauscht, die dann bei der Videokonferenz, die über eine konventionelle Internetverbindung geführt wurde, zum Einsatz kamen. Aufgrund der Gesetze der Quantenphysik konnte dieser Datenaustausch von Dritten nicht "gehackt" werden.

"Das Experiment hat gezeigt, dass Quantenkommunikation absolut abhörsicher ist und auch in einem globalen Maßstab funktioniert", betont Quantenphysiker Anton Zeilinger. Seine Forschungsgruppe am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Wien der ÖAW zeichnete gemeinsam mit den Partnern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften rund um Zeilingers ehemaligen Doktoranden Jian Wei-Pan nicht nur für das erfolgreiche "Quantentelefonat" verantwortlich, sondern forscht bereits seit Langem an der sicheren Quantenkommunikation der Zukunft.

Abhörsichere Quantenverbindung zwischen Österreich und China
Das Verfahren des Austauschs von Quantenschlüsseln ist in der Kryptographie nicht unbekannt. Bisher waren der Methode, Information abhörsicher zu übertragen, indem Sender und Empfänger über einen solchen Schlüssel verfügen, auf der Erdoberfläche jedoch Grenzen gesetzt: Die Krümmung der Erde und der Signalverlust in längeren Glasfaserleitungen verhinderten bisher die Anwendung dieses Verfahrens über größere Distanzen.

Einen Ausweg fanden österreichische und chinesische Forscher/innen im Orbit: Mit dem 2016 ins All beförderten Satelliten "Micius" verfügen sie über eine in rund 500 Kilometern und in 94 Minuten um die Erde kreisende Station, die für die Erzeugung und den Versand von Lichtteilchen ausgerüstet ist. Für das Experiment schickte "Micius" eine Reihe dieser sogenannten Photonen mit zufälliger, nicht vorhersagbarer Schwingungsrichtung zu Bodenstationen. Damit hatten der Sender im Orbit und der Empfänger auf der Erdoberfläche eine eindeutige Zahlenabfolge zufällig generierter Nullen und Einser - den Quantenschlüssel. Hätte während des Austauschs zwischen Orbit und Erde ein Abhörversuch stattgefunden, wäre dieser vom Empfänger sofort bemerkt worden. Denn: Jede Messung verändert den quantenphysikalischen Zustand der Teilchen. Dadurch fliegt ein "Hacker" sofort auf.

Dass mit einer solchen Quantenverschlüsselung via Satellit selbst Distanzen über 7.600 Kilometer zwischen Österreich und China überbrückt werden können, demonstrierte nun das Quantentelefonat im vergangenen September. Für die Übertragung von Bild und Ton und jeweils rund fünf Kilobyte großer Dateien mit Bildern des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger und des chinesischen Philosophen Micius wurden zur Chiffrierung und Dechiffrierung die Quantenschlüssel genutzt, die im Vorfeld erzeugt worden waren - einerseits zwischen dem Satelliten und der Grazer Bodenstation am Observatorium Lustbühel, die vom Institut für Weltraumforschung der ÖAW verwendet wird, und andererseits zwischen "Micius" und der chinesischen Bodenstation Xinglong nahe Peking.

Netz aus Satellit und Bodenstationen
Vorbereitet wurde dieser Erfolg in jahrelangen Studien und Experimenten der Grundlagenforschung. So arbeiten österreichische Quantenphysiker/innen bereits seit 20 Jahren an Quantenkommunikationsverbindungen über immer weitere Entfernungen. Das führte ab 2005 etwa zu Teleportationsexperimenten zwischen La Palma und Teneriffa, die auch in China aufmerksam verfolgt wurden - insbesondere, seit Jian Wei-Pan dorthin zurückgekehrt war. Anfangs als "Space Race" zwischen österreichischen und chinesischen Quantenphysiker/innen tituliert, mündete der wissenschaftliche Wettlauf um 2013 in die Schaffung des gemeinsamen austro-chinesischen Forschungsprojekts "Quantum Experiments at Space Scale (QUESS)" - und damit zu einer beispielhaften internationalen Forschungszusammenarbeit, deren Ertrag inzwischen weltweit wahrgenommen wird.

Aus Sicht der österreichischen Forscher/innen ist mit dem geglückten "Quantentelefonat" ein wichtiger, aber keineswegs finaler Meilenstein auf dem Weg zu einem globalen Quantenkommunikationsnetz erreicht: "Die Vision eines globalen Quanteninternets besteht darin, dass man in Städten auf ein urbanes Fasernetzwerk setzt, das für Quantenkommunikation über kurze Distanzen völlig ausreichend ist", schildern die Wiener Quantenphysiker Johannes Handsteiner und Thomas Scheidl, die auch Co-Autoren der aktuellen Publikation sind.

"Die Verbindung zwischen den einzelnen lokalen Netzen über größere Entfernungen ließe sich dann mit Satelliten bewerkstelligen. Das zeigen die zwischen ‚Micius' und den österreichischen sowie chinesischen Bodenstationen etablierten Quantenverbindungen", so die beiden ÖAW-Forscher. Weitere Nachweise dafür sollen mit "Micius" in naher Zukunft gelingen. In Teneriffa und am Dach des ÖAW-Instituts in Wien stehen dafür ausgerüstete Bodenstationen, die bereit sind, mit "Micius" in eine abhörsichere Verbindung zu treten. Zukünftig nicht nur bei Nacht, wie bisher, sondern auch bei Tageslicht.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.oeaw.ac.at

 

 

 

 

 

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