ÖIF-Diskussion zu Islam in Europa: „Muslime müssen
 in Europa geltende Werte und Gesetze leben“

 

erstellt am
24. 01. 18
13:00 MEZ

Khorchide, Scholz, Henhapel und Raab über Integration muslimischer Zuwander/innen; Sammelband „Islam europäischer Prägung“ vorgestellt
Wien (öif) - Am 22. Jänner diskutierten Mouhanad Khorchide, Religionspädagoge und Leiter der Islamischen Theologie an der Universität Münster, Politikwissenschafterin Nina Scholz, Oliver Henhapel, Leiter des Kultusamts, und Susanne Raab, Leiterin der Sektion Integration im Außenministerium, über den Einfluss des politischen Islam auf die Integration, notwendige Reformen und die Entwicklung eines Islam europäischer Prägung sowie Herausforderungen in der Integration muslimischer Zuwanderinnen. Abdel-Hakim Ourghi, Leiter des Fachbereichs „Islamische Theologie und Religionspädagogik“ an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, hatte auch als Podiumsgast zugesagt, konnte jedoch krankheitsbedingt nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde auch der neue Sammelband „Islam europäischer Prägung“ vorgestellt, der mit Beiträgen renommierter Wissenschafter/innen und Expert/innen aktuelle Fragestellungen im Bereich von Integration und Islam beleuchtet.

Khorchide: „Islam muss in Europa geltende Werte und Regeln in sich aufnehmen“
Mouhanad Khorchide betonte im Rahmen der Diskussionsveranstaltung die Bedeutung der Entwicklung eines Islam europäischer Prägung: „In Moscheen wird viel zu oft eine einseitige Auslegung des Islam propagiert, die jede Kontextualisierung des Glaubens an gesellschaftliche Veränderungen ablehnt und junge Muslime häufig vor die Wahl stellt, ein guter Muslim oder ein Europäer zu sein. Es ist entscheidend, dass Muslime in Europa sich damit auseinandersetzen, wie ein Islam entwickelt und gelebt werden kann, der nicht im Widerspruch zu den in Europa geltenden Werten und dem in Österreich gelebten Alltag steht. Denn auch der Islam ist immer im Kontext seiner Zeit zu sehen.“

Scholz: „Islamische Feministinnen lobbyieren für Verschleierung“
Politikwissenschafterin und Autorin Nina Scholz, die zum Spannungsfeld von Religions- und Meinungsfreiheit und zum Thema Islam und Menschenrechte forscht, sieht den Vormarsch rückwärtsgewandter Islamvorstellungen: „Es gibt immer wieder Frauen, die sich selbst Feministinnen nennen und die Verschleierung der Frau als weibliche Selbstermächtigung verteidigen. Diese Frauen stehen meist in einem Naheverhältnis zu den konservativen Islamverbänden und zur Muslimbruderschaft und lobbyieren in ihrer Sache.“ Wichtig für die Integration insbesondere von jungen Mädchen sei deshalb, stärker für europäische Wertvorstellungen einzutreten, so Scholz: „Gerade Schulen sind Orte, wo Mädchen, aber auch Burschen aus konservativen Familien mit alternativen Lebensmodellen konfrontiert werden können und wo Gleichberechtigung vermittelt und gelebt werden kann. Wir brauchen im Interesse der Kinder und Jugendlichen mehr Mut, Probleme anzusprechen, ohne sofort Angst davor zu haben, als intolerant abgestempelt zu werden.“

Raab: „Verpflichtende Integrationsmaßnahmen als Chance für Frauen aus patriarchalen Strukturen“
Susanne Raab, Leiterin des Sektion Integration im Außenministerium, betonte die Bedeutung verpflichtender Integrationsmaßnahmen – insbesondere für Frauen, die als Flüchtlinge und Zuwanderinnen nach Österreich gekommen sind: „Frauen aus patriarchal geprägten Strukturen sind besonders schwer mit Integrationsmaßnahmen zu erreichen. Deutsch zu lernen oder sogar eine Arbeit aufzunehmen, wird häufig innerhalb der Familie nicht unterstützt. Seit das Integrationsgesetz verpflichtende Deutsch- sowie Werte- und Orientierungskurse vorsieht, verzeichnen wir steigende Zahlen an Frauen in unseren Kursen. Wenn sie die hier geltenden Gesetze sowie ihre Möglichkeiten in Österreich kennen, können sie die Gewinner erfolgreicher Integration sein und diese Werte auch an ihre Kinder vermitteln.“

Henhapel: „Notwendigkeit des Vollzugs der beschlossenen Gesetze“
Oliver Henhapel, Leiter des Kultusamts im Bundeskanzleramt, das auch für die Umsetzung des Islamgesetzes zuständig ist, erklärte: „Als staatliche Institution ist es für uns entscheidend, wie sich Religionsgemeinschaften gegenüber den in Österreich garantierten Verfassungsrechten verhalten. Mit dem Islamgesetz hat der Staat wichtige Voraussetzungen wie das Verbot der Auslandsfinanzierung geschaffen, damit sich die Religion frei von politischen Einflüssen aus dem Ausland entwickeln kann.“ Henhapel betonte im Rahmen der Diskussion auch das Recht der „negativen Religionsfreiheit“: „Der Staat muss dafür sorgen, dass es die Freiheit gibt, nicht den Religionslehren zu entsprechen. Besonders die Rechte von Frauen sind dabei im Blick zu behalten – Österreich darf eine religiös argumentierte Schlechterbehandlung von Frauen nicht zulassen.“

Sammelband „Islam europäischer Prägung“ vorgestellt
Der im Rahmen der Podiumsdiskussion präsentierte Sammelband „Islam europäischer Prägung“ liefert zehn Beiträge von renommierten Wissenschafter/innen und Expert/innen verschiedener Fachrichtungen zu unterschiedlichen Aspekten eines Islam europäischer Prägung. Der Sammelband umfasst sowohl islam- bzw. religionswissenschaftliche als auch historische und soziologische Blickwinkel und bietet Beiträge unter anderem von Dr. Mouhanad Khorchide, Islamwissenschafter Dr. Rüdiger Lohlker, Saida Keller-Messahli (Schweizer Menschenrechtspreisträgerin 2016), Frauenrechtlerin und Gründerin der liberalen Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin Seyran Ates, Rechtswissenschafterin Dr. Katharina Pabel sowie Dr. Zekirija Sejdini von der Islamischen Theologie und Religionspädadogik der Universität Innsbruck. Der Sammelband „Islam europäischer Prägung“ ist auf der Website des ÖIF unter http://www.integrationsfonds.at/publikationen online abrufbar.

 

 

 

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