EU-Ratsvorsitz Österreichs soll Kurswechsel in
 EU-Migrations- und Asylpolitik vorantreiben

 

erstellt am
15. 03. 18
13:00 MEZ

Kurz und Blümel informieren Verfassungsausschuss über Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft
Wien (pk) - Bundeskanzler Sebastian Kurz bestätigte am 14. März im Verfassungsausschuss des Nationalrats den von Innenminister Herbert Kickl angestrebten Kurswechsel in der europäischen Migrations- und Asylpolitik. Wie Kickl ist auch Kurz der Meinung, dass die gemeinsame europäische Antwort auf die Migrationsfrage im Schutz der EU-Außengrenzen sowie in der Hilfe vor Ort liegen muss und nicht in einer "Zwangsverteilung" von Asylsuchenden auf einzelne Mitgliedsstaaten. Italien und Griechenland dürften im Außengrenzschutz nicht mehr alleine gelassen werden, neben finanziellen Mitteln brauche es vor allem eine politische Entscheidung darüber, dass MigrantInnen an den EU-Grenzen gestoppt, versorgt und rückgeführt werden. "Ein Weiterwinken nach Europa wird es nicht mehr geben", so Kurz. Er geht davon aus, dass der genannte Kurswechsel in der EU-Migrations- und Asylpolitik während des österreichischen Ratsvorsitzes vorangetrieben werden kann.

Einer der Schwerpunkte der österreichischen Ratspräsidentschaft ist neben dem Brexit und dem EU-Budget, die im zweiten Halbjahr ohnehin bereits am Verhandlungstisch liegen, der Kampf gegen illegale Migration und Sicherheit. Innenminister Kickl und er würden in dieser Frage jedenfalls an einen Strang ziehen, sagte Kurz. Zwei weitere nationale Schwerpunkte Österreichs während des Vorsitzes liegen in der EU-Wettbewerbsfähigkeit mit dem Fokus auf Digitalisierung sowie in der Heranführung des Westbalkans an die EU bzw. in der Nachbarschaftspolitik. Von Bedeutung seien dabei die sogenannten "digitalen Betriebsstätten", dadurch sei es möglich, Internetgiganten zu besteuern. Alles in allem sei der Vorsitz eine Möglichkeit, eine gute Visitenkarte abzugeben, Österreichs Gastfreundlichkeit zu zeigen und sich noch stärker als Brückenbauer und Vermittler in Europa zu positionieren, informierte Kurz u.a. Johann Singer (ÖVP), der es als positiv erachtet, dass Treffen wie der Gipfel der Staats- und Regierungschefs im September in Salzburg und damit in anderen Bundesländern und Regionen als der Bundeshauptstadt stattfinden.

"Wir wollen ein ehrlicher Makler für verschiedenste Anliegen sein und eine neutrale Vermittlerposition einnehmen", so auch EU-Minister Gernot Blümel im Ausschuss. Über die Schwerpunkte Österreichs meinte er, dass es sich dabei um jene Punkte handle, in denen es eine europäische Antwort brauche. Von den 190 Dossiers, die bis jetzt vorliegen, will Blümel so viele wie möglich vor der Europawahl 2019 auf den Weg bringen. Ein Fokus gilt weiters der Subsidiaritätsfrage, die dafür eingesetzte Taskforce wird ihren Bericht Mitte Juli vorlegen. "Wir sollten von einer Überregulierung und Überbürokratisierung wegkommen", nicht nur in Österreich, sondern auch in der EU, sagte dazu Blümel. Ein stärkeres Europa sieht er in großen Fragen der Migration oder Sicherheit gefordert, die EU solle sich aber zurücknehmen, wenn es etwa um die richtige Farbe von Pommes frites gehe.

Kritik an der Schwerpunktsetzung der Regierung kam von Andreas Schieder (SPÖ). Er vermisst darin die Stärkung der sozialen Dimension in der EU sowie einen entschiedeneren Kampf gegen Steuerflüchtlinge. Was die soziale Komponente der EU betrifft, meinte Kurz, dass es sich dabei um einen Bereich handelt, in dem es nicht unbedingt mehr europäische Regelungen brauche. Die Sozialunion sei für ihn Utopie. Die österreichischen Sozialstandards könnten nämlich nicht auf beispielsweise rumänisches Niveau gebracht werden oder umgekehrt.

In Bezug auf den Brexit meinte Blümel, dass es nun darum geht, die "lose-lose situation" für beide Seiten zu minimieren. Sicherheitspolitisch werde Großbritannien in der EU fehlen, hier brauche es eine neue Perspektive. Auch sei noch nicht klar, wie die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Briten und der EU aussehen werden. Das hänge davon ab, auf welches Übergangsszenario man sich einigen wird.

EU-Budget: Regierung schließt höhere Beitragszahlungen Österreichs nach wie vor aus
Hinsichtlich des mehrjährigen EU-Finanzrahmens kritisiert Blümel die Herangehensweise der Kommission an die Budgeterstellung. Es sei ein falscher Zugang, von Erfordernissen und Wünschen auszugehen und nicht – wie in Österreich – Defizit-Vorgaben und Einnahmen als Ausgangsbasis heranzuziehen. Außerdem sei es notwendig, von Seiten der Kommission Zahlenklarheit herzustellen. Geht man vom Nettobetrag aus, der durch den Brexit im EU-Budget fehlen wird, handle es sich um 7 bis 8 Mrd. und nicht um über 10 Mrd. €, die zu stemmen seien.

Dass Österreich als Kompensation mehr ins EU-Budget einzahlt, schließt Blümel nach wie vor aus. Auch ohne dem Austritt der Briten aus der EU komme es in absoluten Zahlen bereits zu einer Beitragserhöhung für Österreich, meinte Blümel mit Verweis auf den Rahmen für das EU-Budget von derzeit 1% des Bruttonationaleinkommens.

In der Frage der Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben, meinte Kurz, dass er europarechtskonforme Regelungen schaffen will. Er erwarte Unterstützung auch von anderen Staaten.

Zur Sprache kamen außerdem das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo in Verbindung mit der EU-Beitrittsperspektive beider Seiten sowie das Interview, in dem Vizekanzler Heinz-Christian Strache laut Medienberichten den Kosovo als "einen Teil Serbiens" bezeichnet hatte. Kurz meinte dazu, dass es keinen Grund zur Sorge gebe und Österreich ein gutes Standing in dieser Region habe. Es bestehe sogar die Hoffnung, dass der EU-Vorsitz Österreichs einen Beitrag zur Annäherung zwischen Belgrad und Pristina leisten könne. Straches Aussage, die gleich zurückgezogen worden sei, hätte daran nichts geändert. Die Aufregung sei bei der österreichischen Opposition größer gewesen als bei den VertreterInnen Kosovos und Serbiens, meinte Kurz.

EU-Parlament: Kurz gegen transnationale Listen
Zu klären gibt es innerhalb der EU in den nächsten Monaten auch institutionelle Fragen wie die Sitzverteilung im Europäischen Parlament für die nächste Funktionsperiode bis 2024. Kurz tritt für eine Einsparung der durch den Brexit freiwerdenden Sitze und damit eine Verkleinerung des Parlaments ein, abgelehnt wird die Aufteilung über transnationale Listen. Wird das Missverhältnis der sogenannten degressiven Proportionalität wie vorgeschlagen korrigiert und damit 22 der 73 frei werdenden Sitze des Vereinigten Königreichs unter den Mitgliedsstaaten verteilt, bekommt Österreich in Zukunft ein Mandat mehr und damit 19 Sitze im Europäischen Parlament.

Im Raum steht eine Reserve für zukünftige EU-Erweiterungen, wofür auch der Bundeskanzler einsteht. Er spricht sich für ein schlankes System und gegen ein "künstliches Auffüllen der freigewordenen Plätze" aus, das Europaparlament sei ohnehin nicht unbedingt zu klein, meinte er auf Nachfrage von Nikolaus Scherak (NEOS). Für den NEOS-Abgeordneten hätten transnationale Listen ein Schritt in Richtung mehr europäischer Identität bedeutet.

Ausgangspunkt der Debatte war der Bericht über die Pläne der EU für 2018 im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramts ( III-107 d.B.), der vom Ausschuss mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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