Abgestürzt, verschollen, gelyncht –
 Alliierte Piloten zwischen 1943 und 1945

 

erstellt am
05. 04. 18
13:00 MEZ

ForscherInnen des Hauses der Geschichte Österreich (hdgö) klären „Cold Cases“ und verschaffen den Familien späte Gewissheit
Wien (hdgö) - Militärische und Politische VertreterInnen der Republik Österreich sowie der Vereinigten Staaten von Amerika enthüllten gemeinsam mit den hdgö-WissenschafterInnen Nicole-Melanie Goll und Georg Hoffmann am 3. April im Fliegerhorst Linz Hörsching einen Gedenkstein für Walter P. Manning, einem abgestürzten US-Piloten, der am 3. April 1945 der Lynchjustiz der Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Die Pionierarbeit der ForscherInnen des hdgö und die damit verbundene Aufklärung des Schicksals Mannings hat nicht nur maßgeblich zur Errichtung des Gedenksteins beigetragen, sondern beschäftigt sich auf beispielhafte Weise mit dem Schicksal vermisster alliierter Flugzeugbesatzungen sowie dem NS-Gewaltphänomen der „Fliegerlynchjustiz“ zwischen 1943 und 1945 im heutigen Österreich. Für die Publikation „Fliegerlynchjustiz“ wird Georg Hoffmann den renommierten Karl von Vogelsang-Staatsförderpreis für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften erhalten, der am 13. April 2018 verliehen wird.

„Die Auseinandersetzung mit den abgeschossenen alliierten Flugzeugbesatzungen eröffnet eine neue Sichtweise auf den Luftkrieg des Zweiten Weltkrieges und rückt eine vergessene Opfergruppe des NS-Terrorregimes in den Fokus“, erklärt Historikerin Nicole-Melanie Goll die Einzigartigkeit ihres Forschungsprojektes, das sie, gefördert durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften und den Zukunftsfonds der Republik Österreich, am Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Wien vorantreibt.

Im Zuge des Forschungsprojekts „Downed Allied Air Crew Database Austria“ sammelt Goll Daten zum Schicksal von rund 9.000 amerikanischen und britischen Fliegern, die über dem heutigen Österreich abgeschossen wurden. Der Fall von Walter P. Manning ist nur einer von rund 150 Verbrechen der „Fliegerlynchjustiz“, die bis heute in Österreich als unaufgeklärt gelten. Dazu Goll „Diese Verbrechen gegen die alliierten Soldaten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Luftkrieg. Diese Gewalttaten wurden in der Nachkriegszeit verdrängt und fanden keinen Eingang in die Geschichtsbücher. Bis heute haben britische und amerikanische Familien kaum Gewissheit über das tatsächliche Schicksal ihrer Angehörigen, die im Kampf für die Befreiung Österreichs vom NS-Terror getötet wurden.“

Nicole-Melanie Goll und Georg Hoffmann leisten durch ihre gemeinsame Arbeit wichtige Grundlagenforschung zur differenzierten Aufarbeitung des alliierten Luftkriegs. Das Projekt liefert dabei erstmals Daten zum Schicksal aller abgeschossenen westalliierten Flugzeugbesatzungen, stellt Familien erstmals Informationen zur Verfügung und unterstützt das US Department of Defense in der aktiven Suche nach Vermissten.

Dr. in Nicole-Melanie Goll wurde 1982 in Graz geboren, Studium der Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz, Promotion 2014, von 2010–2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lecturer am Fachbereich Zeitgeschichte des Instituts für Geschichte der Universität Graz sowie der Pädagogischen Hochschule Steiermark, zudem wissenschaftliche Mitarbeit an zahlreichen Forschungsprojekten des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) und kuratorische Tätigkeiten. Seit September 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Haus der Geschichte Österreichs im Rahmen des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Zukunftsfonds der Republik Österreich geförderten Forschungsprojektes „Downed Allied Air Crew Database Austria“.

Dr. Georg Hoffmann wurde 1979 in Graz geboren, Diplom- und Doktoratsstudium der Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz sowie Fellowships an der Andrássy Universität Budapest und der University of New Orleans. Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz und Projekttätigkeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2017 Kurator am Haus der Geschichte Österreich. Publikationen u.a. „Fliegerlynchjustiz. Gewalt gegen abgeschossene alliierte Flugzeugbesatzungen 1943–1945“ (Paderborn 2015) (2018 mit Vogelsang-Staatsförderpreis prämiert) sowie (gem. mit Nicole-Melanie Goll): „Missing in Action – Failed to Return. Memorial Book“ (Wien 2016).

Das Haus der Geschichte Österreich
Im November 2018 ist es soweit: Das Haus der Geschichte Österreich, organisatorisch in die Österreichische Nationalbibliothek eingebunden, eröffnet in der Neuen Burg am Heldenplatz. Zeitgemäß vermittelt und pointiert erzählt, lädt es zur Auseinandersetzung mit der wechselvollen Zeitgeschichte Österreichs ein. Anlass für die Eröffnungsausstellung ist die 100. Wiederkehr der Ausrufung der Republik im November 2018. Ausgehend von der Frage nach der Demokratieentwicklung und ihren Brüchen, bietet die Ausstellung zweierlei: Eine spannende Bildchronologie und Themenschwerpunkte zu ausgewählten Themen, die Österreich bewegten – und es heute noch tun. Als Diskussionsforum für ganz Österreich konzipiert, legt das neue Museum besonderen Wert auf innovative Vermittlungsangebote, ergänzt um eine Webplattform und Publikationen, die neue Perspektiven auf Geschichte und Gegenwart Österreichs anbieten.

 

 

 

Projektseite:
https://daacda.acdh.oeaw.ac.at/
Projektseite „Bombenkrieg in Graz“: https://on.uni-graz.at/de/detail/article/bombenkrieg-in-graz/

Allgemeine Informationen:
https://www.hdgoe.at

 

 

 

 

 

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