Gesamtlärmbetrachtung Innsbruck 2017

 

erstellt am
11. 04. 18
13:00 MEZ

Lärmsituation in Innsbruck erstmals umfassend erhoben
Innsbruck (lk) - Die Belastung und Belästigung durch Lärm sind die am häufigsten wahrgenommenen Formen der Umweltbelastung und gleichzeitig eines der meistverdrängten Umweltprobleme überhaupt. Speziell im alpinen urbanen Raum stellt Lärm die EntscheidungsträgerInnen vor immer größere Herausforderungen. Dabei fehlte es bislang nicht primär an wissenschaftlichen Grundlagen, sondern schlicht an umfassenden, nachvollziehbaren und stabilen Daten. Das Pilotprojekt Gesamtlärmbetrachtung Innsbruck hat sich daher zum Ziel gesetzt, erstmals eine repräsentative, nachvollziehbare Datengrundlage für die Beurteilung der Gesamtbelastung und -belästigung der Innsbrucker Stadtbevölkerung zu schaffen.

Die vom Land Tirol beauftragte unabhängige Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Stadt Innsbruck, dem Österreichischen Arbeitsring für Lärmbekämpfung (ÖAL) sowie den Infrastrukturträgern Asfinag, ÖBB und der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft – am 11. April wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert. LHStvin Ingrid Felipe und die Innsbrucker Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider wollen die Ergebnisse als Grundlage für künftige Verkehrs- und Stadtplanung nutzen.

LHStvin Felipe streicht die Einzigartigkeit der Erhebung hervor: „Lärm wird sehr persönlich wahrgenommen. Alle bislang durchgeführten Studien haben diese subjektive Ebene der Gesamtlärmbelastung nicht ausreichend mitberücksichtigt. Großartig, dass Christoph Lechner und David Schnaiter diese krank machende Belastung erhoben und gleichzeitig auch schützenswerte Ruheoasen ausgeforscht haben und wir diese Daten nutzen können.“

Vizebürgermeisterin Pitscheider sieht die Möglichkeit, regionale Ableitungen aus den Ergebnissen zu ziehen: „Als Verantwortliche für Umwelt war es mir ein großes Anliegen, diese Studie zu unterstützen. Gerade Straßenverkehrslärm wird als ständige Belästigung und Belastung empfunden. Hier kann mit klugen Lenkungsmaßnahmen das Belastungsniveau gesenkt werden“.

Da Innsbruck nicht isoliert betrachtet werden könne und immer im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Umland stehe, brauche es verstärkte Bemühungen, den derzeit autolastigen Verkehr auf den Öffentlichen Verkehr umzulenken, betonen die beiden Politikerinnen unisono.

„Relationen müssen dort geschaffen werden, wo die Menschen hin wollen!“, ist die Innsbrucker Vizebürgermeisterin überzeugt und macht auch den Fluglärm zum Thema: „Ein weiteres Augenmerk muss auf den Flugverkehr gelegt werden. Den zwar punktuell auftretenden, jedoch stark belastenden Lärmpegel durch Start und Landung kann durch verstärkte Bemühungen, lärmarme Flugzeuge zu priorisieren, entgegengewirkt werden."

Insgesamt wurden mehr als 1.000 Personen im gesamten Stadtgebiet persönlich befragt und 140.000 Euro in die Studie investiert.


Die Ergebnisse im Detail:

Methoden
Das Studiendesign für das Pilotprojekt Gesamtlärmbetrachtung Innsbruck sah neben der detailgenauen Erarbeitung von Lärmindizes für Straße, Schiene und Flugverkehr mit über 280.000 Einzelpunktberechnungen eine repräsentative Vor-Ort-Befragung vor. Um eine hohe Repräsentativität der Befragungen sicherzustellen, wurde eine geschichtete Clusterauswahl, verteilt auf Lärmkorridore (neun Belastungsgruppen) unter Einbeziehung der einzelnen Verkehrsträger, der demographischen Parameter und nach Katastralgemeinden (Stadtteilen) vorgenommen.

Die insgesamt 1.031 Befragungen wurden durch geschulte InterviewerInnen des Marktforschungsinstituts IMAD durchgeführt und die Lärmeinwirkungen auf Basis des Jahresverkehrsaufkommens für jeden Verkehrsträger in Form von Lärmindizes bei jedem Gebäude mit Hauptwohnsitzgemeldeten berechnet. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die durchgängige Berücksichtigung der gängigen Qualitäts- und Datenschutzstandards gelegt.

Die erzielte Rücklaufquote von 47,8 Prozent liegt auch im Vergleich zu anderen internationalen Großstudien in urbanen Räumen außerordentlich hoch.

Ergebnisse
Unter der Leitung von Christoph Lechner wurden wirkungsbezogene Darstellungen der einzelnen Lärmpegel für den 24h- und den Nachtzeitraum für sämtliche Verkehrsträger und sämtliche Gebäude in Innsbruck erarbeitet sowie Gesamtlärmkarten dargestellt, welche verbleibende Ruhezonen ebenso wie sogenannte Hotspots identifizieren.

Die deutlich stärkste Lärmbelastung geht in Innsbruck vom Straßenverkehrslärm aus, der im Mittel mit einem 24h-Dauerschallpegel von rund 55 dB auf die InnsbruckerInnen einwirkt und damit rund 10 dB über den Durchschnittspegeln für Flug-, Schienen- und Autobahnlärm (diese liegen nahezu gleichauf) zu liegen kommt. Über 50 Prozent aller Gebäude in Innsbruck sind als stark straßenverkehrslärmbelastet einzustufen, nur rund acht Prozent als geringbelastet (<45 dB).

Die erarbeiteten Lärmkarten zeigen aber unter anderem auch die deutlichen Einwirkungen des Flugverkehrs auf das Stadtgebiet: Insbesondere im Westen Innsbrucks sind kaum mehr unbelastete Ruhezonen (Innenhöfe, Parks usw.) vorhanden. Für die Vor-Ort-Befragungen und die Basisauswertungen zeichnete David Schnaiter verantwortlich.

Im frei zugänglichen und interaktiv verlinkten Gesamtbericht finden sich hunderte Darstellungen zu den Themenbereichen Lärmwahrnehmung, Lebensbedingungen, Lebensqualität, Lärmempfindlichkeit, Gesundheit, Belästigung / Störung durch Lärm allgemein und im Schlaf, Mobilität, Umgang mit Lärm etc..

So zeigen sich die befragten InnsbruckerInnen überwiegend sehr zufrieden mit ihren Lebens- und Wohnbedingungen, wobei insbesondere die Güte der öffentlichen Verkehrsmittel in Innsbruck sehr hoch eingeschätzt wird. Auch fühlen sich die meisten Befragten der Stadt Innsbruck stark verbunden und schätzen ihre persönliche Lebensqualität sehr hoch ein.

Allerdings empfinden sich über zwölf Prozent vom Lärm insgesamt stark belästigt und mehr als die Hälfte aller Befragten ist der Gruppe der mittelgradig Lärmbelästigten zuzuordnen. Besonders der Flugverkehrslärm stört die InnsbruckerInnen und stellt die am meisten belästigende Lärmquelle Innsbrucks dar.

Nichtsdestotrotz schlafen die InnsbruckerInnen gerne und vorwiegend bei geöffnetem oder gekipptem Fenster. Interessant ist auch der Umstand, dass über 75 Prozent aller Befragten der Meinung sind, ihr eigener Lärmbeitrag sei gering bis sehr gering.

Die Auswertungen zeigen, dass deutliche Bezüge zwischen einer ganzen Reihe von Parametern und der Lärmbelästigung bestehen und etwa die Einschätzung der eigenen Lebensqualität bei ansteigender Belästigung sinkt. Insgesamt wünscht sich eine Zweidrittelmehrheit, dass weitere Maßnahmen zur Lärmreduktion in Innsbruck getroffen werden – ein Auftrag auch an die EntscheidungsträgerInnen.

Die vorliegende Studie mit ihrer breit gefächerten Schwerpunktsetzung und ihrem modularen Aufbau zeigt sich durch ihre Methodik auch im internationalen Vergleich in ihrer Qualität herausragend und ist damit auch für anschließende vertiefende Forschungen und die Beantwortung offener Fragen bestens geeignet. Eine Reihe weiterführender Nutzungen durch die EntscheidungsträgerInnen und die Wissenschaft werden ermöglicht.

 

 

 

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