Europäischer Toleranzpreis für Dogan Akhanli

 

erstellt am
18. 05. 18
13:00 MEZ

Fresach: Europäische Toleranzgespräche eröffnet - Superintendent Sauer: Vielfalt erkennen und wertschätzen
Fresach/Wien (epdÖ) – Im Kärntner Bergdorf Fresach sind am 17. Mai, die 4. Europäischen Toleranzgespräche eröffnet worden. Sie stehen heuer unter dem Thema „Sehnsucht nach Europa - über die Suche nach dem verlorenen Paradies“. Bis 19. Mai diskutieren über 40 AutorInnen und DenkerInnen, WissenschafterInnen und Kulturschaffende über Auswege aus der aktuellen medienpolitischen Sinnkrise Europas. Zu den Vortragenden zählen u.a. neben dem international viel beachteten türkisch-deutschen Autor Dogan Akhanli die Hamburger Zukunftsforscherin Birgit Gebhardt, der Schweizer Menschenrechtsanwalt Christoph Good, der Philosoph Wolfgang Müller-Funk, der Orientalist Gerhard Schweizer, Nationalbankpräsident Claus Raidl und TV-Moderator Franz Alt. Das Programm wird von der Sonderausstellung "Paradise lost - Vom Reisen, Glauben und Suchen" im Evangelischen Museum Fresach begleitet.

Von der „Verlusterfahrung, wenn Vielfalt verlorengeht“, sprach der Kärntner Superintendent Manfred Sauer bei der Eröffnung. Vielfalt zu erkennen und wertzuschätzen sei zentrales Anliegen der Toleranzgespräche. Vielfalt sei „Würze des Lebens“, da sie zeige, „dass wir unterschiedlich, einmalig und einzigartig sind“. Vielfalt sei zugleich Geschenk und Herausforderung. Es gehe darum, „nicht Einfalt zu predigen sondern offen und interessiert aufeinander zuzugehen“ und dabei auch seinen eigenen Standpunkt kritisch zu hinterfragen.

Europapolitiker Hannes Swoboda - er ist Präsident des „Denkraum Fresach“, der die Toleranzgespräche veranstaltet - unterstrich einmal mehr, dass es sich bei dem Projekt Europa um einen Prozess handle. „Über Europa reden können wir nie ohne Dialog mit anderen“, sagte Swoboda. Wenn Europa Sehnsuchtsort für Milliarden von Menschen sei, könne man entweder Europa weniger attraktiv machen oder „den menschlicheren Weg gehen und andere Regionen auf dieser Welt attraktiver machen, damit Menschen dort ein menschenwürdiges Leben führen können.“ Es reiche nicht, auf das stolz zu sein, „was wir in Europa erreicht haben“, sondern das im Auge zu haben, „was wir noch erreichen können“. Dass beim Reden über Europa auch die Entwicklung außerhalb Europas im Fokus bleiben müsse, betonte Landtagspräsident Reinhart Rohr. Letzlich gehe es hier um die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, der Ressourcen und der Verantwortung.

Akhanli: Hydra des Nationalismus und Rassismus wiedererwacht
Erstmals wurde in Fresach der „Europäische Toleranzpreis für Demokratie und Menschenrechte“ verliehen. Er geht an den türkischstämmigen Schriftsteller Dogan Akhanli, der auch den Eröffnungsvortrag hielt. Mit dem Preis würdige man die humanistische Haltung des Autors, der die „Willkür eines demokratiefeindlichen autoritären Regimes“ mehrfach zu spüren bekommen habe. Mit 18 saß Akhanli zum ersten Mal in Haft, viele weitere Jahre politischer Haft folgten. „Der türkische Staat hat mich früh als gefährlich eingestuft. Ich habe bald Beamte kennengelernt, deren einzige Ermittlungsmethode Folter war“, erinnert sich Akhanli. 1991 erhielt er in Deutschland politisches Asyl. 2017 wurde er auf Drängen der Türkei in Spanien verhaftet. „Dass die Festnahme so schnell öffentlich bekannt wurde, hat mich vor Untersuchungshaft bewahrt“. Die juntahafte Politik Erdogans, der als Reformer auf die Bühne trat, sei „lediglich das letzte Glied der 100jährigen Gewaltgeschichte der Türkei“, so Akhanli in Fresach. Dort hielt er ein starkes Plädoyer dafür, dass sich jede Gesellschaft und auch jede Generation der Vergangenheitsbewältigung stellen müsse. In vielen Ländern Europas ortet der Autor eine Geschichtsvergessenheit. Die Europäer hätten zwei Weltkriege verursacht, „aber viele Menschen wollen schnell vergessen“. Obwohl er das Gefühl habe, dass die Mehrheit der Europäer aus dieser Katastrophe gelernt hätte, „ist die Hydra wiedererwacht, und Nationalismus und Rassismus sind in vielen europäischen Ländern zu gewalttätigen und gewaltverherrlichenden Monstern geworden“. Die meisten Regierungen „spielen mit dem Feuer, das der Mob entzündet hat“. Wer aber „Minderheiten abwertet und Konkurrenzen zuspitzt“, könne nicht in Frieden leben, zeigte sich Dogan Akhanli überzeugt.

 

 

 

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