Sound of Silence für das Auto der Zukunft

 

erstellt am
22. 06. 18
13:00 MEZ

Leise Autos - komfortabel und sicher
Graz (manggei) - Die letzten Tage entwickelte sich Graz zum internationalen Hotspot der Automobilindustrie in Sachen Fahrzeugakustik. Über 200 Experten aus der ganzen Welt trafen sich vom 20. - 22. Juni zum 10. ISNVH Kongress (International Styrian Noise, Vibration & Harshness Congress) im Congress Graz, um allen hör- und spürbaren Schwingungen in Fahrzeugen auf die Spur zu gehen. Organi-siert wurde der ISNVH Kongress vom Grazer Forschungszentrum VIRTUAL VEHICLE in Kooperation mit AVL List und MAGNA sowie der Society of Automotive Engineering (SAE). Das Motto lautete diesmal "The Sound of Silcence". So wird heute nicht nur Lärm vermieden, sondern für die flüs-terleisen Elektroautos sogar individueller Sound designt. Zugleich geht es nun selbst den leisen, durch die ruhigen Motoren hörbaren Lärmquellen an den Kragen, um den Reisekomfort weiter zu steigern. Das anbrechende Zeitalter des autonomen Fahrens verlangt eine besonders stille Um-gebung, damit die Passagiere während der Fahrt in Ruhe arbeiten oder einfach "chillen" können.

Autos werden immer leiser. Das verdanken wir jenen Experten, die Lärmquellen aufspüren und neuerdings sogar den Sound von Autos designen, um beispielsweise flüsterleise Elektroautos hör-bar zu machen. Zugleich suchen die Fahrzeugentwickler Wege, um bislang vom Motorgeräusch übertönte Störgeräusche wie quietschende Armaturenbretter oder auch unangenehme neue hochfrequente Töne seitens der Leistungselektronik zu eliminieren.

Am ISNVH Kongress in Graz ging es darum und um zahlreiche weitere Themen wie Materialmodel-lierung, Aeroakustik, Geräuschqualität oder Numerische Simulation und Optimierung, um das Fah-ren künftig noch leiser und angenehmer zu gestalten. Geboten wurden 115 Vorträge sowie vier hochkarätige Keynotes von Prof. Steve Elliott von der University of Southhampton (Entwicklungen bei der aktiven Geräuschreduktion), Prof. Chris Fuller von Virginia Tech/NASA (Poro-Elastic Acoustic Meta Materials), Dr. Laurent Gagliardine von PSA (Vibrationen in Fahrzeugstrukturen) und Dr. Dong Chol Park von Hyundai Motor Company (Die menschlichen Reaktionen auf Fahrzeuggeräusche).

Sounddesign
Während bei Verbrennungsmotoren daran gearbeitet wird, die Geräusche noch weiter zu reduzie-ren, müssen bei den flüsterleisen Elektromobilen sogar spezielle Sounds entwickelt werden, damit sie im Verkehr nicht überhört werden. Eine besondere Herausforderung für die Entwickler sind Hybridfahrzeuge. Hier trifft die alte Welt der Geräusche auf die der E-Mobilität: das kann manchmal zu unerwarteten, verwirrenden akustischen Rückkopplungen führen.

Der Sound in und von einem Auto ist eine komplexe Angelegenheit. Verschiedenste Geräusche vom Motor, den Reifen oder dem Fahrtwind überlagern sich. Dazu gesellen sich zahlreiche weitere Geräuschquellen im Inneren des Autos - sei es die Lüftung oder plötzlich knarzende Armaturen-bretter. Viele diese Störgeräusche treten nur bei gewissen Temperaturen oder Geschwindigkeiten auf. So untersucht das VIRTUAL VEHICLE beispielsweise in einem am Kongress vorgestellten Pro-jekt, wie das störende Klappern des Innenlebens eines Sicherheitsgurt-Aufrollers, das nur in be-stimmten Fahrzuständen auftritt, verhindert werden kann. Die Krux dabei: All diese leisen Geräu-sche stören nun umso mehr, je leiser die Fahrzeuge werden.

Mensch im Mittelpunkt
"Mit der zunehmenden Elektrifizierung und der Automatisierung der Autos stellen sich für uns ganz neue Herausforderungen", erklärt Anton Fuchs, Leiter des NVH & Friction Department des VIRTU-AL VEHICLE und einer der ISNVH Congress Chairs, "während wir früher versucht haben, Geräusche bestmöglich zu reduzieren, geht es nun auch darum, den richtigen Sound zu generieren". Dazu wird in neuen Forschungsfeldern wie der Psychoakustik besonders die Wirkung von Geräuschen auf Menschen untersucht. "Da gibt es zwar schon einige Untersuchungen, aber auch noch viele offene Fragen, weshalb wir psychoakustische Modelle weiterentwickeln", so Fuchs. So müssen etwa aus unzähligen Messdaten jene identifiziert werden, die wirklich relevant sind, um das akustische Um-feld zu optimieren.

"Das menschliche Ohr ist ein tolles Sinnesorgan", betont der Akustikexperte. Es kann einen sehr breiten Frequenzbereich erfassen. Während es für niedrige Frequenzen zuverlässige akustische Modelle für Fahrzeuge gibt, die bei der Fahrzeugentwicklung in Simulationen schon eingesetzt werden, müssen diese im höheren Frequenzbereich erst entwickelt werden. Besonders in Elektro-autos produziert die Leistungselektronik teils unangenehme, hochfrequente Geräusche.

Virtuelles Sounddesign
Der Vorteil möglichst präziser Modelle ist, dass dadurch vieles schon vor dem Bau virtuell simuliert werden kann. Diese virtuellen Simulationen, die bei komplexeren Aufgaben zusätzlich mit realen Tests kombiniert werden, ist eine der großen Stärken des VIRTUAL VEHICLE, in dem rund 200 For-scher zu zahlreichen Themenbereichen beitragen können. Zudem hilft dem unabhängigen For-schungszentrum ein weltweites Netzwerk mit Forschungseinrichtungen und industriellen Partnern. Bei der Entwicklung von Fahrzeugen ist der gesamtheitliche Blick und die optimale Zusammenarbeit vieler Disziplinen letztlich für die Qualität entscheidend.

Themen wie die Sicherheit oder Effizienz haben bei der Fahrzeugentwicklung natürlich die größte Priorität. Deshalb werden Bereiche wie die Akustik oft erst in einer späteren Entwicklungsphase berücksichtigt. Wenn es dann aber bei Abnahmefahrten unerwartet zu störenden Vibrationen und seltsamen Geräuschen kommt, muss nachgebessert werden. Manchmal sogar beim Karosserie-aufbau. Das ist freilich teuer. Mittels virtueller Akustikmodelle lassen sich schon sehr früh in der Entwicklungsphase mögliche Probleme aufdecken und vermeiden.

Wohlfühlfahrraum fürs autonome Fahrzeug
In der Fahrzeugentwicklung wird das Thema Fahrkomfort, wie sich am ISNVH Kongress in zahlrei-chen Diskussionen zeigte, immer wichtiger. Ein besonders angenehmes und ruhiges Fahrerlebnis ist im Zeitalter des autonomen Fahrens ein wichtiges Kriterium. Denn das Auto entwickelt sich je nach Anforderung zunehmend zum Büro oder Unterhaltungs- und Entspannungszentrum. Umso wichtiger ist es, unangenehme Geräusche und Vibrationen zu verhindern.

Das VIRTUAL VEHICLE ist sowohl bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge als auch im Bereich Ge-räusche und Schwingungen in zahlreichen internationalen Projekten engagiert, um die neuen Her-ausforderungen der künftigen Mobilität zu lösen. Da stellen sich zahlreiche Fragen: Wie beeinflus-sen etwa die Leichtbauweise und das Energiemanagement das Komfortempfinden von Passagie-ren? Zugleich geht es darum, die Themen Effizienz, Kosten und Komfort, wozu neben Lärm, Vibra-tionen etwa auch die Luftqualität und einiges mehr zählen, unter eine Karosserie zu bringen.

Akustische Wirkungsketten
Ein großes Thema am ISNVH Kongress war etwa die Abbildung ganzer akustischer Wirkungsketten. Das beginnt bei der genauen Erfassung der Geräuschentstehung, der Übertragung über die Luft oder über Festkörper bis hin zur Wirkung auf den Menschen. "Kleine Ursachen können oft große Auswirkungen haben", erklärt Fuchs. Die Akustik ist ein sehr komplexes Thema, die maßgeblich zum Wohlbefinden beim Reisen beiträgt. Deshalb wird nun intensiver die subjektive Wahrneh-mung von Lärm untersucht. Autos sollen für das Zeitalter des autonomen Fahrens aber nicht nur leiser und komfortabler werden, sondern auch sparsamer. Das ist für die Entwickler durchaus eine Herausforderung.

Dämpfen oder Bekämpfen
Zu weniger Verbrauch trägt besonders auch der Leichtbau bei. "Leichtbau ist ein großer Freund der Effizienz, aber kein großer Freund der Akustik", erklärt der Experte des VIRTUAL VEHICLE. Leichtere Bauteile haben schlicht schlechtere akustische Eigenschaften. Umso mehr muss bei der Innenaus-stattung mit speziellen Materialien dafür gesorgt werden, den Schall zu dämpfen.

Neuerdings wird auch mit aktiven Systemen, die aus Mikrofonen und Lautsprechern samt komple-xen Analysesystemen bestehen, Vibrationen und Geräuschen der Kampf angesagt. Dazu referierte am Kongress etwa Prof. Steve Elliott von der University of Southhampton in seiner Keynote. Durch Überlagerung mit genau an die Wellenlänge der Störgeräusche angepassten Tönen werden hier diese beseitigt. "Das sind aber zum Teil noch sehr komplexe und teure Systeme, die vor allem bei konstanten Frequenzen wie etwa einer Flugzeugturbine gut funktionieren", erklärt Fuchs. In Autos gibt es hingegen sehr viele unterschiedliche Geräusche in zahlreichen Frequenzbereichen. Da ist es meist viel einfacher, den Dachhimmel und Boden mit dämpfenden Materialien auszustatten. Die Entwicklung eines umfassenden Lärmschutzes ist jedenfalls eine komplexe Aufgabe, die viel Re-chen- und Simulationsaufwand benötigt.

Um diese komplexen Herausforderungen zu lösen, ist es wichtig, dass Forschungseinrichtungen, Hersteller und Zulieferer gut zusammenarbeiten. Der Internationalen Steirischen Noise, Vibration & Harshness Kongress bietet dazu eine einzigartige, neutrale Plattform, auf der sich alle Teilnehmer offen austauschen können. Deshalb ist er auch in der Entwicklerszene so beliebt und lockt die Ex-perten aus der ganzen Welt nach Graz.

VIRTUAL VEHICLE:
Technologiepartner für zuverlässige und nachhaltige Lösungen in der digitalen Mobilität.
VIRTUAL VEHICLE ist ein führendes internationales F&E Zentrum für die Automobil-und Bahnin-dustrie. 200+ Forscherinnen und Forscher arbeiten an der Fahrzeugtechnologie der Zukunft.

Das Forschungszentrum konzentriert sich mit den Schwerpunkten "Efficient Development" und "Digital Operation" auf die konsequente Virtualisierung der Fahrzeugentwicklung. Wesentliches Element dabei ist die Verknüpfung von numerischer Simulation und Hardware -Testen, welche ein umfassendes HW-SW Systemdesign sicherstellt.

Das internationale Partnernetzwerk von VIRTUAL VEHICLE umfasst:

  • 80+ internationale Industriepartner (OEMs, Tier-1 und Tier-2 Zulieferer sowie Software-Anbieter)
  • 40+ internationale wissenschaftliche Institutionen

VIRTUAL VEHICLE ist das größte COMET finanzierte Forschungszentrum Österreichs und darüber hinaus in 30+ EU-Projekten aktiv. Zusätzlich bietet VIRTUAL VEHICLE ein breites Portfolio an Auf-tragsforschung für die Fahrzeugentwicklung.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.v2c2.at

 

 

 

 

 

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