Tirol bekennt sich zur Gentechnikfreiheit

 

erstellt am
21. 08. 18
13:00 MEZ

Alte Landsorten auf dem Vormarsch – Schwieriges Jahr für Getreideanbau in Tirol, heimisches Getreide stark nachgefragt
Innsbruck (lk) - Die Getreideernte in Tirol ist weitgehend abgeschlossen. Für den Getreideanbau war das heurige Jahr aufgrund der Trockenheit ein schwieriges. Die Qualität ist in Ordnung, die Erntemenge liegt aber deutlich unter dem Durchschnitt. Dies gilt auch für die in Tirol stark vertretenen alten Landsorten aus der Genbank des Landes Tirol. Nichtsdestotrotz bieten diese Sorten auch hinsichtlich veränderter klimatischer Verhältnisse interessante Möglichkeiten.

„Wir bekennen uns in Tirol zu unverfälschten, natürlichen Lebensmitteln und damit zur gentechnikfreien Produktion. Die Tiroler Landwirtschaft geht sogar noch einen Schritt weiter und setzt stark auf alte Landsorten, also Saatgut und Pflanzen, die seit jeher bei uns heimisch sind“, bekräftigt LHStv Josef Geisler einmal mehr den Tiroler Weg in der Lebensmittelproduktion. Keinen Handlungsbedarf hat Tirol aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes. Dieser hatte Ende Juli entschieden, dass die „Genschere“, eine moderne Methode zur Veränderung des Erbgutes von Pflanzen ohne das Einfügen artfremder Gene, unter die Gentechnik-Richtlinien fällt. „Tirol war 2005 eines der ersten Bundesländer mit einem eigenen Gentechnik-Vorsorgesetz. Gesetzliche Regelungen und strenge Kontrollen gewährleisten, dass bei uns keine gentechnisch veränderten Organismen angebaut werden. Wer Gentechnikfreiheit will, greift deshalb am besten zu regionalen Lebensmitteln“, so Geisler.

Zuwachs bei Getreideanbauflächen
Dass der Weg der Gentechnikfreiheit und die Rückbesinnung auf alte Landsorten bei den KonsumentInnen ankommen, zeigt die stetig steigende Nachfrage nach regionalem Getreide. Wurde in Tirol 2014 auf knapp über 600 Hektar Getreide angebaut, waren es im vergangenen Jahr bereits um 100 Hektar mehr. Die größte Steigerung gab es beim Sommergetreide im Bereich der Gerste. Hier stieg die Anbaufläche innerhalb nur eines Jahres um 20 Prozent. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die „Fisser Gerste“ oder „Tiroler Imperialgerste“, einer alten Landsorte, die jetzt verstärkt zum Bierbrauen verwendet wird. Aber auch heimisches Brotgetreide wie zum Beispiel der „Rote Tiroler Kolbendinkel“, der Sommerroggen „Tiroler“ und zwei Tiroler Binkelweizen sind stark nachgefragt.

Alte Landsorten in der Hand der Allgemeinheit
Das Saatgut für die heute in Tirol angebauten alten Landsorten stammt aus der Genbank und wird auf Vermehrungsflächen des Landes Tirol teils in Kooperation mit der Tiroler Saatbaugenossenschaft produziert. In der Genbank lagert keimfähiges Material von rund 1.000 verschiedenen Landsorten – davon über 700 verschiedene Getreidesorten. Diese Arche dient der Erhaltung der genetischen Vielfalt der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. „Die Genbank ist aber auch eine Zukunftsaktie für die Landwirtschaft und die regionale Wirtschaft. Das in der Genbank des Landes lagernde Saatgut gehört keinem Konzern, sondern der Allgemeinheit“, verweist Geisler auf das Potenzial und die Verfügbarkeit des Saatgutes. „Wir betreiben seitens des Landes Erhaltungszüchtung und haben gutes, kontrolliertes Vorstufenmaterial für die Saatgutproduktion“, erklärt Klaus Wallnöfer, Vorstand der Abteilung landwirtschaftliches Schulwesen, Jagd und Fischerei.

Alte Sorten, neue Chancen
Auch die heute in der Genbank des Landes lagernden alten Landsorten wurden zum Teil schon züchterisch bearbeitet. Auslesezüchtung wird seit etwa 10.000 Jahren, also seit der Jungsteinzeit, betrieben. Gentechnisch verändert wurden die alten Landsorten dabei aber nicht. „Der Mensch greift seit langem in das Erbgut von Pflanzen ein. Das ist an sich nichts Schlechtes“, wissen Christian Partl und Andreas Tschöll vom Fachbereich Versuchswesen und Genbank des Landes. Die Vielfalt der Eigenschaften alter Landsorten kann durch klassische Züchtungsmethoden nutzbar gemacht werden. „Einige Sorten trotzen der Trockenheit, andere sind resistent gegen gewisse Pflanzenkrankheiten“, wissen die Fachleute. In einigen Bereichen – etwa beim Ertrag – haben die alten Landsorten aber auch Schwächen.

  • Fisser = Tiroler Imperial: Anbau 2018 auf ca. 80 ha, wird in Tirol vornehmlich zum Bierbrauen verwendet; erlebt eine echte Renaissance
  • Sommerroggen „Tiroler“: veredelte Landsorte (Kreuzungszüchtung); Verwendung als Brotgetreide, langes Stroh, anspruchslos und gesund; seit 1958 in der österreichischen Sortenliste als einziger Sommerroggen; Vermehrungsflächen in Tirol, Anbauflächen im Waldviertel
  • Roter Tiroler Kolbendinkel: alte Tiroler Landsorte ohne Weizeneinkreuzung; Verwendung als Brotgetreide, Ertrag und Qualität sehr gut, beim Gelbrost (wichtige Getreidekrankheit) die gesündeste Sorte; seit 2016 in Österreich als moderne Hochzuchtsorte zugelassen; Vermehrung 2018 auf 8 Hektar
  • Zwei Tiroler Binkelweizen werden aktuell auf Back- und Brauqualität geprüft
  • Obernberger Schwarzhafer im Sortiment von Bio vom Berg

 

 

 

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