Prognose der österreichischen Wirtschaft 2018 - 2019

 

erstellt am
08. 10. 18
13:00 MEZ

Robuste Binnenkonjunktur bei hohem außenwirtschaftlichem Risiko
Wien (ihs) - Nach einem Anstieg von 2.6 % im Vorjahr ist die österreichische Wirtschaft auch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres kräftig gewachsen. Vor dem Hintergrund der seit Jahresbeginn nachlassenden Konjunktur im Euroraum und der hohen Unsicherheit im konjunkturrelevanten Umfeld hat sich das Expansionstempo im zweiten Quartal verlangsamt. Für die Jahre 2018 und 2019 wird ein Wachstum der österreichischen Wirtschaft von 2.7 % bzw. 1.7 % erwartet. Die Abwärtsrisiken für die Prognose haben seit dem Frühjahr zugenommen, wobei insbesondere die Ausgestaltung des Brexit und die Auswirkungen der protektionistischen Tendenzen in der Handelspolitik zu nennen sind. Weiterhin notwendig sind strukturelle Reformen, um das Wachstumspotenzial der österreichischen Wirtschaft zu stärken und die Widerstandskraft gegenüber internationalen Konjunktureinbrüchen zu erhöhen.

Im Vorjahr ist die Wirtschaftsleistung in Österreich um 2.6 % gewachsen. In der ersten Hälfte dieses Jahres hat sich die Hochkonjunktur in Österreich fortgesetzt. Laut Trend-Konjunktur- Komponente verlangsamte sich die Expansion im zweiten Quartal etwas und betrug 0.6 % gegenüber dem Vorquartal nach 0.8 % zu Jahresbeginn. Der Aufschwung ist dennoch weiterhin breit abgestützt. Die gute Arbeitsmarktentwicklung trieb den privaten Konsum an und die Investitionstätigkeit fiel weiterhin belebt aus. Impulse gingen auch vom Außenhandel aus, wobei die Exportdynamik seit Jahresbeginn etwas schwächer wurde. Seit dem Jahreswechsel hat die Konjunktur im Euroraum an Fahrt verloren. Die handelspolitischen Risiken belasten die Stimmung der Unternehmer. Nach einem äußert kräftigen Anstieg im Verlauf des vergangenen Jahres sind die heimischen Konjunkturindikatoren seit dem Jahreswechsel merklich rückläufig; sie sind aber noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Vor diesem Hintergrund geht das Institut davon aus, dass sich die Konjunkturdynamik im dritten Quartal leicht verringert hat und in der Folge die heimische Wirtschaft auf einen moderateren Wachstumspfad einschwenkt. Somit sollte das Bruttoinlands- produkt im Jahresdurchschnitt 2018 um 2.7 % und im kommenden Jahr um 1.7 % steigen. Damit wächst die österreichische Wirtschaft im heurigen Jahr deutlich stärker als die des Euroraums; nächstes Jahr wird sich das Tempo angleichen.

Im Vorjahr expandierte die Weltwirtschaft breitflächig und in hohem Tempo. Seit Beginn dieses Jahres sind die regionalen Unterschiede in der Konjunkturdynamik aber wieder größer geworden. Getrieben von den Impulsen der Finanzpolitik legte die Wirtschaftsleistung in den USA im zweiten Quartal um 1.0 % gegenüber dem Vorquartal zu, nach 0.5 % im ersten Quartal. Nach dem kräftigen Aufschwung im Vorjahr verringerte sich das Wachstum im Euroraum in den ersten beiden Quartalen jeweils auf 0.4 %. Dabei verzeichneten insbesondere Deutschland, Frankreich und Italien eine Wachstumsverlangsamung. Auch in den Schwellenländern zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Während die Produktion in China in der ersten Jahreshälfte noch kräftig stieg, haben sich die Wirtschaftsaussichten in Südamerika und in der Türkei verschlechtert. Seit Jahres- beginn hat sich der Welthandel kaum noch ausgeweitet. Aufgrund des stark gestiegenen Ölpreises hat die Inflation merklich angezogen. Die weiterhin sehr günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt in Europa und in den USA stützt hingegen die Binnenkonjunktur. Von der Fiskalpolitik gehen ebenfalls belebende Impulse aus, insbesondere in den USA. Die Geldpolitik ist weiterhin expansiv ausge- richtet, lediglich in den USA hat eine Straffung eingesetzt. Im Euroraum wird die Zinspolitik den Ankündigungen der EZB zufolge wahrscheinlich erst ab dem zweiten Halbjahr 2019 langsam normalisiert.

Das Institut erwartet ein gegenüber der Juni-Prognose nahezu unverändertes internationales Konjunkturbild. Die US-Wirtschaft sollte in den Jahren 2018 und 2019 um 2.8 % bzw. 2.5 % zulegen. Von der Steuerreform dürften dabei insbesondere auf die Investitionstätigkeit belebende Impulse ausgehen. Die Wirtschaft im Euroraum sollte mit Wachstumsraten von 2.0 % bzw. 1.8 % auf einem soliden Wachstumskurs bleiben. Für die chinesische Wirtschaft werden Zuwachsraten von 6.6 % bzw. 6.2 % erwartet. Die Weltwirtschaft sollte somit um 3.7 % bzw. 3.6 % expandieren.

Seit der Steuerreform 2016 stellt der private Konsum in Österreich nach einer längeren Stagnationsphase wieder eine wichtige Wachstumsstütze dar. Der starke Beschäftigungsanstieg, die steigenden Reallöhne und das hohe Konsumentenvertrauen stützen gegenwärtig den privaten Konsum. Nunmehr rechnet das Institut mit einem Zuwachs von 1.8 % im heurigen Jahr. Für nächstes Jahr wird ein Konsumwachstum von 1.4 % erwartet. Dies impliziert einen leichten Anstieg der Sparquote im Prognosezeitraum von 6.8 % auf 7.2 %.

Die aktuell vorliegenden Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeichnen ein etwas verändertes Bild des Investitionszyklus. So erfolgte der stärkste Anstieg der Bruttoanlage- investitionen bereits im Jahr 2016 mit einer Wachstumsrate von 4.3 %. Im Vorjahr blieb die Investitionstätigkeit mit einer Rate von 3.9 % kräftig. Die hohe Kapazitätsauslastung und die günstigen Finanzierungskonditionen sollten die Investitionstätigkeit weiterhin stützen; die zu- nehmenden Unsicherheiten hinsichtlich des weltwirtschaftlichen Umfelds wirken hingegen dämpfend. Im heurigen Jahr dürften die Ausrüstungsinvestitionen um 3.8 % zulegen, nächstes Jahr sollte sich der Zuwachs auf 1.8 % verringern. Weiterhin lebhaft dürften sich die Bauinvestitionen mit Wachstumsraten von 2.8 % bzw. 1.8 % entwickeln. Die Bruttoanlageinvestitionen steigen somit um 3.3 % bzw. 1.8 %. Damit fällt die Einschätzung der Investitionstätigkeit unverändert gegenüber der letzten Prognose aus.

Im bisherigen Jahresverlauf hat sich der Welthandel nur relativ schwach entwickelt. Die zunehmenden protektionistischen Tendenzen werden die Dynamik des Welthandels im weiteren Prognosezeitraum wohl dämpfen. Das Institut geht aber davon aus, dass sich der Aufschwung der Weltwirtschaft fortsetzt und der Welthandel daher um 3.5 % bzw. 3.0 % zulegt. Im Vergleich zum Vorjahr sollte sich das Wachstum der österreichischen Exportmärkte etwas verlangsamen. Laut der Prognose steigen die heimischen Exporte um 4.5 % bzw. 3.7 %. Für die Gesamtimporte laut VGR werden Wachstumsraten von 3.3 % bzw. 3.2 % erwartet. Somit dürfte von der Außenwirtschaft in beiden Jahren ein positiver Wachstumsbeitrag ausgehen.

Im August belief sich die heimische Inflationsrate auf 2.2 %. Der Anstieg der Inflationsrate gegenüber der ersten Jahreshälfte erfolgte insbesondere aufgrund der anziehenden Energiepreise. Die Kerninflation lag im August bei 1 ¾ %. Das Inflationsdifferenzial zum Euroraum hat sich somit weiter verringert. Für den weiteren Prognosezeitraum geht das Institut von einem nahezu unveränderten Preisauftrieb aus, sodass eine VPI-Inflationsrate von 2.0 % für heuer erwartet wird. Im kommenden Jahr dürfte die Inflation 2.1 % betragen. Diese Prognose unterstellt, dass von den internationalen Rohstoffmärkten keine starken preistreibenden Impulse ausgehen und die heimische Lohnstückkostenentwicklung verhalten bleibt.

Der starke Konjunkturaufschwung prägt weiterhin die Lage am Arbeitsmarkt. Im heurigen Jahr sollte die Beschäftigung um 2.4 % zulegen und die Arbeitslosenquote laut nationaler Definition um 0.8 Prozentpunkte auf 7.7 % zurückgehen. Allerdings hat sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf verlangsamt und Hinweise auf Fachkräftemangel bzw. Mis-Match-Arbeitslosigkeit nehmen zu. Trotz der Verlangsamung des Aufschwungs wird auch für das kommende Jahr ein Beschäftigungsanstieg von 1.2 % erwartet. Wie schon in der Vergangenheit wird allerdings nur ein kleiner Teil dieser neuen Stellen aus dem Pool der Arbeitslosen besetzt werden, sodass die Arbeitslosenquote nur wenig auf 7.4 % zurückgeht. Für die Arbeitslosenquote laut Eurostat impliziert dies Werte von 4.9 % bzw. 4.8 %, ausgehend von 5.5 % im Vorjahr.

Die Hochkonjunktur und die niedrigen Zinsen prägen weiterhin die Lage der öffentlichen Haushalte. Nach einem gesamtstaatlichen Defizit nach Maastricht-Definition von 0.8 % des BIP im Vorjahr erwartet das Institut weiterhin einen Rückgang des Defizits auf 0.2 % des BIP im heurigen Jahr und einen Überschuss von 0.1 % im Jahr 2019. Anstrengungen der Regierung zur Dämpfung der Ausgabendynamik und zur Verringerung der im internationalen Vergleich hohen Abgabenbelastung werden vom Institut ausdrücklich begrüßt. Gegenwärtig stellt sich die Lage der öffentlichen Haushalte recht erfreulich dar. Für einen nachhaltigen Budgetkurs und eine Absenkung der Schuldenquote sind aber zusätzliche Anstrengungen erforderlich. Aus längerfristiger Sicht müssen Potenziale zur Finanzierung der Kosten der Alterung und für zusätzliche Ausgaben in zukunfts- orientierten produktivitätserhöhenden Bereichen wie Bildung, Digitalisierung und Forschung geschaffen werden. Auf jeden Fall müssen die öffentlichen Mittel effizient eingesetzt und die Abgabenstruktur optimiert werden. Die Umsetzung von Strukturreformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pensionen und Föderalismus sollten umgehend angegangen werden.

Im Jahresverlauf sind die Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft merklich gestiegen. Insbesondere die handelspolitischen Spannungen haben die wirtschaftlichen Unsicherheiten erhöht. Gegenwärtig sind die Auswirkungen der von der US-Regierung verhängten erhöhten Einfuhrzölle aufgrund des geringen Volumens der betroffenen Güter noch überschaubar. Gefahr droht allerdings von einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie von zusätzlichen Zöllen im Handel der USA mit Europa. Eine solche Eskalation würde den Welthandel spürbar beeinträchtigen. Die Normalisierung der Geldpolitik der US-Notenbank belastet die Wirtschafts- entwicklung in einigen Schwellenländern, die verstärkte Kapitalabflüsse und Währungsabwertungen verzeichnen. Die Krisen in Argentinien und in der Türkei könnten einen Vertrauensverlust gegenüber anderen Schwellenländern auslösen und somit deren Finanzierungsbedingungen weiter verschlechtern. Ein weiterer merklicher Anstieg der Energiepreise könnte die Inflation antreiben und somit die Realeinkommen der Haushalte reduzieren und die Binnennachfrage dämpfen. Die wirtschaftlichen Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU bilden weiterhin das größte Konjunkturrisiko für Europa. Im Zusammenhang mit finanzpolitischen Ankündigungen der italienischen Regierung kamen jüngst Befürchtungen vor einem Wiederaufflammen der Eurokrise auf.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.ihs.ac.at

 

 

 

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