Alexander Van der Bellen: Wir brauchen
 keine "freiwillige Verzwergung"

 

erstellt am
10. 10. 18
13:00 MEZ

Der Bundespräsident sprach sich gemeinsam mit deutschem Staatschef Steinmeier und slowakischem Amtskollegen Kiska vor Studierenden für starke EU aus
Berlin/Bratislava/Wien (apa/prk) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der deutsche Staatschef Frank-Walter Steinmeier und der slowakische Präsident Andrej Kiska haben sich am 9. Oktober ausgesprochen, in der EU an gemeinsamen Lösungen für globale Herausforderungen zu arbeiten. "Das Letzte, was wir brauchen, ist eine freiwillige Verzwergung", sagte Alexander Van der Bellen an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Nationale Souveränität, wie sie von manchen Politikern beschworen werde, sei im 21. Jahrhundert eine Illusion, "jedenfalls für europäische Staaten", erklärte er bei der von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik organisierten Diskussionsveranstaltung "Präsidenten im Gespräch: Die Zukunft Europas". "Jeder europäische Staat - entschuldige, Frank, auch Deutschland - ist im Weltmaßstab ein Kleinstaat."

Gemeinsames Handeln sei in vielen Bereichen unerlässlich, aber nicht einfach herzustellen, erklärte er und rief sein studentisches Publikum beim "Europa Club Uni" dazu auf, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man die politischen Strukturen der EU auf Österreich umlegen würde. Dann würden die Landeshauptleute im österreichischen Pendant zum Europäischen Rat sitzen, denen es um ihr politisches Überleben im eigenen Bundesland ginge. Angst vor einem europäischen Zentralstaat sei daher nicht angebracht - davon sei die Union "Lichtjahre" entfernt.

"Weltpolitikfähigkeit" habe die EU seiner Ansicht nach "grosso modo" derzeit nicht, griff Bundespräsident Van der Bellen ein Konzept des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker auf. Eine gemeinsame außenpolitische Position zu einer internationalen Frage zu finden, sei "sehr sehr schwierig".

Er forderte die Studierenden auf, an den kommenden Europawahlen teilzunehmen. "Ein wirklicher Patriot, der die Interessen seines Landes im Auge hat, ist es der, der den Nationalstaat des 19. Jahrhunderts von gestern und vorgestern auf den Schild hebt, oder ist das der, der versteht, dass Souveränität heutzutage gebündelt werden muss?", fragte Alexander Van der Bellen ins Publikum.

"Niemand sollte glauben, dass es einfacher wird, wenn wir nicht versuchen, es europäisch zu lösen", betonte auch der deutsche Bundespräsident. Frank-Walter Steinmeier sah es als problematisch an, dass für viele junge Menschen die Freiheiten innerhalb der EU zur Selbstverständlichkeit geworden seien. "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts", zitierte Bundespräsident Steinmeier Willy Brandt und lobte die Union, die Europa 70 Jahre Frieden gebracht habe.

Dieser Errungenschaft wird seiner Ansicht nach nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Stattdessen werde einerseits das "Unbehagen" über Globalisierung, Migration und Störungen in der internationalen politischen Steuerung auf die EU abgeladen, andererseits die EU als Instrument in innenpolitischen Auseinandersetzungen missbraucht, benannte Frank-Walter Steinmeier zwei Mechanismen.

Auch sein slowakischer Amtskollege stellte fest, dass Politiker die EU für alles, was schief laufe, verantwortlich machten, während sie die Erfolge der Union als eigene verkauften. "Es gibt viel nationalen Egoismus", sagte Andrej Kiska. Er forderte "starke Fürsprecher" für die EU und verantwortungsvolle politische Führungsfiguren auf nationaler Ebene. "Worte sind oft der Beginn großer Tragödien", warnte der Präsident vor der Macht von Worten unter Verweis auf populistische Rhetorik.

Von der Medienberichterstattung forderte Frank-Walter Steinmeier eine Abkehr von der Fokussierung auf Negativbeispiele. Diese sei von Berichten über die "Verächtlichmachung der Demokratie" geprägt, sagte er in Hinblick auf die jüngsten Vorfälle in Chemnitz und Köthen und das darauffolgende Medienecho. "Wir reden viel zu viel davon, was schief läuft und zu wenig über die Normalität", beanstandete er. In der EU werde laufend viel getan, um die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.

 

 

 

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