EU streckt Fühler nach Australien und Lateinamerika aus

 

erstellt am
17. 10. 18
13:00 MEZ

Markterleichterung für Unternehmen durch EU-Verträge, aber EU-Standards zum Schutz der heimischen Wirtschaft einhalten
Brüssel/Wien (pk) - Europäische Unternehmen sind gegenüber anderen Ländern im Hintertreffen, weil Unternehmen aus EU-Ländern hohe Zölle zu leisten haben; Unternehmen aus anderen Ländern sind durch Freihandelsverträge mit Australien privilegiert. Dasselbe gilt für Neuseeland. Das soll sich durch Freihandelsabkommen mit diesen beiden Staaten ändern. Auch mit lateinamerikanischen Ländern soll der Handel erleichtert werden. Hier jedoch muss darauf geachtet werden, dass Unternehmen aus der EU nicht Nachteile gegenüber Unternehmen aus Lateinamerika erleiden, weil dort geringere Standards herrschen. Die Opposition drängt auch auf Standards, die beispielsweise die ILO ("International Labour Organization") in Bezug auf Kollektivverträge festgelegt hat. Am 16. Oktober beriet dazu der "Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der EU " im Beisein von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Besonders wichtig für europäische und damit auch für österreichische Unternehmen wäre nach Einschätzung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Australien (COM (2017) 472 ). Dasselbe gelte für Neuseeland (COM (2017) 469 ). Aber auch Australien und ebenso Neuseeland haben ein Interesse an wirtschaftlichen Beziehungen zur EU nach den Problemen, die es beim "Trans-Pacific Partnership" (TPP) gegeben hat. Österreich sei generell ein Exportland, betonte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Fast jede zweite Mitarbeiterin und jeder zweite Mitarbeiter in Österreich bekleide einen Arbeitsplatz, der zumindest teilweise vom Export abhänge. "Export geht uns alle an", sagte Schramböck. Daher sei es wichtig, Handelsabkommen abzuschließen.

Die EU sollte laut Wirtschaftsministerium rasch Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland aufnehmen. Beide Länder gehören zu den am schnellsten wachsenden Industriestaaten der Welt. Die EU sei der größte ausländische Direktinvestor in Australien und der zweitgrößte in Neuseeland. Sowohl Australien als auch Neuseeland verfügen über zahlreiche Freihandelsabkommen, was die Wettbewerbsposition der EU schwäche und mit ungünstigeren Bedingungen für den Marktzugang zu Australien bzw. Neuseeland einhergehe. Derzeit gibt es nur ein "EU-Australian-Partnership-Framework" und bilaterale, sektorale Vereinbarungen.

Neben der Erschließung neuer Märkte in Australien bzw. Neuseeland, wie zum Beispiel Investitionen in die Infrastruktur, sollten durch die Freihandelsabkommen Handelshemmnisse verringert werden. Auf verarbeitete landwirtschaftliche und Lebensmittelprodukte wie Käse oder Wein gibt es vor allem in Australien relativ hohe Zölle. Fahrzeuge aus der EU sind dort die einzigen, die mit Einfuhrzöllen belegt sind. Australische Biosicherheitsmaßnahmen behindern die Einfuhr europäischer Produkte wie Schweinefleisch. In Neuseeland sind Pflanzenschutzmaßnahmen ein Hemmnis für Importe aus der EU. Wichtig wäre vor allem, mit Ländern gleichzuziehen, die mit Australien bzw. Neuseeland bereits Freihandelsabkommen haben.

Eine erste Verhandlungsrunde mit Australien gab es bereits Anfang Juni 2018 in Brüssel; in der Woche vom 19. November 2018 findet die nächste statt – diesmal in Canberra. Auch mit Neuseeland gab es bereits eine Verhandlungsrunde, und zwar im Juli in Brüssel; von 8. bis 12. Oktober fand die zweite in Wellington statt. Eine Folgerunde ist für Jänner 2019 geplant.

Keine Mega-Abkommen
"Bei allen Wirtschaftsverhandlungen müssen wir drei Aspekte berücksichtigen: Handelsabkommen und ihr Mehrwert müssen erstens besser kommuniziert werden", unterstrich Margarete Schramböck. "Sie dürfen nicht im Stillen verhandelt werden, wobei mir wichtig ist, dass inhaltlich nicht alles in Handelsabkommen verpackt werden kann und darf. Handelsverträge sind eine gute Basis für Themen wie Menschenrechte oder Tierschutz, aber wir dürfen uns keine Mega-Abkommen erwarten." Zweitens müsse der Fokus klar auf die Vorteile für österreichische Unternehmen gelegt werden, die aus Handelsvereinbarungen profitieren sollten. Drittens sollten die Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden.

Entgegen der Intention Schramböcks, Handelsverträge, wie jene mit Australien, Neuseeland, aber auch mit den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) und mit Mexiko nicht zu eng mit anderen Themen zu verknüpfen, forderten SPÖ-Abgeordnete Doris Margreiter und Alois Stöger, vor allem Kernarbeitsnormen zu berücksichtigen. Das betreffe insbesondere die von der ILO ("International Labour Orginization") festgelegten Standards, wie zum Beispiel das Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen, aber auch die Streitbelegungsmechanismen.

Verhandlungen mit Mercosur stocken
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck betonte, sie stelle in den Fokus von Handelsverträgen darauf ab, den Handel zu erleichtern. Doch die Einhaltung von Standards sei ein wesentlicher Punkt – vor allem im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit den "Mercosur-Staaten".

Die Europäische Union begann Anfang 2000 mit der südamerikanischen Freihandelszone "Mercosur" Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen. Speziell geht es um den Zugang zu Agrarprodukten der "Mercosur". 2004 wurden die Verhandlungen unterbrochen und 2016 wieder aufgenommen. Das Assoziierungsabkommen ist vor allem für die "Mercosur"-Staaten wichtig, weil es für sie mit hohem Exportinteresse verbunden ist. Durch das Vertragswerk würden Zollschranken auf dem Markt beseitigt werden. Eines der Ziele dieses Abkommens ist laut Brüssel aber auch der Markenschutz für europäische Produkte. Dadurch würden auch kleineren Firmen Exportchancen ermöglicht werden. Gleichzeitig sollen laut den Erläuterungen zum Vertrag die ArbeitnehmerInnenrechte, Umweltschutz und verantwortungsvolles Handeln von Firmen gestärkt und Standards der Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden.

Allerdings hinken die Produktionsstandards und Subventionspraktiken der "Mercosur"-Staaten noch hinter jenen der EU hinterher – und auch hinter jenen Österreichs. Dadurch würde sich für die EU-Produktion nach Einschätzung des Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ein Wettbewerbsnachteil ergeben. Die letzte Verhandlungsrunde fand zwischen 10. und 14. September in Montevideo statt. Dort gab es lediglich geringe Fortschritte.

Schramböck: Der Ball liegt klar bei den "Mercosur-Partnern"
"Die Verhandlungen mit Mercosur sind ins Stocken geraten", berichtete Margarete Schramböck. "Hier herrscht Stillstand." Es werde noch lange dauern, bis Fortschritte erzielt werden könnten. "Diese Länder sind mit ihren Standards noch weit von unseren entfernt." Der Ball liege aber klar bei den "Mercosur-Partnern". "Die Mercosur muss sich bewegen, nicht wir", betonte die Wirtschaftsministerin.

Mit Mexiko verhandelt die EU seit Mai 2016. Ziel ist ein Globalabkommen, um den gegenseitigen Marktzugang für Waren, Dienstleistungen und Investitionen zu erleichtern, die wirtschaftliche Integration zu vertiefen, den Schutz geistiger Eigentumsrechte zu erhöhen, Handelshemmnisse abzubauen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen, die bilaterale Zusammenarbeit zu intensivieren und die nachhaltige Entwicklung zu verbessern. Am 21. April 2018 kam es zu einer Grundsatzeinigung. Jetzt geht es nur noch daran, technische Details zu klären. Neben ausgewogenen Schutzstandards ist ein Investitionsschiedsgerichtshof vorgesehen. Längerfristig jedoch bekennen sich die Vertragsparteien zu einem "Multilateralen Investitionsgerichtshof" (MIC).

Österreich ist am mexikanischen Markt nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums etabliert. Seit 2015 ist Mexiko wichtigster Exportmarkt in Lateinamerika. Die Verhandlungsziele der EU decken sich mit den österreichischen Interessen. Nach einer Bereinigung der Vertragstexte könnte das fertige Vertragswerk Ende 2018, spätestens Anfang 2019 vorliegen. "Die Verhandlungen mit Mexiko zeigen, dass man auf bestehenden Verträgen gut aufbauen kann", erklärte die Wirtschaftsministerin. Dennoch müsse die EU auch hier ihre Standards schützen.

Keine Garantien für menschenrechtliche Mindeststandards
Bruno Rossmann (Liste Pilz) fehlen in den geplanten Verträgen vor allem Garantien für menschenrechtliche Mindeststandards, wie etwa ein Verbot von Kinderarbeit für exportierte Produkte. SPÖ-Abgeordnete Doris Margreiter warnte, dass keines der "Mercosur-Länder" die Standards Österreichs erreiche. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass zum Beispiel Rindfleisch aus diesen Staaten unsere Märkte überschwemmt, weil die Unternehmen dort nicht an dieselben Standards gebunden sind wie die Unternehmen in der EU, vor allem was die Hygiene, den Umweltschutz und die Arbeitsbedingungen betrifft", sagte Margreiter. Sie forderte eine Beendigung der Verhandlungen mit den "Mercosur-Staaten". Das Mandat stamme aus dem Jahr 1999 und sei nicht mehr zeitgemäß. Alois Stöger fügte hinzu, das sei auch zum Schutz der europäischen Unternehmen, die an die Prinzipien der Kernarbeitsnormen gebunden seien.

Dem Verlangen nach einem Verhandlungsstopp konnten vor allem Vertreter der Regierungsparteien nichts abgewinnen. "Wir haben selbst in Brüssel interveniert, dass die Verhandlungen entsprechend ausgerichtet werden", betonte ÖVP-Abgeordneter Georg Strasser. Sie jetzt zu stoppen, sind für ihn nicht der richtige Weg. Er stellte daher den Antrag, den Tagesordnungspunkt in Bezug auf die Verhandlungen mit "Mercosur" zu vertagen. FPÖ-Abgeordneter Wendelin Mölzer betonte die Wichtigkeit des lateinamerikanischen Marktes für österreichische Unternehmen, aber auch Mexiko sei ein wichtiger Handelspartner. Mölzer sprach sich dabei dafür aus, österreichische Standards zu exportieren, nicht schlechtere Standards zu importieren. Gerade im Hinblick auf die Standards sah NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn kaum einen Unterschied zwischen Mexiko und den "Mercosur-Staaten".

Bruno Rossmann (PILZ) stieß sich daran, dass in den Handelsverträgen ein Investitionsschutz vorgesehen werden soll. "Der Investitionsschutz hat in den Handelsabkommen nichts verloren", kritisierte Rossmann. Für Wirtschaftsministerin Schramböck gehört er sehr wohl dazu. Sie entgegnete Rossmann, für Investoren müsse Klarheit herrschen. "Wenn man Investitionsstandards einmal festlegt, ist es einfacher für die Investoren", sagte Schramböck. Der Antrag von ÖVP-Abgeordnetem Strasser auf Vertagung der Tagesordnungspunkte betreffend "Mercosur" und Mexiko wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien stattgegeben.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
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