Industrie: Konjunktursommer geht zu Ende

 

erstellt am
24. 10. 18
13:00 MEZ

IV-GS Neumayer: Markante Eintrübung der Konjunkturaussichten – IV-Chefökonom Helmenstein: Geopolitische Risiken könnten Abwärtsdynamik verstärken
Wien (pdi) - „Kein Konjunktursommer währt ewig. Selbst eine ausgeprägte und den Widrigkeiten der Geopolitik bis dato trotzende Hochkonjunktur wie die gegenwärtige neigt sich nunmehr ihrem Ende zu“, erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 3. Quartal 2018 am 24. Oktober. „Schon seit dem Frühjahr ist das konjunkturelle Momentum wieder abwärtsgerichtet. Die österreichische Industrie stellt sich auf eine konjunkturelle Abschwächung mit einem deutlich geringeren Wachstumstempo im Jahr 2019 ein“, so Neumayer.

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verzeichnet eine sich verstärkende Trendumkehr. Während sich der Rückgang in der Vorperiode auf knapp sieben Punkte belief, verliert das IV-Konjunkturbarometer zu diesem Termin nochmals über zehn Punkte auf einen Wert von rund +30 Punkten. Ursächlich dafür ist sowohl ein aktuell bereits abflauender Geschäftsgang als auch die Erwartung einer weiteren Abschwächung.

Allerdings steht Österreich aus heutiger Sicht kein Abgleiten in eine Rezession bevor, vielmehr ist perspektivisch eine Normalisierung des Expansionstempos auf den Pfad des Potenzialwachstums zu verzeichnen. Dem steht die Beobachtung nicht entgegen, derzufolge beispielsweise der Economic Sentiment Indicator für die Industrie der Eurozone zum bereits neunten Mal in Folge fällt, was den am längsten andauernden Rückgang seit April 2011 begründet. Ein solchermaßen moderaterer Konjunkturverlauf resultiert unabhängig von der Entwicklung der globalen Nachfrage bereits aus Engpässen bei der Verfügbarkeit von Fachkräften am inländischen Arbeitsmarkt sowie aus einer hohen Kapazitätsauslastung in der heimischen Industrie. Letztere bewegt sich auf einem anspruchsvollen Niveau, welches zuletzt im Jahr 2000 geringfügig überschritten wurde.

Die für die österreichische Wirtschaft wesentlichen konjunkturellen Risiken haben – mit den Ausnahmen des Fachkräftemangels und eines möglichen Arbeitskampfes – sämtlich einen außerösterreichischen Ursprung“, führte Helmenstein aus. Würden nachstehende Risiken schlagend werden, wäre mit einer stärkeren Abschwächung über das derzeit erwartete Maß hinaus zu rechnen:

  • der hohe Verschuldungsgrad in zahlreichen Schwellenländern, welcher vor allem bei einer Verschuldung in Fremdwährung infolge der leitzinsbedingt anhaltenden Aufwertung des US-Dollars kritisch werden kann;
  • die Reformschwäche einzelner Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Verbindung mit ihrer hohen öffentlichen Verschuldung und den damit korrespondierenden systemischen Risiken im Bankensektor dieser Länder;
  • der „Handelspatriotismus“ à la US-Administration;
  • die nach wie vor ungeklärten Modalitäten des Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union.

Die Ergebnisse im Detail
Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage bildet sich von +71 Punkten auf +61 Punkte zurück. Dieser zwar verringerte, aber dennoch überdurchschnittliche Wert reflektiert die umfangreichen Auftragsbestände zum vergangenen Termin, welche bei beträchtlicher Auftragsreichweite eine nach wie vor hohe Kapazitätsauslastung zum Erhebungszeitpunkt gewährleisten.

Eine wesentlich zurückhaltendere Einschätzung kommt hingegen bei den Geschäftserwartungen der Unternehmen zum Ausdruck, welche sich abermals zurückbilden, und zwar von +10 Punkten auf -2 Punkte. Vorübergehend könnte die konjunkturelle Dynamik in der österreichischen Industrie zum Zeitpunkt des Brexit-Ereignisses sogar zum Erliegen kommen.

Der Anteil der Respondenten, die einen ungünstigen Geschäftsverlauf auf Sicht des kommenden halben Jahres erwarten, nimmt auf 11 Prozent zu und steigt damit auf den höchsten Wert seit dem Jahresschlussquartal 2015. „Zudem lässt die enorme Diskrepanz von 63 Punkten zwischen dem Indikator der aktuellen Geschäftslage und jenem der Geschäftserwartungen auf eine abnehmende Investitionsneigung schließen. Trotz des weiterhin ultraexpansiven geldpolitischen Umfeldes ist daher für das kommende Jahr mit einer spürbaren Reduktion der Wachstumsbeiträge aus den Bruttoanlageinvestitionen zu rechnen“, so Helmenstein.

Die Gesamtauftragsbestände sinken von +71 Punkten auf +65 Punkte. Anders als zum vorherigen Termin präsentieren sich die Auslandsaufträge dabei unverändert. Diesbezüglich wirkt unterstützend, dass sich die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar im Jahresvergleich nicht nur nicht mehr fortgesetzt hat, sondern inzwischen sogar einer leichten Abwertung in Höhe von rund 2,5 Prozent gegenüber demselben Zeitpunkt im Vorjahr gewichen ist. Unabhängig davon profitiert die österreichische Wirtschaft aufgrund ihrer starken Verankerung in Zentral- und Osteuropa von der anhaltenden Einkommenskonvergenz der betreffenden Länder gegenüber Westeuropa.

Das Konjunkturumfeld nutzend, planen die Unternehmen im Einklang mit der noch günstigen Auftragslage eine Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit bei nahezu unverändertem Expansionstempo (saisonbereinigter Wert von +22 Punkten nach zuvor +21 Punkten). Angesichts der eingetrübten Erwartungshaltung auf Sicht von sechs Monaten und vor dem Erfahrungshintergrund des Jahres 2008, als sich die seinerzeit ebenfalls überdurchschnittlichen Auftragsbestände nur teilweise in entsprechenden Ausbringungsmengen materialisierten, sind die Unternehmen bestrebt, ihre Aufträge zügig erlösgenerierend abzuarbeiten. Dies impliziert eine abnehmende Auftragsreichweite, sodass die Abschwächung der Produktionsdynamik im kommenden Jahr durchaus markant ausfallen wird.

Im Einklang mit dem sich verlangsamenden Industriewachstum bildet sich auch der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes zurück. Er fällt zu diesem Termin weiter von +18 Punkten auf +9 Punkte. Dieser Rückgang ist anders als zum Vortermin nicht mehr nur auf eine verringerte Einstellungsneigung, sondern bei einem zunehmenden Anteil von Respondenten auch auf die Notwendigkeit eines Beschäftigungsabbaus zurückzuführen.
Während nur noch jedes fünfte Unternehmen einen Beschäftigungsaufbau erwartet, plant bereits jedes neunte Unternehmen einen Beschäftigungsabbau.

Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen hohe Marktnotierungen für Energie einerseits eine Kostenüberwälzung, andererseits wirft die Abschwächung des Welthandels ihre Schatten voraus und begrenzt die Preiserhöhungsspielräume. Im Ergebnis ergibt sich ein Saldo von +5 Punkten nach +2 Punkten im Vorquartal. Die Ära fallender Verkaufspreise für Industriegüter ist dementsprechend Geschichte, allerdings wird der Anstieg der Verkaufspreise in den kommenden Monaten wettbewerbsbedingt einen eher inkrementellen als sprunghaften Charakter aufweisen.

Angesichts der noch günstigen Mengenkonjunktur verharrt der Saldo der Ertragslage bei +34 Punkten nach +35 Punkten im Vorquartal. Hingegen geben die zuvor schon abwärtsgerichteten Ertragserwartungen zum dritten Mal in Folge von zuvor +8 Punkten auf nunmehr +4 Punkte nach.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 371 Unternehmen mit rund 260.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

 

 

 

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