Gleichbehandlungsbericht 2016 und 2017

 

erstellt am
30. 10. 18
13:00 MEZ

#metoo-Debatte zeigt Auswirkungen für Aktivitäten der Anwaltschaft – Bericht für die Privatwirtschaft liegt vor, Levelling-up weiterhin Anliegen
Wien (pk) - Der Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft, der gemäß Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft alle zwei Jahre erstellt wird, liegt dem Nationalrat nun für 2016 und 2017 vor ( III-207 d.B. ). Offene Anliegen der Gleichbehandlungsanwaltschaft umfassen nach wie vor das sogenannte Levelling-up im Hinblick auf gleichen Schutz betroffener Personen bei Diskriminierung auf Grund aller Diskriminierungsgründe (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung) in allen Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes. Aus Sicht der Anwaltschaft sollte einerseits auch ihre Mitwirkungsmöglichkeit bei Gerichtsverfahren, andererseits ihre Mittel für Öffentlichkeitsarbeit - etwa auch im "dringend notwendigen" Bereich Social Media was z.B. Betroffene unter 25 Jahren anbelangt - ausgebaut werden können.

Eine wesentliche Forderung zur institutionellen Weiterentwicklung wurde laut Gleichbehandlungsanwaltschaft mit der sogenannten Regionalisierung ab Juli 2017 erfüllt. Die Anwaltschaft bietet nun auch in den Regionalbüros Beratung und Unterstützung zu allen Diskriminierungsgründen an, womit der Zugang zum Recht verbessert und die Stärkung der regionalen Position verwirklicht worden sei. Die Notwendigkeit personeller Aufstockung bleibe hier aber ebenso bestehen wie im Bereich der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit. Dazu komme die Erfordernis von budgetären und personellen Ressourcen im Hinblick auf notwendige Datenauswertung und zur Durchführung unabhängiger sozialwissenschaftlicher Untersuchungen.

Von Diskriminierungsfällen über Rechtsauskünfte bis hin zu Informationsarbeit und Medienanfragen sind laut Bericht für die Anwaltschaft in den beiden Jahren zusammen über 6.130 Aktivitäten zusammengekommen.

#metoo-Debatte zeigte Auswirkungen für Aktivitäten der Gleichbehandlungsanwaltschaft
Das Interesse an gleichbehandlungsrechtlichen Themen wie die #metoo-Debatte oder gesellschaftspolitische Probleme im Zusammenhang mit Flucht und Migration hat laut Bericht die Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Zeitraum 2016 bis 2017 öffentlich stärker bewusst gemacht. Auch die Sensibilität und das Polarisierungspotential vieler Gleichbehandlungsfragen seien dabei mit zu bedenken. Die Schaffung von personellen Ressourcen etwa für die Informationsarbeit, beispielsweise für den Bereich Social Media, sei daher für die Weiterentwicklung der Gleichbehandlungsanwaltschaft dringend notwendig.

Ab Oktober 2017, dem Beginn von #metoo, sei es zu einem starken Anstieg an Medienanfragen bei der Anwaltschaft gekommen, der zur Verdopplung selbiger im Jahr 2017 führte (2016: 58 Anfragen, 2017: 117 Anfragen). Insbesondere in Reaktion auf die #metoo-Debatte wandten sich vermehrt auch Personalverantwortliche mit dem Ersuchen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, Führungskräfte und MitarbeiterInnen rund um das Thema sexuelle Belästigung sowie zu Setzung der notwendigen Abhilfemaßnahmen zu schulen, ist dem Bericht zu entnehmen. Während der #metoo-Bewegung ab Oktober 2017 verzeichnete die Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Anstieg von Anfragen zum Thema sexuelle Belästigung - Betroffene berichteten demzufolge, dass sie sich durch die Kampagne bestärkt darin fühlten, Belästigungen zu melden. Auch bisher unterrepräsentierte Betroffenen-Gruppen wie ehrenamtlich Tätige, Zivildiener und andere Männer seien als Betroffene von sexueller Belästigung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft herangetreten. Weiters seien Vorfälle gemeldet worden, die bereits Jahre zurück lagen, da erst jetzt die Möglichkeit der Aufarbeitung gesehen wurde.

Vorschläge der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Mitwirkung an Gerichtsverfahren und zur Levelling-up Weiterentwicklung
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft habe trotz einer breiten Expertise derzeit keine gesetzlichen Kompetenzen, Personen auch bei gerichtlichen Rechts- und Anspruchsdurchsetzungen zu begleiten und zu unterstützen, wird außerdem im Bericht aufgeworfen. So sei es der Anwaltschaft nicht möglich, anhand von Musterverfahren dem Gleichbehandlungsgesetz mehr Wirksamkeit zu verleihen und z. B. mit Hilfe einer Prozessstandschaft zur Entwicklung der Judikatur beizutragen oder durch eine etwaige Verbandsklage die Unterlassung diskriminierender Regelungen zu erreichen. Für dieses Feld stellt die Anwaltschaft im Bericht eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen zur Diskussion. Eine mögliche Mitwirkung vor den Gerichten müsse aber jedenfalls auch mit der Gewährung eines ausreichenden Klagsbudgets verbunden sein, wird dabei festgehalten.

Dem Bericht zufolge fordert die Gleichbehandlungsanwaltschaft neben zahlreichen weiteren Vorschlägen auch seit Jahren eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne einer Angleichung des Schutzniveaus aller Diskriminierungsmerkmale (Levelling-up). So sei derzeit etwa Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verboten, nicht jedoch Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Diese Merkmale seien nach wie vor nur in der Arbeitswelt geschützt. Eine solche Uneinheitlichkeit schaffe in der Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft eine für die Betroffenen nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung, wo je nach Diskriminierungsgrund Ratsuchende bei einer Diskriminierung im Bereich von Gütern und Dienstleistungen rechtlich unterstützt werden können oder nicht.

Tätigkeitsbericht der drei Senate der Gleichbehandlungskommission
Der erste Teil des vorliegenden Berichts betrifft die Gleichbehandlungskommission. In die Zuständigkeit des Senat I fällt dort die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und damit zusammenhängende Mehrfachdiskriminierung. Im Berichtszeitraum von Anfang 2016 bis Ende 2017 wurden insgesamt 133 Anträge an den Senat I eingebracht. Davon sind mehrfach auch unterschiedliche Diskriminierungstatbestände betroffen. Etwa im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren es 70 Fälle. Die Anzahl der Fälle mit sexueller Belästigung beträgt 32, diejenigen mit mangelnder Abhilfe bei sexueller Belästigung 19. In den anderen Bereichen der Diskriminierung liegt die Zahl der Fälle im Schnitt zwischen 12 und 24 Fällen, hinsichtlich Weltanschauung waren drei Fälle zu verzeichnen. 111 Anträge kamen von Frauen, zwei von Transgenderpersonen und 21 von Männern – die Zahl 134 ergibt sich daraus, dass ein Antrag von einem Mann und von einer Frau eingebracht wurde.

Senat II ist für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt zuständig. Im Verlauf des Berichtszeitraums wurden 61 Anträge für den Senat eingebracht und 31 Prüfungsergebnisse erstellt. 39 Anträge wurden in verschiedenen Verfahrensstadien zurückgezogen, davon 27 aufgrund eines Vergleichs. Die meisten Anträge – nämlich jeweils 16 – wurden in Zusammenhang mit einer Belästigung mit dem Diskriminierungsgrund der ethnischen Zugehörigkeit sowie zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Alters eingebracht. 24 Anträge kamen von Frauen, 37 von Männern.

Im Senat III, der für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen zuständig ist, wurden in den beiden Jahren 28 Verfahren eingeleitet und 12 Prüfungsergebnisse versendet. Die deutlich meisten Fälle, nämlich 21 davon, betreffen den Diskriminierungsgrund ethnische Zugehörigkeit und den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum. 4 Anträge wurden hier von Frauen eingebracht, 22 von Männern.

Angeführt werden in dem Berichtsteil auch einschlägige gerichtliche Entscheidungen, vor allem des Obersten Gerichtshofs, aber auch richtungsweisende Urteile des Europäischen Gerichtshofs, wie etwa zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz, sowie EU-Richtlinienvorschläge zur Weiterentwicklung des EU-Rechts hinsichtlich Gleichbehandlung.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at
http://www.eu2018parl.at

 

 

 

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