Europäischer Abend – Brexit am Morgen

 

erstellt am
03. 12. 18
13:00 MEZ

Mit einem Locationwechsel von Lech nach St. Christoph ins ‚arlberg1800‘ am Abend des 30. November wurde beim 12. Mediengipfel auch ein neuer Themenschwerpunkt gesetzt.
Lech am Arlberg (pro.media) - Sowohl die Eröffnungsrede von Sonja Ledl-Rossmann (Präsidentin des Tiroler Landtages) als auch die darauffolgenden Diskussionsrunden widmeten sich dem Generalthema Europa. Am 1. Dezember gab Edward Snowdens Anwalt Robert Tibbo Einblicke, wie „Helfer zu Gejagten“ werden. Abschließend wurde der Brexit mit seinen Folgen diskutiert.

Bei der ersten Podiumsdiskussion am Freitagabend gingen Sonja Ledl-Rossmann, Markus Wallner (Landeshauptmann von Vorarlberg), Arno Kompatscher (Landeshauptmann von Südtirol) und Esther Mitterstieler (Chefredakteurin von ‚News‘) der Frage nach „Was bleibt vom österreichischen EU-Vorsitz“. Das eigentliche Thema rückte im Zuge des Gesprächs jedoch schnell in den Hintergrund. Es herrschte Einigkeit auf der Bühne – in sechs Monaten Ratsvorsitz könne nicht viel Dauerhaftes geschaffen werden. „Eine EU-Ratspräsidentschaft wird überschätzt“, brachte es Mitterstieler auf den Punkt. Landeshauptmann Wallner zollte seinen Parteikollegen in der Bundespolitik dennoch Respekt im Hinblick auf die Brexit-Verhandlungen. In der Diskussion um die künftige Ausgestaltung Europas sprach sich Wallner für eine stärker subsidiäre Aufgabenverteilung aus: "Mit einer Aufwertung der regionalen Ebene ließe sich verloren gegangenes Vertrauen in die EU und ihre Institutionen zurückgewinnen und ein Mehr an Bürgernähe erreichen", stellte der Landeshauptmann klar. Die Regionen könnten so zum Schrittmacher der europäischen Integration werden, so Wallner. Die Gesprächsteilnehmer griffen den Kern der einführenden Worte von Ledl-Rossmann auf: „Regionale Vielfalt, nationale Egoismen und europäische Einheit“ bestimmten schließlich die Diskussion. Der Tenor der regionalen politischen Vertreter lautete hier: Regionale Politik ist der Weg, um der Verdrossenheit gegenüber der EU entgegenzuwirken. Dabei müsse insbesondere die Jugend angesprochen werden.

Seine Ansichten zur Lage Europas offenbarte im Anschluss der österreichische Autor Robert Menasse im Gespräch mit Eva Linsinger (Leiterin des Innenressorts beim ‚Profil‘). Die Wurzel der Probleme sieht der Schriftsteller vor allem in nationalen Egoismen: „Es ist ein Ding der Logik, dass alle Herausforderungen, vor denen wir stehen, transnational sind. Das schaue ich mir an, wie Strache die Erderwärmung in Österreich abschaltet.“ In der EU seien vor dem Recht nicht alle gleich. Eine Lösung dafür sieht Menasse in der Schaffung einer Europäischen Republik: „Wir müssen in Europa Gleichheit vor dem Recht herstellen. Der Begriff Europäische Republik bedeutet nichts anderes als diesen gemeinsamen Rechtsrahmen herzustellen.“ Auf die Frage, wo er die EU in zehn Jahren sehe, antwortete Menasse: „Ich bin kein Hellseher. Ich sehe nur, was ist – und im Moment gibt es keinen Politiker, der die Vision hat.

Zum Tagesabschluss am Freitag gab es eine Podiumsdiskussion, moderiert von Gerold Riedmann (VN-Chefredakteur). Es diskutierte Karoline Edtstadler (Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres) mit Julian Reichelt (Vorsitzender der ‚Bild‘-Chefredaktionen) und Meret Baumann (‚NZZ‘-Korrespondentin in Wien) über das Thema „Österreich und Europa“. Ausgangspunkt der Diskussion war ein vorher aufgezeichnetes Video-Interview mit Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dieser gab mit Äußerungen zum Brexit und dem UN-Migrationspakt die Marschroute des Abends vor. Einige Staaten würden den Pakt absegnen, die „nicht im Traum daran denken, alles umzusetzen“, so Kurz. Das anschließende Podiumsgespräch wurde größtenteils von der Migrationsfrage dominiert. Meret Baumann konstatierte, dass Österreich als „erstes vernünftiges Land“ die Debatte um den Migrationspakt angestoßen habe, während Julian Reichelt eine unzureichende öffentliche Debatte monierte. Das Motto würde oft lauten: „Bitte gehen sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen“, so Reichelt.

Den Einstieg am Samstagmorgen machte Robert Tibbo, der Anwalt von Edward Snowden. Im Standard Talk mit Rainer Schüller (Stv. Chefredakteur ‚Der Standard‘) und Steffen Arora (Tirol-Korrespondent ‚Der Standard‘) waren auch die ‚Snowden Refugees‘ Thema – jene Personen, die Snowden bei seiner Flucht halfen und dadurch selbst zu Flüchtlingen wurden. „Die ‚Snowden Refugees‘ haben etwas Außergewöhnliches gemacht. Sie haben für Edward Snowden und für jeden hier gekämpft. An sie wird man sich in dreißig Jahren noch erinnern, genauso wie an Edward Snowden selbst“, so Tibbo. Dabei betonte er auch, wie wichtig investigativer Journalismus für Fälle wie dieser ist: „Ohne Journalisten würde niemand wissen, was los ist. Journalisten sind die ultimativen Whistleblower von außen.“ Zum Abschluss des Gesprächs wurde Tibbo ein Scheck über 10.000 US-Dollar für die ‚Snowden Refugees‘ von Peter Mirski vom Management Center Innsbruck übergeben.

„Wie europäisch bleiben die Briten und wieviel Großbritannien braucht Europa?“ – diese Frage analysierte zum Abschluss Moderator Markus Spillmann (Medienmanager, Journalist und Berater) mit Sebastian Borger (deutscher Journalist, Autor und freier London Korrespondent), Birgit Schwarz (ORF Korrespondentin in Berlin), Oliver Washington (Korrespondent des SRF in Brüssel) und Othmar Karas (Mitglied des Europäischen Parlaments). Dabei hielten die Diskussionsteilnehmer einen sogenannten ‚harten Brexit‘ für nicht ausgeschlossen. „Man bereitet sich für einen harten Brexit vor,“ so Schwarz. Mit dem Brexit „verlieren wir alle“, ergänzt Karas. „Wir machen es uns zu einfach, wenn wir sagen, der Brexit ist nur eine Sache von Großbritannien“, führt er weiter aus. Er sieht den Brexit allerdings auch als Chance, nationalistischen Strömungen in Europa entgegenzuwirken. Auch der Frage, woher die britische Distanz komme, wurde nachgegangen. „Die Briten haben das europäische Projekt nie als politisches Projekt, sondern als Freihandelsprojekt gesehen“, wusste Schwarz. „Es gibt eine britische Geschichts-Sicht, die Großbritannien vom Rest des Kontinents losgekoppelt sieht“, ergänzte Borger und bemerkte final: „Den Chaos-Brexit halte ich für ausgeschlossen.“

Über den Europäischen Mediengipfel
Seit dem Gründungsjahr 2007 bildet der Europäische Mediengipfel in Lech am Arlberg einen außergewöhnlichen Rahmen für Diskussionen, in denen ungefilterte Einblicke und fundierte Ausblicke in die anhaltend turbulente Welt der Medien, die europäische Politik und die wirtschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der europäischen Lebensrealität geboten werden. Der unter der Schirmherrschaft des österreichischen Außenministeriums stehende Europäische Mediengipfel – von der Kommunikationsagentur ProMedia Kommunikation initiiert und seither federführend mit Lech Zürs Tourismus GmbH und dem Verband der Auslandspresse in Wien organisiert - wird von der Gemeinde Lech und dem Land Vorarlberg, dem Presseclub Concordia sowie von der D. Swarovski Tourism Services GmbH, der BTV – Bank für Tirol und Vorarlberg und BMW unterstützt. Weitere Partner sind das Land Tirol, das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich und die Tirol Werbung. Als Medienpartner der Veranstaltung fungieren Der Standard, die APA - Austria Presse Agentur, das Handelsblatt, die Tiroler Tageszeitung sowie die Vorarlberger Nachrichten.

 

 

 

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