Missbrauch: Bischöfe wollen Opferschutz
 und Prävention verstärken

 

erstellt am
25. 03. 19
13:00 MEZ

Kardinal Schönborn präsentiert Ergebnisse der Vollversammlung der Bischofskonferenz
Wien (kap) - Die österreichischen Bischöfe werden sich weiterhin mit allen Kräften der Missbrauchsproblematik stellen und sich für noch mehr Aufklärungs- und vor allem Präventionsarbeit einsetzen. Das ist eine der Hauptaussagen, mit denen Kardinal Christoph Schönborn am 22. März bei einer Pressekonferenz in Wien die Ergebnisse der Beratungen der Bischöfe zusammenfasste.

Die österreichische Bischofskonferenz war von 18. bis 21. März in Reichenau an der Rax zu ihrer Frühjahrsvollversammlung zusammengekommen. Weitere Themen waren u.a. die Europawahlen, der Ethikunterricht, der kirchliche Ausstieg aus fossiler Energie, die Visitation der Diözese Gurk sowie das umstrittene Bleiburger Gedenken. Kardinal Schönborn gab bei der Pressekonferenz zudem bekannt, dass er an Prostatakrebs erkrankt ist und sich im Mai einer Operation unterziehen muss.

Kulturwandel bei Umgang mit Autorität
Um dem Problem des Missbrauchs in der Kirche beizukommen, würde es zu kurz greifen, den Zugang zu Kirchenämtern neu zu regeln. Wie Kardinal Christoph Schönborn am Freitag bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz betonte, bedürfe es vielmehr eines "Kulturwandels" im Umgang mit Autorität - in der Kirche vor allem mit geistlicher Autorität: "Das wäre die beste Prävention."

Der auch in einer Erklärung der Bischofskonferenz für notwendig erachtete "Kulturwandel" sei bereits im Gange und solle sich in Richtung einer "offenen Gesellschaft" im Sinne Karl Poppers weiterentwickeln, so hofft Schönborn. Er selbst habe in den 1950er-Jahren noch ein von Gewalt geprägtes Schulwesen erlebt, und "geschlossene Systeme" etwa in Heimen sei "das Mistbeet, auf dem Missbrauch gedeiht", gewesen. In den letzten 20 Jahren seien Gesellschaft und Kirche aber "viel offener geworden".

Beim Thema Missbrauch gelte es "Standards, die es schon längst gibt", konsequent umzusetzen. Auch gebe es im Vatikan seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. einen Gerichtshof für "delicta graviora" (schwerwiegende Delikte), der seither mehr als 100 Priester ihres Amtes enthoben habe. Jeder Fall von Übergriffen durch einen Kleriker müsse von der zuständigen Diözese dorthin gut dokumentiert gemeldet werden, erklärte Schönborn. Die in Österreichs Kirche diesbezüglich geltenden Richtlinien hätten im internationalen Vergleich Vorbildwirkung, betonte der Kardinal.

Statistik über Missbrauch
Die Bischofskonferenz veröffentlichte am Freitag zudem einen Bericht mit dem Titel "Maßnahmen der Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt". Dieser umfasst auch eine Statistik über die bisher 2.193 von der Opferschutzanwaltschaft behandelten Fälle. Nur in 171 davon wurden weder Finanzhilfe noch Therapie zuerkannt, in zwei Drittel der Fälle beides. 180 Fälle sind derzeit in Bearbeitung. Den Betroffenen wurden bisher insgesamt 27,8 Millionen Euro zuerkannt, davon 22,1 Millionen als Finanzhilfen und 5,7 Millionen für Therapien.

Bei 31 Prozent aller Vorfälle handelte es sich laut Angaben der Bischofskonferenz um sexuellen Missbrauch, bei allen anderen um körperliche Gewalt. Die meisten Übergriffe seien rechtlich verjährt und erfolgten hauptsächlich in den 1960er Jahren (37,1 Prozent) und 1970er Jahren (30,8 Prozent). 14,4 Prozent der Vorfälle hätten sich in den 1950er Jahren oder früher ereignet. Lediglich 0,8 Prozent der Fälle betreffen den Zeitraum seit 2000, heißt es in dem Bericht.

Vertrauen in Arbeit des Visitationsteams
Die Visitation nach den Konflikten in der Diözese Gurk-Klagenfurt seien innerhalb der Bischofskonferenz offen besprochen worden - auch wenn er selbst den inzwischen nach Rom übermittelten Bericht des Teams um Erzbischof Fanz Lackner nicht kenne, wie Schönborn bei der Pressekonferenz weiter sagte. Seinem Eindruck nach habe das Visitationsteam bei seiner Arbeit in Kärnten zunehmend Vertrauen gewonnen, besorgte Stimmen hinsichtlich fehlender Objektivität hätten sich gelegt. Der Kardinal äußerte sich zuversichtlich, dass der Visitationsbericht ein "stimmiges Bild" der Situation in der Diözese Gurk vermittle; über Konsequenzen müsse freilich Rom als zuständige Entscheidungsinstanz befinden.

Bezüglich der in der Verantwortung des jeweiligen Diözesanbischofs stehenden Mensalgüter sei Transparenz oberstes Gebot. Schönborn stellte in den Raum, ob nicht "so etwas wie ein Rechnungshof für die Kirche in Österreich" die je eigenständige Finanzgebarung von Diözesen, Domkapiteln oder Stiften objektivieren könnte. Der Vatikan habe sich vor einigen Jahren an alle Bischofskonferenzen mit der Frage gewandt, wie in deren Zuständigkeitsbereich die Finanzkontrolle funktioniert. Die "Causa Kärnten" hat nach den Worten Schönborns gezeigt, dass ein externer Blick und Transparenz notwendig sei.

Karfreitag: Tausch mit Pfingstmontag denkbar
Zur zuletzt viel diskutierten Frage des Karfreitags meinte Kardinal Schönborn, die Regierung habe mit der Regelung eines "persönlichen Urlaubstages" zu dessen Feier "nicht die beste Lösung" gefunden, auf Wienerisch würde man sagen "eine bissl hatscherte" - wie Schönborn sagte, aber immerhin eine akzeptable. Bevorzugt hätten die Kirchen einen für alle arbeitsfreien Feiertag, aber er habe Verständnis für den Einwand, in Österreich gebe es bereits genug freie Tage. Am Tapet sei auch ein Tausch des Karfreitags mit dem Pfingstmontag gewesen, erinnerte der Kardinal. Dagegen würde grundsätzlich nichts sprechen. Die Entscheidung über diesen konkordatsmäßig nicht abgesicherten Feiertag treffe aber nicht die Kirche, sondern solle zuerst gesellschaftlich über die Sozialpartner gefunden werden.

Europawahlen
Die heimischen Bischöfe rufen die Österreicher zudem auf, an der bevorstehenden Wahl zum Europaparlament am 26. Mai teilzunehmen und jene politischen Kräfte zu stärken, die für die europäische Integration eintreten. "Die österreichischen Bischöfe unterstützen und begleiten aus fester Überzeugung die europäische Integration, weil es dabei um das friedliche Zusammenleben in Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und somit um höchste politische Werte geht", heißt es in einer Erklärung. Europa brauche "eine Politik des Konstruktiven und der Inklusion und nicht der Spaltung und der Ausgrenzung".

Ethikunterricht
Die Österreichische Bischofskonferenz begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, den Ethikunterricht für all jene Schülerinnen und Schüler als Pflichtfach einzuführen, die keinen Religionsunterricht besuchen. "Die Vermittlung ethischer Bildung gehört zu den Kernaufgaben der Schule", halten die Bischöfe in einer Erklärung zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz am Freitag fest. Für viele Schüler werde dieser Auftrag im Religionsunterricht erfüllt, "weil er immer schon ethische Fragen behandelt, ohne sich darin zu erschöpfen". Der geplante Ethikunterricht sei aber vor allem in Hinblick auf die zunehmend größer werdende Gruppe der Schüler ohne religiöses Bekenntnis "sinnvoll und notwendig".

Klimaschutz
Die Bischöfe kündigten weiters an, dass sich die katholische Kirche in Österreich sich mit ihren Vermögen aus allen Unternehmen zurückzieht, die fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas fördern bzw. produzieren. "Kirchliche Finanzmittel dürfen keine zerstörerische Wirkung auf das Klima haben", unterstrichen die Bischöfe in einer Erklärung. Deshalb habe die Bischofskonferenz beschlossen, die Divestment-Erklärung im Rahmen des "Global Catholic Climate Movement" (GCCM) zu unterzeichnen und die ethischen Veranlagungsrichtlinien entsprechend anpassen. GCCM ist ein 2015 gegründeter Zusammenschluss verschiedenster katholischer Umweltgruppen aus allen Teilen der Welt. Der Vollausstieg gilt für alle Diözesen, die Österreichische Bischofskonferenz und alle ihre Einrichtungen. Um die Anwendung und Interpretation der jetzt verschärften ethischen Veranlagungsrichtlinien zu sichern, wird zudem als neues Instrument eine Ständige Kommission eingerichtet, kündigten die Bischöfe an.

Pfarrgemeinderat
Die österreichischen Bischöfe laden von 21. bis 23. Mai 2020 zu einem großen Pfarrgemeinderatskongress nach Saalfelden ein. Bei der dreitägigen Veranstaltung soll über Reformen im Bereich der Pfarrgemeinderäte beraten werden, wie es in einer weiteren Erklärung heißt. Im Grunde geht es darum, wie sich möglichst viele Menschen verantwortungsvoll in die Kirche einbringen können, um so missionarisch zu wirken. Durch transparente und partizipative Strukturen sollen zugleich auch Formen des Missbrauchs geistlicher Autorität verhindert werden. Angestoßen wurde der Reformkongress von den diözesanen Verantwortlichen für die Pfarrgemeinderäte, die auch die Vorbereitung übernehmen.

Bleiburg: Geschichte gemeinsam aufarbeiten
Bei der Pressekonferenz plädierte Kardinal Schönborn auf Anfrage kroatischer Medien für eine gemeinsame Aufarbeitung der leidvollen Geschichte des kroatischen Volkes im 20. Jahrhunderts. An die kroatische Bischofskonferenz wie auch an das kroatische Parlament gerichtet sagte der Kardinal: "Versuchen wir gemeinsam diese schwierige Geschichte aufzuarbeiten. Auch um zu verhindern, dass das Thema weiterhin von bestimmten Gruppen instrumentalisiert wird."

Hintergrund des Appells ist das umstrittenen Gedenktreffen am Loibacher Feld bei Bleiburg (18. Mai). Der Kärntner Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger hatte das Ansuchen der Kroatischen Bischofskonferenz um die Feier einer Gedenkmesse abgelehnt, was in Kroatien zu heftiger Empörung geführt hat. Schönborn wies darauf hin, dass diese Entscheidung kirchenrechtlich allein bei der Diözese Gurk liege und nicht bei der Bischofskonferenz. Er habe aber bereits ausführlich mit Erzbischof Zelimir Puljic, dem Vorsitzenden der Kroatischen Bischofskonferenz, gesprochen und ihm die Causa aus seiner Sicht erläutert.

 

 

 

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