Österreich, Wien oder Bosnien? Vor allem Europa

 

erstellt am
17. 04. 19
13:00 MEZ

MiDENTITY Projekt zeigt, Jugendliche fühlen sich trotz vieler Identitäten Europa zugehörig
Wien (universität) - In der Migrations- und Mediengesellschaft werden Identitäten permanent verhandelt – und auch multipel gedacht und gelebt: Die Mehrheit der im Rahmen des Sparkling Science-Projektes MiDENTITY befragten Jugendlichen fühlt sich mehreren Ländern zugehörig. Dabei nutzen die Jugendlichen Kanäle und Ausdrucksformen sozialer Medien für die eigene Selbstdarstellung und die Abgrenzung von "anderen". Auf der Tagung "MiDENTITY under construction" werden am 25. April erste Ergebnisse und die verwendeten Methoden vorgestellt.

Wiener Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich zum überwiegenden Teil nicht nur einem Ort zugehörig – das zeigte eine umfangreiche Fragebogenerhebung, die im Rahmen des Projekts MiDENTITY durchgeführt wurde. "Mehr als 60 Prozent gaben an, sich mehrfach zu verorten", erklärt Projektleiterin Christiane Hintermann vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.

Rund 1.400 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren wurden befragt – und wiesen in der Mehrzahl multiple Identitäten auf: "Sie fühlen sich also nicht nur als Österreicherinnen oder Österreicher, sondern auch als Deutsche, als BosnierInnen oder als TürkInnen, um nur einige mögliche Kombinationen zu nennen", so Hintermann. Besonders ausgeprägt war die Zugehörigkeit zu Europa: "Von Europaskepsis war wenig zu merken – mehr als 60 Prozent identifizieren sich stark mit Europa und sehen sich selbst als Europäerinnen und Europäer", erklärte die Humangeographin und Fachdidaktikerin. Teilweise war diese Zugehörigkeit sogar stärker als die zu Wien oder zum eigenen "Grätzel".

Identitätsarbeit über soziale Medien
Die Fragebogenerhebung wurde im Rahmen des Projektes um Gruppendiskussionen mit SchülerInnen aus verschiedenen Schulstufen sowie Mediennutzungs-Tagebücher erweitert. Dabei wurde klar, dass die Medien starken Einfluss auf die Identitätsbildung nehmen. Accounts in sozialen Medien oder die Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen wurden als Teil der persönlichen Identitätsarbeit identifiziert: "Während in den Fragebögen die Bedeutung sozialer Medien als weniger wichtig betrachtet wurde, zeigten die Diskussionen, dass gerade auch diese Medien Gruppenzugehörigkeit sichtbar machen oder reflektieren", erzählt Hintermann von den Ergebnissen.

Gerade die Auswertung der Mediennutzungs-Tagebücher zeigte, dass die SchülerInnen viel Zeit mit Medienkonsum verbringen: Viele nutzen sechs bis zehn Stunden lang täglich digitale Medien, bis zu vier Stunden davon verbringen die SchülerInnen in verschiedenen Sozialen Medien. "Dabei wurde der stundenlange Medienkonsum von SchülerInnen selbst durchwegs als 'normal' und 'nicht übertrieben' eingestuft", sagt die Migrationsforscherin. "Medien sind also in jedem Fall bedeutender Teil ihres Alltags und ihrer Identitätsarbeit."

Projekt MiDENTITY
Das Sparkling Science-Projekt "MiDENTITY", das von September 2017 bis August 2019 läuft, untersucht, wie Wiener Jugendliche sich selbst und andere definieren und welche Rolle soziale Medien dabei spielen. Dabei wurde auch erforscht, welche Identitätskonzepte sie für diese soziale, räumliche und kulturelle Selbstverortung sowie für Fremdzuschreibungen verwenden. Über die Fragebogenerhebung hinaus wurde gemeinsam mit SchülerInnen und LehrerInnen dreier Projektklassen ein Konzept zur Verankerung von politischer Bildung und kritischer Medienbildung in der Schule erarbeitet.

"MiDENTITY under construction"
Erste Ergebnisse sowie weitere Forschungen zu jugendlichen Identitätskonstruktionen in der Migrationsgesellschaft, zu Digitalisierung und zu kritischer Medienbildung werden im Rahmen der Tagung "MiDENTITY under construction" am Donnerstag, 25. April 2019 im Bruno Kreisky Forum vorgestellt.

Neben Vorträgen von Peter Hopkins von der University of Newcastle (Peter Hopkins), Robert Vogler von der Universität Salzburg und Barbara Herzog-Punzenberger von der Universität Innsbruck, sind die TeilnehmerInnen der Tagung eingeladen, ausgewählte Stationen aus Projektworkshops mit SchülerInnen zu erproben. Abschließend diskutieren ExpertInnen am Podium – darunter Kenan Güngör vom Institut think:difference, Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung und Renate Holubek von mediamanual gemeinsam mit Schülerinnen und einem Lehrer ¬– wie eine kritische Medienbildung in der Schule aussehen könnte, die die Aspekte der Identitätskonstruktionen von Jugendlichen zentral berücksichtigt.

 

 

 

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