Börse für landwirtschaftliche Produkte
 in Wien feiert 150-jährigen Bestand

 

erstellt am
07. 06. 19
13:00 MEZ

Dietrich: Die Börse lenkt den Geschäftsverkehr in geordnete Bahnen
Wien (boerse wien) - Die Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien feiert ihren 150-jährigen Bestand. Sie wurde 1869 als unter der Leitung und Verwaltung ihrer Mitglieder stehende autonome Institution gegründet. Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, den Handel mit Getreide als eines der wichtigsten Nahrungsmittel in geregelte Bahnen zu lenken, als Warenbörse. Ihre Kernaufgaben sind seither, so Börsepräsident Josef Dietrich beim Festakt im 1890 errichteten Börsegebäude in der Wiener Taborstraße, "den Geschäftsverkehr mit unentbehrlichen Usancen zu regeln, deren Einhaltung mit einem gut funktionierendem Schiedsgericht zu gewährleisten und mit den wöchentliche Notierungen der Preise tatsächlich physisch gehandelter Waren für Transparenz zu sorgen". Sektionsleiter Johannes Fankhauser vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit, das gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort die Börseaufsicht ausübt, stellte stellvertretend für Ministerin Maria Patek die Frage, "welche Organisation kann schon auf 150 Jahre zurückblicken und hat dabei so enorm viel weitergebracht, insbesondere in den letzten Jahrzehnten? Die Börse ist ein stabiler Faktor, dass sich der Getreidebereich erfolgreich entwickeln konnte. Sie ist ein moderner Dienstleister und schafft Transparenz". Aus Anlass ihres Jubiläums wird die Wiener Produktenbörse am 17. und 18. Oktober 2019 in Wien die 59. Europäische Warenbörse ausrichten, zu der, so der Europäische Börsepräsident Matthé Vermeulen in seinen Gratulationsworten, 3.000 Besucher erwartet werden.

Die Europäische Warenbörse ist der 1961 gegründete Zusammenschluss von 38 Warenbörsen aus Europa und der Türkei. Sie veranstaltet jährlich von ihren Mitgliedern ausgerichtete Börsetage als Plattform des persönlichen Kontakts für die Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette, begonnen von der Landwirtschaft über Getreide-sowie Futtermittelhandel, Verarbeitung und auch Logistik. "Die persönliche Begegnung ist unverzichtbar. Das Gespräch und die vertrauensvolle Beziehung sind nach wie vor Basis für dauerhafte Geschäftsbeziehungen", betonte auch Dietrich. Die Wiener Produktenbörse bietet dazu bei den wöchentlichen Notierungssitzungen sowie bei der seit 14 Jahren jeweils am ersten Freitag im September in Wien zusammenkommenden Internationalen Donaubörse Gelegenheit. Wien habe es bestens geschafft, sich als Fixpunkt im europäischen Börsenkalender und Drehscheibe für Handel und Logistik zu etablieren, so Vermeulen. Die Wiener Börse habe es in den 150 Jahren seit ihrer Gründung immer geschafft, die Wünsche ihrer Mitglieder zu erfüllen und könne bis heute die Früchte ihrer Tätigkeit ernten. Er unterstrich dabei die Bedeutung des Standortes Wien für das steigende Interesse aus Mittel- und Osteuropa an den Leistungen der Warenbörsen.
Zentrales Interesse der Staaten an Versorgungssicherheit als Motiv für Gründung der Börse

Zu den Motiven der Gründung der Wiener Produktenbörse betonte Dietrich das "zentrale Interesse von Staaten und Regierungen an Versorgungssicherheit". Mangel habe in der Geschichte wiederholt zu Unruhen und Auseinandersetzungen geführt. Dem sei im Laufe der Jahrhunderte abwechselnd durch staatliche Lenkung oder durch Liberalisierung der Märkte begegnet worden. In einer Ära schlechter Ernten und hoher Preise Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die nach der Freigabe des Handels von Getreide auf der Basis des Austausches von Mustern an sogenannten "wilden Börsen" die Notwendigkeit geregelter Bahnen dafür erkannt und die Gründung der Börse vorangetrieben. "Seit dem EU-Beitritt Österreichs sind die Märkte wieder liberalisiert und alle Produkte frei handelbar. Dies stellt die Notwendigkeit und Wichtigkeit unserer Börse neuerlich unter Beweis", so Dietrich.

Er hob dabei vor allem die Pflege der Usancen - "je klarer wir regeln, desto geringer ist der Verhandlungsbedarf" - und die Schiedsgerichtsbarkeit hervor. Die objektiv und rasch zustande kommenden Urteile des Wiener Börseschiedsgerichts, ihre Inappellierbar- und unmittelbare Vollstreckbarkeit bescherten dieser Einrichtung immer mehr Zuspruch in Mittel- und Osteuropa - auch bei Nichtmitgliedern.

Tradition und Wandel hätten das Geschäft in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten geprägt, so der Börsepräsident, und würden dies auch weiterhin tun. So plant die Börse unter anderem, ihre Notierungstätigkeit hinkünftig auch auf Bioprodukte auszudehnen.
Nachhaltigkeitsministerium starker Partner der Börse mit Fokus nach vorne

Fankhauser bekräftigte, das Nachhaltigkeitsministerium sei ein starker Partner der Börse mit nach vorne gerichtetem Fokus. Er nannte den Klimawandel, die gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) sowie Herkunft und Regionalität als drei der Zukunftsthemen seines Hauses. Zur Anpassung der Getreidebranche an den Klimawandel habe das Ressort mit starker finanzieller Unterstützung das Projekt der Züchtung klimafitter Sorten angestoßen, denn: "Wir hatten im letzten Jahrzehnt in Mitteleuropa kein Durchschnittsjahr mehr." Zudem forciere das Ministerium mit einer Erhöhung der Prämienzuschüsse auf 55% und einem Aufwand von 80 bis 90 Mio. Euro die Eigenvorsorge mit Elementarversicherungen. "Da haben wir noch weiter Luft nach oben und werden die Angebote nachschärfen", so der Ministeriumsvertreter.

Zur aktuell in Diskussion stehenden Neugestaltung der GAP für die Jahre 2021 bis 2027 erläuterte Fankhauser, die Vorschläge der Europäischen Kommission enthielten dieselben Maßnahmen wie bisher, außer dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung mehr Subsidiarität eingeräumt werden solle und Fragen im Zusammenhang mit der Ökologisierung der 1. Säule sowie den bestehenden Instrumenten der Cross Compliance und des Greenings geklärt werden müssten. Er verwies aber auf den Worst Case, dass das neu gewählte Europäische Parlament aber den Vorschlag der Kommission noch als Ganzes zurückweisen könne. Realistisch sei, dass man sich erst 2020 in der EU über den budgetären Rahmen einigen könne und die neue GAP-Periode erst nach einem oder mehreren Übergangsjahren starte. Die GAP sei mit einem jährlichen Finanzvolumen von 1,6 bis 1,7 Mrd. Euro ein "zentrales Projekt für die heimische Branche", aber "bei Weitem noch keine gemähte Wiese", betonte Fankhauser unter anderem mit Hinweis darauf, dass die Kommissionsvorschläge eine 15%ige Kürzung der Mittel für Österreich aus der 2. Säule enthielten.

Schließlich nehme sich das Ministerium weiterhin intensiv den Zukunftsthemen Herkunft und Regionalität an. Diese würden in Zukunft "eine Selbstverständlichkeit für Erfolg am Markt" werden, hätten aber auch noch viel Luft nach oben. Fankhauser appellierte an die Branche, Herkunft und Regionalität intensiver zu nutzen und gemeinsam zu entwickeln.

 

 

 

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