Europa-Forum Wachau: Schlusstag im
 Zeichen der Westbalkan-Staaten

 

erstellt am
17. 06. 19
13:00 MEZ

LH Mikl-Leitner: Brauchen glaubhafte und konkrete Perspektiven für EU-Mitgliedschaft
Göttweig/St. Pölten (nlk) - Stift Göttweig stand auch am 15. Juni ganz im Zeichen des Europa-Forum Wachau. Nach der Begrüßung durch Landesrat Martin Eichtinger, Präsident des Europa Forums Wachau, und Ansprachen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein standen Gesprächsrunden mit Arno Kompatscher, Landeshauptmann der Autonomen Provinz Bozen, und Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident von Niederbayern, sowie mit Zoran Zaev, Ministerpräsident der Republik Nordmazedonien, und EU-Kommissar Johannes Hahn auf dem Programm.

Das Europa-Forum Wachau beschäftige sich mit Herausforderungen und Fragen der Zeit, so Landeshauptfrau Mikl-Leitner und erinnerte in diesem Zusammenhang an die von ihr bereits gestern formulierten vier zentralen Botschaften. Das sind eine klare Aufgaben- und Kompetenz-Verteilung in Europa, Europas Zurückeroberung der Innovations- und Technologie-Führerschaft, ein geordnetes Sicherheits-System an den EU-Außengrenzen, um so das Vertrauen der Bürger in eine funktionierende Sicherheit-Politik Europas wieder zu stärken und die Vermittlung von glaubhaften Beitritts-Perspektiven für neue, potenzielle Mitgliedsländer. Man müsse den Westbalkan-Staaten beim Aufbau helfen und mit Ländern wie Nordmazedonien und Albanien, die schon weiter wären, das Kapitel Beitrittsverhandlungen aufschlagen. Mikl-Leitner: „Es geht um glaubhafte und konkrete Perspektiven, dass die Westbalkan-Staaten Mitglieder der Europäischen Union werden können.“ Glaubhafte Perspektiven und neue Chancen, wie sie Österreich und Niederösterreich bereits vor Jahrzehnten bekommen hätten.

„Wir in Niederösterreich wissen ganz genau was es heißt, neue Chancen und Perspektiven zu bekommen und auch zu nutzen“, so Mikl-Leitner weiter. Und diese Chancen und Perspektiven wolle man auch den Westbalkan-Staaten einräumen. „Denn es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir überlassen sie der Zukunft von China, Russland oder anderswo, oder sie werden Teil unserer europäischen Werte-Familie.“ Sobald potenzielle Beitritts-Länder Rechtsstaatlichkeit, marktwirtschaftliche Kriterien und Menschenrechte erfüllten, dürfe es „kein Zaudern und keine falschen Kompromisse geben“.

Ein besonderes Anliegen ist der Landeshauptfrau auch die Zukunft der Regionen in einem gemeinsamen Europa. Damit die Regionen für die Zukunft „Planbarkeit und Kalkulierbarkeit haben“ sei es notwendig, das kommende EU-Budget so schnell wie möglich zu beschließen. Das betreffe neben der Regionalförderung auch die Innovationsförderung und Förderungen im Agrarbereich, die für die “Entwicklung vieler Regionen und die Qualitätssicherung in der Landwirtschaft entscheidend und unverzichtbar sind“, sagte die Landeshauptfrau. „Ein wettbewerbsfähiges Europa braucht es ein Europa der Regionen. Und für ein starkes Europa braucht es ein Europa auf Augenhöhe.“ Die Landeshauptfrau ist auch überzeugt, dass die Teilnahme von 80 jungen Menschen aus den EU-Mitgliedsstaaten dem Europa-Forum Wachau einen „neuen Spirit“ verliehen habe.

Landesrat Martin Eichtinger, Präsident des Europa-Forum Wachau, informierte über die Ergebnisse aus den Arbeitskreisen und dankte den 80 Studierenden und Jugendlichen, dass sie sich beteiligt, aktiv eingebracht und mitdiskutiert haben. „Die Ergebnisse aus den Arbeitskreisen werden auch auf europäischer Ebene eingebracht“, so Eichtinger. Im Mittelpunkt wären Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Technologie, künstliche Intelligenz und Gesundheit gestanden. Eichtinger ist auch überzeugt, dass Regionalisierung und Globalisierung „kein Gegensatz sind“, die Regionen blieben der zentrale Motor der Wirtschaftsentwicklung. Man sollte auch dafür sorgen, dass jede und jeder ein Erasmus-Programm erleben könne und die Begeisterung für Europa weitergeben könne. Wichtig sei auch der „sorgsame und kritische Umgang“ mit den neuen Medien.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein erinnerte an die Öffnung der Grenzen vor 30 Jahren und den EU-Beitritts Österreichs vor 25 Jahren und bezeichnete sie als „wichtige historische Weichenstellungen“. Österreich habe Stabilität und Kontinuität in der Europapolitik bewiesen. Europa stehe vor großen Herausforderungen, die gemeinsam bewältigt werden müssten. Österreich sei bereit, hier seinen Beitrag zu leisten und werde auch in Zukunft ein starker Partner in der Europäischen Union sein, so die Bundeskanzlerin. Das bedeute auch, dass man offen sein müsse für Veränderungen, für neue Prozesse und mehr Kommunikation. Das Europa-Forum Wachau als Dialogplattform mit internationaler Bedeutung leiste hier einen wichtigen Beitrag dazu.

Für Arno Kompatscher, Landeshauptmann der Autonomen Provinz Bozen, brauche es ein „Mehr an Subsidiarität, starke Regionen und starke Identitäten in Europa“. Einen Mehrwert für ein starkes und gemeinsames Europa könne man vor allem aus der Vielfalt ziehen. Dafür brauche es auch klare Regeln und Wertehaltungen, ist Kompatscher überzeugt. „Große Lösungen sind nur in einem gemeinsamen Europa möglich.“

Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident von Niederbayern, ist froh, in einem Freistaat zu leben. Dieser stehe natürlich auch in Konkurrenz mit den anderen deutschen Bundesländern. Man müsse auch aufhören, „für Probleme Brüssel die Schuld zu geben“ und was gut sei, als eigenen Erfolg zu verkaufen. Für Europa begeistern müsse vor Ort geschehen.

Johannes Hahn, Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, sagte, dass Europa vor allem auch von der „internationalen Großwetterlage“ abhängig sei. Abhängigkeit bestehe vor allem im Energiebereich und der „Verfügbarkeit seltener Erden“, die für die industrielle Fertigung benötigt werden. Ziel müsse eine Risikostreuung und eine Diversifikation bei Energiequellen sein. Und Ziel müsse es auch sein, dass „wir wirtschaftlich so stark sind, dass wir ein Faktor sind“. Für Hahn ist ein gemeinsames Europa erst vollzogen, wenn auch die Staaten des Westbalkans Mitglieder der Europäischen Union sind. Der innereuropäische Erneuerungsprozess und der Erweiterungsprozess, die beide Jahre dauern, sollten parallel vorangetrieben werden. Dafür brauche es aber auch den politischen Willen.

Zoran Zaev, Ministerpräsident der Republik Nordmazedonien, sieht zur EU-Vollmitgliedschaft Nordmazedoniens keine Alternative. Die Europäische Union sei attraktiv und das „hat uns motiviert“. Man habe bereits vieles „gemacht und erreicht und wir glauben an Europa“, so Zaev. Man habe auch den Namen geändert und die Identität bewahrt. Zaev: „Wir wollen nicht gleich EU-Mitglied sein, wir wollen aber, dass die Verhandlung dafür beginnen.“

Für Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments, brauche es eine gemeinsame Willenserklärung für ein „starkes und gemeinsames Europa“. Wichtige Grundlagen dafür wären die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips, eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Migrationspolitik und ein gemeinsames Budge sowie mehr Geld für Forschung und Innovation. Bei der Suche nach Lösungen müsste auch Afrika miteinbezogen werden. Tajani ist auch überzeugt, dass Stabilität am Westbalkan auch mehr Stabilität für Europa bedeutet. Auch das europäische Parlament sollte gestärkt werden, so der Parlamentspräsident abschließend.

     

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