EU-Mitgliedsstaaten müssen
 stabile Agrarfinanzierung sicherstellen

 

erstellt am
18. 09. 19
13:00 MEZ

GAP muss bäuerliche Familienbetriebe in den Mittelpunkt stellen
Linz (lk-oö) - Für die Bauern stehen in den nächsten Monaten auf EU- und nationaler Ebene wichtige Entscheidungen zur künftigen Agrarfinanzierung sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an. Hauptknackpunkt bei den Verhandlungen zur GAP ist das Agrarbudget, aber auch inhaltlich sind viele Kernpunkte weiterhin offen.

LK-Präsidentin Michaela Langer-Weninger und Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger legen klare Forderungen fest:

  • Aufrechterhaltung der Höhe des Agrarbudgets, notfalls durch nationale Mittel
  • Erfolgreichen österreichischen Weg der freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen fortsetzen statt verpflichtender "Eco-Schemes"
  • Maßnahmen auch für kleinere und mittlere Betrieb machbar gestalten
  • Kontrollen und Strafen auf Verhältnismäßigkeit überprüfen
  • Innovationen und Hofnachfolge durch Investitionsförderung und Unterstützung für Junglandwirte sichern

"Die Bauernschaft drängt auf eine zumindest stabile EU-Agrarfinanzierung. Die von der EU vorgeschlagenen Kürzungen werden mit allem Nachdruck abgelehnt. Hier ist daher die EU- Verhandlungsführung der derzeitigen und auch einer künftigen Bundesregierung massiv gefordert. Sollte es auf EU-Ebene dennoch zu einer für die österreichischen Bauern wirksamen Mittelkürzung kommen, so ist zwingend ein Ausgleich auf nationaler Ebene erforderlich. Eine stabile Agrarfinanzierung muss daher einer der Kernpunkte einer künftigen Regierungsvereinbarung sein", betont Präsidentin Michaela Langer-Weninger.

GAP-Verhandlungen treten momentan auf der Stelle
Während im Zuge der österreichischen Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2018 wesentliche Verhandlungsfortschritte zur Gemeinsamen Agrarpolitik erzielt werden konnten, tritt man seither - wohl auch aufgrund der umfassenden Brexit-Probleme, der erfolgten Neuwahl des Europäischen Parlamentes und der anstehenden Neubestellung der EU-Kommission im Herbst - weitgehend auf der Stelle.

Höhe des EU-Budgets weiterhin ungeklärt
Der EU-Kommissionsvorschlag sieht ein Budget in der Höhe von 1,11 Prozent der EU- Wirtschaftsleistung (BNE) vor, die Positionen der Mitgliedsländer im Rat liegen in einer Bandbreite von 1 bis 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Lager der Nettozahlerländer (insbesondere Dänemark, Schweden, Niederlande, aber auch Österreich) fordert 1 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Lager der Nettoempfänger (insbesondere Portugal, Griechenland) fordert 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch das Europäische Parlament will eine Budgeterhöhung auf 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und generell keine Kürzungen im Agrarbudget erreichen.

Der Beschluss über den anstehenden neuen EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 erfordert letztendlich eine Einstimmigkeit im Rat (auf Ebene der Staats- und Regierungschefs) sowie eine mehrheitliche Zustimmung im EU-Parlament.

Auf Basis des EU-Kommissionsvorschlages würden sich für die österreichische Landwirtschaft bei den Direktzahlungen der ersten Säule eine Kürzung um etwa 4 Prozent (von 692,3 auf 664,8 Millionen Euro) und bei den Zahlungen für die Ländliche Entwicklung (Agrarumweltprogramm, Bergbauernförderung, Investitionsförderung, Existenzgründungs- beihilfen usw.) sogar eine Kürzung um 15 Prozent (auf 480,5 Millionen Euro an EU-Mitteln) ergeben. "Österreich weist eine Sonderstellung auf, da hierzulande mehr Mittel über die zweite Säule als über Direktzahlungen auf die Höfe gelangen. Die erfolgreichen Programme wie das ÖPUL ermöglichen den Landwirten, zusätzliche Leistungen im Sinne der Allgemeinheit zu erbringen. Der vorgeschlagene Budgetentwurf bedroht diesen erfolgreichen Weg massiv," so Agrar-Landesrat Max-Hiegelsberger.

Grüner Bericht 2019 weist rückläufige landwirtschaftliche Einkommen aus
Der aktuelle "Grüne Bericht" des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus belegt, dass nach zwei Jahren positiver Entwicklung die Agrareinkommen 2018 empfindlich zurückgegangen sind. Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft (Erträge minus Ausgaben) sanken demnach um zehn Prozent auf durchschnittlich 28.035 Euro pro Betrieb. 2017 und 2016 waren die Einkommen noch um jeweils 14 Prozent gestiegen. Schuld an diesem Einkommensrückgang sind der Klimawandel und die damit verbundene extreme Trockenheit in vielen Regionen. Für hitze- und trockenheitsbedingte Mindererträge im Acker- und Futterbau erhielten die Betriebe vom Bund und von den Ländern Direkthilfen und Zinsenzuschüsse in Höhe von insgesamt rund 22 Mio. Euro. Auch für den Forst ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt worden, um die Einkommensverluste abzufedern. Gedämpft wurden die Einkommen außerdem von gestiegenen Produktionskosten und preisbedingten Einbußen aufgrund niedriger Erzeugerpreise. "Der Grüne Bericht zeigt klar auf, dass der Klimawandel bereits jetzt die landwirtschaftlichen Einkommen vermindert. Die Landwirtschaft steht vor der doppelten Herausforderung Klimawandel-Anpassung und geforderter Verringerung des eigenen Ausstoßes an Treibhausgasen", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.

Einkommensstabilisierend wirkten dem "Grünen Bericht" zufolge Maßnahmen der Ländlichen Entwicklung, vor allem das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) und die Ausgleichszahlungen. "Die Aufrechterhaltung einer nachhaltigen, flächendeckenden Bewirtschaftung ist ohne Unterstützung durch öffentliche Zahlungen nicht zu schaffen", betont Präsidentin Langer- Weninger. 2018 machten diese im Schnitt 16 Prozent vom Ertrag aus; bezogen auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft hat der Anteil 68 Prozent betragen. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist und bleibt ein wichtiges Sicherheitsnetz der österreichischen Landwirtschaft.

Strategiepläne als neues Kernelement der GAP
Der EU-Kommissionsvorschlag sieht für die Gemeinsame Agrarpolitik mit den sogenannten nationalen Strategieplänen ein neues Instrument der Umsetzung vor. Bisher waren nur die Maßnahmen der zweiten Säule auf nationaler Ebene zu programmieren (Programme zur Ländlichen Entwicklung). Künftig sind in den nationalen Strategieplänen sowohl die Maßnahmen der ersten als auch der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in ein gemeinsames Programm zu fassen. Aus derzeitiger Sicht ist noch offen, welche Spielräume hier tatsächlich bestehen, da die Europäische Kommission weiterhin Mindestvorgaben definiert und die nationalen Strategiepläne zu genehmigen hat. Es gibt hier einen gewissen Spagat, zwischen mehr Flexibilität bei den Mitgliedsstaaten und der europäischen Gemeinsamkeit der Agrarpolitik. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus baut derzeit die erforderlichen Strukturen für die Erstellung des nationalen Strategieplanes auf, um demnächst mit der Programmerarbeitung für Österreich zu beginnen.

"Auch hier fordert die Landwirtschaftskammer, dass wesentliche Eckpunkte wie die Sicherstellung der nationalen Kofinanzierung, die Absicherung des Agrarumweltprogramms ÖPUL sowie der Bergbauern-, Bio-, Investitions- und Junglandwirteförderung in ein künftiges Regierungsprogramm aufgenommen werden", betont Präsidentin Langer-Weninger.

"Ich unterstütze prinzipiell den Zugang des neuen Grundprinzips in Form der Strategiepläne. Konkrete Vereinfachungen auf Ebene der bäuerlichen Familienbetriebe sind unverzichtbar. Mehr nationaler Gestaltungsspielraum darf aber nicht zu einer Renationalisierung führen," führt Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger aus.

Umsetzung für bäuerliche Betriebe machbar und praxistauglich gestalten Einstiegsvoraussetzungen und Auflagen für die Gewährung von Direktzahlung sind auch für den typischen klein- und mittelbäuerlichen Betrieb machbar zu gestalten. Dies betrifft insbesondere Umweltauflagen und administrative Anforderungen als Einstiegsvoraussetzungen für die Gewährung von Direkt- und Ausgleichszahlungen im Rahmen der sogenannten "Konditionalität". Von der Landwirtschaftskammer kritisiert werden insbesondere das vorgeschlagene Betriebsnachhaltigkeitsinstrument für Nährstoffe (Nährstoffbilanzierung), das geplante Verbot vegetationsloser Böden und der geplante Mindestanteil an Landschaftselementen.

"Es ist für die Bauernschaft nicht akzeptabel, dass einerseits die Auflagen für die Betriebe wesentlich erhöht und andererseits die für die Bauern vorgesehenen Finanzmittel massiv gekürzt werden sollen. Die Landwirtschaftskammer drängt vielmehr auf die vollständige Fortsetzung und den weiteren Ausbau von freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen. Diese erfahren sowohl in der Bauernschaft als auch bei Umweltorganisationen und in der Gesellschaft eine hohe Wertschätzung. Es ist unverständlich, dass gerade hier Einschnitte und Kürzungen vorgenommen werden sollen", erklärt Langer-Weninger.

Regelungen für Dauergrünlandwerdung überdenken
"Ein massiver Kritikpunkt in der Bauernschaft sind die bestehenden Regelungen zur Dauergrünlandwerdung. Ackerflächen mit zB Wechselwiesen bzw. Feldgras- oder Kleegrasbeständen müssen spätestens nach 5 Jahren umgebrochen werden damit sie nicht zu Dauergrünland werden. Diese Regelung ist letztendlich auch umweltpolitisch kontraproduktiv, da sie dazu führt, dass derartige Flächen praktisch in jedem Fall nach 5 Jahren umgebrochen werden um nicht zu Dauergrünland zu werden. Diese Maßnahme ist mittlerweile auch in der Abwicklung äußerst kompliziert und führt vor allem zu einer zusätzlichen Mineralisierung organischer Substanz mit der entsprechenden CO2-Freisetzung", erklärt Langer-Weninger.

Capping und Degression EU-weit umsetzen
Die Landwirtschaftskammer bekennt sich zu betriebsbezogenen Obergrenzen bei den Direktzahlungen durch Degression und Capping, fordert aber eine EU-weit einheitliche Umsetzung dieser Obergrenzen und eine EU-weite Umverteilung der dadurch einbehaltenen Finanzmittel. Derzeit zeichnet sich allerdings ab, dass selbst das von der EU vorgeschlagene Modell in größeren EU-Mitgliedsländern weiterhin auf Ablehnung stößt. Bei diesen Überlegungen haben vor allem die bäuerlichen Familienbetriebe als tragende Säule der EU- Landwirtschaft im Mittelpunkt zu stehen. "Kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe müssen wieder mehr ins Zentrum der Betrachtung rücken. Eine stufenweise Deckelung der Direktzahlungen ist daher klar zu begrüßen. Die Deckelung hat aber jedenfalls EU-weit einheitlich zu erfolgen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.

Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken
Neben den Verordnungsentwürfen zur künftigen GAP hat die EU-Kommission im April 2018 auch Vorschläge zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorgelegt. Im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes konnte mit den Vertretern des Europäischen Parlaments am 19. Dezember eine politische Einigung darüber erreicht werden. Um unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern, sieht die neue Richtlinie unter anderem folgende Regelungen vor:

  • Schriftliche Bestätigung getroffener Vereinbarungen.
  • Keine rückwirkende Änderung vertraglicher Verpflichtungen.
  • Keine Zahlungen sonstige geldwerte Leistungen ohne entsprechende Gegenleistung.
  • 60-Tage-Zahlungsfrist für nicht verderbliche landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel vorgeschrieben.
  • Mindestfrist von 30 Tagen für die Stornierung von Lieferungen verderblicher Erzeugnisse


"Die Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken schafft ein Mindestmaß an Schutz für landwirtschaftlichen Betriebe. Diese befinden sich in Vertragsverhandlungen oft in einer unvorteilhaften Situation. Aber nur mit fairen Preisen können wir die Zukunft unserer Familienbetriebe sichern", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.

Präsidentin Michaela Langer-Weninger pocht neben der Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung von Zutaten bei Verarbeitungsprodukten und in der Gemeinschaftsverpflegung auch auf die von der Europäischen Kommission angekündigte Preistransparenz im Einzelhandel: "Die Europäische Kommission will zukünftig repräsentative Einkaufspreise des Lebensmitteleinzelhandels veröffentlichen. Mehr Transparenz bedeutet auch mehr Fairness für die Landwirte. Der gleichberechtigte Zugang zu Preisinformationen macht deutlicher, wie die Lebensmittelversorgungskette funktioniert und wo die wahren Preistreiber liegen."

Gemeinsame Agrarpolitik - Ausblick
Die neue Gemeinsame Agrarpolitik sollte eigentlich mit Beginn des Jahres 2021 in Kraft treten. Aufgrund des bisherigen Verhandlungsfortschrittes und der aktuellen Unwägbarkeiten durch den BREXIT sowie der personellen Neubesetzungen in den EU-Institutionen ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen erst im kommenden Jahr in die entscheidende Phase und damit zu einem Abschluss kommen. Erst nach Vorliegen aller EU-Rechtsgrundlagen können die nationalen Strategiepläne fertig gestellt und bei der EU zur Notifizierung eingereicht werden. Es zeichnet sich daher jetzt schon ab, dass die neue Gemeinsame Agrarpolitik mit ein- bis zweijähriger Verspätung in Kraft treten wird und die Landwirtschaft neuerlich mit ein bis zwei Übergangsjahren bei den Direkt- und Ausgleichszahlungen sowie mit einer damit verbundenen Rechtsunsicherheit konfrontiert sein wird. Während dieser Übergangszeit sollen bisherige Programme mit Finanzierung aus dem neuen mehrjährigen EU-Finanzrahmen fortgesetzt werden.

 

 

 

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