Stilling: Spielregeln in Online-Räumen mitgestalten

 

erstellt am
09. 10. 19
13:00 MEZ

Veranstaltung zur Geschlechtergleichstellung in den sozialen Medien
Wien (bka) - „Geschlechtergleichstellung zu stärken heißt, das Thema in jedem gesellschaftlichen und politischen Raum mitzugestalten, ob in der Online- oder Offline-Welt. Wobei die Online-Welt und sozialen Medien für viele, ganz besonders für junge Menschen, der wichtigste Kommunikationsraum sind“, sagte Ines Stilling, Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, bei der Eröffnung der 11. Veranstaltung der Reihe „Gleichstellung im Gespräch“ am 8. Oktober im Bundeskanzleramt. Diesmal stand das Thema „Geschlechtergleichstellung in den sozialen Medien“ im Mittelpunkt der Expertinnen- und Expertengespräche.

Potenzial der sozialen Medien für Gleichstellung nutzen
„Plattformen wie Twitter, Instagram oder Facebook prägen Werte und Haltungen zur Geschlechtergleichstellung. In Online-Debatten können sich Diskriminierung oder Chancengleichheit entwickeln. Gleichzeitig muss uns immer bewusst sein, dass diese Informationen kürzer, selektiver und diffuser sind als in Medien wie Fernsehen oder Zeitung. Es ist auch deutlich schwieriger geworden, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen“, so Stilling. Als Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend werde ihr von vielen Seiten immer wieder das steigende Problem der Online-Gewalt berichtet. Folglich sei es wichtig, „Regeln für neue Online-Räume aktiv mitzugestalten“. Wie dies in der digitalen Welt funktionieren könne, sei allerdings „oft nicht so klar“.

„Über den Algorithmus, der hinter unseren Profilen läuft und vorschlägt, wem wir online ‚folgen sollen‘, findet wenig gesellschaftliche Debatte statt“, so die Ministerin. Für viele Nutzerinnen und Nutzer sei daher auch nicht nachzuvollziehen, ob und wie dieses System geändert oder beeinflusst werden könnte. Notwendig sei es in jedem Fall, dass Betreiber sozialer Medien Verantwortung übernehmen und entsprechend reagieren, wenn sie als Plattform für sexistische Kommentare oder Hasspostings benutzt werden. „Wir dürfen nicht wegsehen, denn Gewalt und Diskriminierung über die Kanäle der sozialen Medien haben Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Betroffenen“, appellierte Ines Stilling.

Inszenierung von Weiblichkeit in Online-Medien
Laura Wiesböck vom Institut für Soziologie der Universität Wien lenkte in ihrer Einführung den Blick darauf, wie Weiblichkeit in den Online-Medien inszeniert wird. Der natürliche Frauenkörper werde dabei zu einem Tabu, die idealisiert dargestellte Weiblichkeit im Sinne gängiger Schönheitsideale werde dagegen verherrlicht und zu einem Statussymbol. Diese „Warenhaftigkeit des Frauenkörpers“ diene konsumorientierten Ideologien. Jegliche Abweichungen vom Idealbild würden als „Nichtentsprechung“ abgewertet. Die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung forcieren diesen Trend. Soziale Medien würden damit „Frauen als sexuell verfügbare Objekte“ visualisieren und sie auf diese Rolle reduzieren, so die Soziologin.

Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten unter der Moderation von Gerhard Wagner vom Verein HeForShe Vienna neben Laura Wiesböck die Podcasterin Beatrice Frasl, Christian Berger von der Arbeiterkammer Wien, die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig, seit 2017 Digital Champion Österreichs, sowie Kristina Hametner vom Büro für Frauengesundheit der Stadt Wien. Immer wiederkehrender Tenor der Debatte war, dass der Online-Diskurs nicht jenen überlassen werden dürfe, die Gewalt, Feindbilder und Diskriminierung schüren. Um dem entgegenzuwirken sei es notwendig, sich solidarisch zu zeigen und dem Hass im Internet etwas entgegen zu setzen. Das sei vor allem durch eine aktive Beteiligung an Online-Debatten möglich.

Solidarische Netzwerke aufbauen
Ingrid Brodnig wies darauf hin, dass geschlechtsbezogene Klischees oft unreflektiert übernommen würden und sich online noch weiter verstärken. Daher müsse, so Beatrice Frasl, eine feministische Gegenöffentlichkeit aufgebaut werden. Hilfreich dabei sei es, die immer selben Muster der Hasspostings aufzuzeigen und gängige Argumentationsstrukturen zu entlarven. „Dort wo es notwendig ist, müssen wir auch Widerstand leisten“, appellierte Christian Berger, der sich zudem für einen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand gegen verbale Gewalt im Internet aussprach. Brodnig betonte auch die Bedeutung von „Empowerment“, indem solidarische Netzwerke aufgebaut und aktiviert werden, um Sachargumente einzubringen und Klischees aufzudecken. Dabei könnten auch humorvolle Reaktionen helfen. Kristina Hametner verwies dazu auf eine Videoreihe des Wiener Büros für Frauengesundheit, in dem mit parodistischen Videoclips auf YouTube ein Gegenpol zu den gängigen Fitness- und Beauty-Beiträgen geschaffen wird. „Wir müssen eine Gegenwelt zu den Ungleichbehandlungen im Internet schaffen, und zwar mit den gleichen Mitteln wie die anderen“, so Hametner.

 

 

 

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