Erste bundesweite SPÖ-Mitgliederbefragung

 

erstellt am
05. 09. 16
09:00 MEZ

Kern und Niedermühlbichler laden zur Diskussion über CETA und TTIP ein – Kern: „Gewicht demokratischer Entscheidungen darf sich nicht zugunsten von Konzerninteressen verschieben“ - Niedermühlbichler: „Mitglieder stärker einbinden"
Wien (sk) - SPÖ-Bundesparteivorsitzender, Bundeskanzler Christian Kern und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler haben am 02.09. die Informationskampagne der SPÖ zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP vorgestellt. Herzstück der Kampagne ist die erste österreichweite Befragung aller SPÖ-Mitglieder. Auch alle anderen Interessierten sind eingeladen, daran teilzunehmen. Kern betonte: „Auf komplexe Fragen wie die Freihandelsabkommen CETA und TTIP sind keine einfachen Antworten zu finden. Daher starten wir heute einen breiten Meinungsbildungsprozess. Ich lade dazu ein, mit uns zu diskutieren und ein Stück des CETA/TTIP-Weges mit uns zu gehen.“ Niedermühlbichler betonte, dass „in unserer ausgewogenen Kampagne Befürworter und Gegner zu Wort kommen“.

TTIP habe noch einen niedrigen Reifegrad, man sei daher noch nicht in der Lage, sich ein finales Urteil zu bilden. Zum CETA-Abkommen, das seit 2011 verhandelt wurde, liege hingegen schon der Vertragstext vor. Handel sei für ein Exportland wie Österreich von großer Bedeutung. „Die Komponenten von Handelsabkommen, die sich rein auf den Handel, auf Zölle beziehen, unterstützen wir auch“, so Kern. Allerdings sei CETA ein Abkommen neuen Typs, in dem es auch um Regulierungsfragen geht.

In Österreich gebe es bereits eine breite Diskussion zu CETA und TTIP, wies Kern etwa auf den Entschließungsantrag des Parlaments und einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz sowie Beschlüsse von Gemeinden zu den Freihandelsabkommen hin, die die kritischen Punkte aufgreifen. „Mit dieser Kritik haben wir uns auseinanderzusetzen. Das ist kein populistischer Reflex für die kurze Schlagzeile, sondern eine breite Bewegung, mit der wir eine seriöse, intensive Diskussion führen wollen.“ Wichtig bei aller Skepsis sei die Differenziertheit.“ Daher sollen im Diskussionsprozess Gegner und Befürworter zu Wort kommen – vom Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Kapsch, dem Industriellen Hannes Androsch, Spar-Chef Gerhard Drexel über Wifo-Chef Badelt bis hin zu BürgermeisterInnen und Landeshauptleuten, aber auch die Zivilgesellschaft, Greenpeace, Attac usw. wird miteinbezogen.

„Wir legen besonderes Augenmerk darauf, ob das Abkommen einen Beitrag leistet, den Handel gerechter zu machen und Wohlstand gerecht zu verteilen“, so der Kanzler. Zudem dürfe sich das Gewicht demokratischer Entscheidungen nicht zugunsten der Interessen global agierender Konzerne verschieben, das betreffe besonders den Investitionsschutz.

CETA sei zwar ein Fortschritt gegenüber bestehenden Abkommen, so sei etwa das „right to regulate“ für Staaten verankert, allerdings seien die Bestimmungen zur sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit nicht ausreichend abgesichert. Sorge bestehe auch bezüglich eines erhöhten Liberalisierungs- und Privatisierungsdrucks, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge. Beim Investorenschutz gebe es zwar Fortschritte, aber dennoch sei die Einrichtung von Sondergerichten „schwer zu verstehen, wenn es ordentliche Gerichte und vorhandene Schutzmechanismen für Investoren gibt“, sagte der Bundeskanzler. Zur Absicherung von Sozial- und Umweltstandards gebe es zwar ein Bekenntnis in CETA, aber ohne Sanktionsinstrumente – „was proklamiert wird, kann nicht eingehalten werden“, gab Kern zu bedenken.

Der sauberste Weg, Verbesserungen im Abkommen mit Kanada zu erreichen, wäre, den Verhandlungsprozess wieder aufzunehmen, dafür Verbündete zu finden, sei jedoch schwierig. Die zweite Option sei, möglichst viele Teile des Vertrags in die nationale Zuständigkeit zu bringen. Die EU-Kommission hatte ja nach intensiven Interventionen u.a. Österreichs entschieden, CETA als gemischtes Abkommen zu klassifizieren. Die „EU only“-Teile gehen zwar in die vorläufige Anwendung, aber über die anderen Teile stimmen die Parlamente ab.

Kern hat am 02.09. in einer Telefonkonferenz mit der kanadischen Handelsministerin die Kritikpunkte aus österreichischer Sicht dargelegt, ein Treffen ist für September anberaumt. Auch die SPD soll als Bündnispartner gewonnen werden.

Hinter all dem stehe die Partizipation der Mitglieder: „Wir wollen die SPÖ ja öffnen und Entscheidungen transparent machen“, so Kern. Die Diskussion über CETA/TTIP sei ein guter Punkt, da diese Abkommen „viel berühren, was in der Sozialdemokratie eine Rolle spielt“. Diese Befragung sei „nur der Auftakt, in der Partei mitzustimmen.“

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erläuterte, dass es zur Information der Mitglieder und aller Interessierten die Website mitreden.spoe.at, eine Facebook-Seite (CETA/TTIP Unsere Meinung zählt) und das „Österreich Magazin“ für Parteimitglieder gibt. Darin finden diese auch den Zugangscode für die Teilnahme an der Befragung. „Darüber hinaus wollen wir auch Nicht-Mitgliedern die Gelegenheit bieten, mitzudiskutieren und an der Befragung teilzunehmen“, so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

„Die Befragung ist ein erster wichtiger Schritt, die Mitglieder stärker in Entscheidungen einzubeziehen und an Prozessen zu beteiligen“, so Niedermühlbichler, denn „wir wollen die Offenheit leben. Ich hoffe auf rege Beteiligung“. In weiterer Folge sollen sie auch zu vielen anderen Themen ihre Meinung kundtun können. Die Kampagne und die Befragung laufen noch bis zum 18. September.

 

 

 

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