Khol und Hösele für einen »echten Österreich-Konvent«
Nationalrat und Bundesrat wollen Zusammenarbeit intensivieren
Wien (pk) - Die Zusammenarbeit zwischen Nationalrat und Bundesrat werde künftig intensiviert werden, betonte Nationalratspräsident Andreas Khol im Rahmen einer Pressekonferenz am Mittwoch (15. 01.), die er gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesrates Herwig Hösele zum Thema "Österreich-Konvent" abhielt. Als Zeichen dieser engeren Kooperation werde es künftig des öfteren gemeinsame Presseauftritte der Präsidenten der beiden gesetzgebenden Körperschaften des Parlaments geben. Khol und Hösele bekräftigten auch ihr Ziel, die Kontakte mit den Landtagen enger zu gestalten, wobei der Nationalratspräsident die Länderparlamente als "unersetzliche Orte der Demokratie" bezeichnete, die jedoch "nicht unveränderlich" seien.

Die Zeit für eine umfassende Verfassungsreform sei günstig, sagte Khol, da sowohl in der Bevölkerung als auch in allen politischen Parteien eine breite Diskussion darüber geführt werde. Man müsse das Eisen schmieden so lange es heiß sei, und deshalb unterstütze er die "Privatinitiative" von Präsident Hösele, den Vorschlag eines Österreich-Konvents voranzutreiben und ihn jetzt und heute ins Leben zu rufen. Man wolle dies im Konsens mit allen durch eine politische Vereinbarung zwischen Nationalrat, Bundesrat, den Landtagen, der Bundesregierung, der Landeshauptleutekonferenz, dem Gemeindebund und dem Städtebund tun. Eine Frontstellung soll damit von vornherein vermieden werden, führte Präsident Hösele aus. Khol zeigte sich überzeugt, dass unabhängig von der Zusammensetzung der künftigen Regierung ein politischer Konsens über den Konvent zustande gebracht wird.

Dass es zu einem "echten" Österreich-Konvent kommt, soll auch durch dessen Zusammensetzung sichergestellt werden. Insgesamt soll er 80 Mitglieder umfassen, wobei die Länder und Gemeinden sehr gut repräsentiert sind. Als Mandat des Konvents verstehen Khol und Hösele die Erarbeitung einer erneuerten Bundesverfassung, die an die Stelle des Bundesverfassungsgesetzes 1920, der verfassungsgesetzlichen Nebengesetze und der Verfassungsbestimmungen tritt. Beide unterstrichen jedoch, dass diese Reform auf der Basis der bisher tragenden Prinzipien erfolgen sollte, da sich diese bewährt hätten. Darunter sei die auf die Volkssouveränität gegründete Republik, die parlamentarische repräsentative Demokratie mit plebiszitärem Einschlag, der soziale Rechtsstaat, das bundesstaatliche Prinzip sowie die Gemeindeautonomie zu verstehen.

Insgesamt soll es zu einer Bundesverfassungs-Rechtsbereinigung kommen. Darüber hinaus soll der gesamte Behördenaufbau und die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überprüft werden. Gedacht ist auch an eine neue Verfassungsautonomie der Länder, eine klare Vollzugsverantwortung, eine Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, eine Neuordnung des Finanzausgleichs und eine Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Auch wenn es wahrscheinlich zu keiner Gesamtänderung des Bundes-Verfassungsgesetzes kommt, sprachen sich sowohl Khol als auch Hösele für eine fakultative Volksabstimmung aus. Diese sei deshalb sinnvoll, da eine derart umfassende Reform auch von einer möglichst breiten Zustimmung in der Bevölkerung getragen sein müsse. Der Erfolg hänge, so Khol, von den Persönlichkeiten und der Qualität der ausgearbeiteten Vorschläge ab. Mehrheitsbeschlüsse im Österreich-Konvent hält Khol nicht für zielführend. Für ihn ist die Arbeitsweise im EU-Konvent Vorbild, da dort die Papiere im Konsens erstellt werden. Sein Optimismus gründe sich daher auch auf die jetzt bereits absehbare erfolgreiche Arbeit im EU-Konvent. Am Schluss sollte der Vorsitzende im Präsidium einen Vorschlag vorlegen, der einen kernmäßigen Konsens wiedergibt.

Geleitet sollte der Konvent von einem Vorsitzenden werden, der sich dieser Arbeit hauptberuflich widmen kann. Man beabsichtigt, den Österreich-Konvent im Kleid einer Enquete-Kommission formell beim Nationalrat anzusiedeln. Für die Arbeiten ist ein Zeitrahmen von zwei Jahren geplant, womit der Abschluss mit dem 60-jährigen Bestehen der Zweiten Republik zusammenfiele.

Angesprochen auf die Möglichkeit, in der Geschäftsordnung des Nationalrats die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht zu verankern, meinte Khol, dass diese Frage zurzeit noch offen sei. Ein solches Minderheitenrecht gebe es nur in Deutschland. Dort habe aber das Verfassungsgericht die Möglichkeit einer Organklage, wodurch sichergestellt sei, dass im Untersuchungsausschuss Grundrechte gewahrt werden. Eine solche Organklage einzuführen, dazu gebe es derzeit keine Bereitschaft.

 

Die Vorschläge der Präsidenten Khol und Hösele im Wortlaut

1. Einsetzung
Durch eine politische Vereinbarung zwischen Nationalrat (Präsidialkonferenz), Bundesrat (Präsidialkonferenz), den Landtagen (vertreten durch die Konferenz der Landtagspräsidenten), der Bundesregierung, der Landeshauptleutekonferenz (vertreten durch den vorsitzenden Landeshauptmann), dem Gemeindebund und dem Städtebund wird ein Österreich-Konvent eingerichtet. Dieser Österreich-Konvent hat nachstehendes Mandat, es gelten für ihn die unter Punkt 3 aufgezählten Grundsätze, die im Punkt 4 genannte Zusammensetzung, der im Punkt 5 genannte Vorsitz und der im Punkt 6 genannte Verfahrensvorschlag sowie die im Punkt 7 genannte Zeitplanung.

2. Mandat des Österreich-Konvents
Ausarbeitung einer erneuerten Bundesverfassung, die an die Stelle des Bundesverfassungsgesetzes 1920, der verfassungsgesetzlichen Nebengesetze und der Verfassungsbestimmungen tritt:

Aus dem selbst für Verfassungsjuristen unübersehbar gewordenen Verfassungsrecht soll durch Straffung eine Kernverfassung in dem in Europa geläufigen Sinn (Reduktion) gewonnen werden, die zum anderen die Verfassung so geräumig macht, dass sie einer zukunftsorientierten Staats- und Verwaltungsorganisation nicht entgegensteht.

3. Grundsätze für die Erneuerung der Bundesverfassung

3.1. Die Grundsätze des geltenden Bundesverfassungsrechtes haben sich bewährt und gelten weiter:

  • die auf die Volkssouveränität gegründete Republik
  • die parlamentarische repräsentative Demokratie mit plebiszitärem Einschlag
  • der soziale Rechtsstaat
  • das bundesstaatliche Prinzip, wonach der Gesamtstaat auf dem Zusammenschluss der neun Bundesländer beruht
  • die Gemeindeautonomie und die Vielfalt der Selbstverwaltungskörper

3.2. Im Zuge einer Bundesverfassungsrechtsbereinigung werden überholte Verfassungsbestimmungen zum Teil sofort außer Kraft gesetzt, zum Teil in einem Verfassungsübergangsgesetz nach einem bestimmten Zeitplan außer Kraft gesetzt. Das Ziel ist das so genannte Inkorporierungsgebot: das gesamte Verfassungsrecht steht nur in einer einzigen, "der Verfassung".

3.3. Der gesamte Behördenaufbau wird zur Ermöglichung einer flexiblen Verwaltungsorganisation überprüft.

3.4. Die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird in abgerundeten Kompetenztatbeständen niedergelegt.

3.5. Verfassungsaktualisierung auf folgenden Gebieten (beispielsweise): neue Verfassungsautonomie der Länder; klare Vollzugsverantwortung; Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Neuordnung des Finanzausgleiches; Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

4. Zusammensetzung des Österreich-Konvents

6 Vertreter des Nationalrates

4 Vertreter des Bundesrates

18 Vertreter der Landtage, d.h. zwei für jeden Landtag

6 Vertreter der Bundesregierung

9 Vertreter der Landesregierungen, also einer für jede Landesregierung

3 Vertreter des Städtebundes

3 Vertreter des Gemeindebundes

8 Vertreter der Sozialpartner (also je zwei für WKÖ, Präsidialkonferenz der Landeslandwirtschaftskammern, ÖGB, AK)

23 Virilisten (Präsidenten der Höchstgerichte, Volksanwalt, Rechnungshof, österreichische Mitglieder des Europa-Konvents, "wise women/wise men", IV)

5. Leitung des Konvents
Die Leitung des Konvents wird von einem Vorsitzenden, seinen drei Stellvertretern und einem Generalsekretär wahrgenommen. Sie bilden das Präsidium. Der Vorsitzende darf kein aktiver Politiker sein bzw. in den letzten vier Jahren keine aktive politische Tätigkeit ausgeübt haben und keine auf Erwerb gerichtete berufliche Tätigkeit ausüben. Das Präsidium wird von einer Arbeitsgruppe bestellt, der der Bundeskanzler (Vorsitzender), der/die Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der Präsident des Nationalrates, der Präsident des Bundesrates, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, der Präsident des Städtebundes und der Präsident des Gemeindebundes angehören.

6. Der Österreich-Konvent
wird im Kleid einer Enquetekommission des Nationalrates formell beim Nationalrat angesiedelt, in dessen Haushalt auch für alle administrativen Erfordernisse Vorkehrung getroffen wird; damit ist auch das notwendige administrative Hilfspersonal, die Räumlichkeiten und die Geschäftsordnung klargestellt.

7. Zeitrahmen
Der Österreich-Konvent schließt seine Arbeiten für zwei Jahre nach der Arbeitsaufnahme ab. Das Präsidium erstattet darüber einen öffentlichen Bericht.

     
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