Stadt Wien lässt alle Liegenschaften auf NS-Vergangenheit prüfen
Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und Restitutionsbeauftragter Scholz präsentieren großangelegtes Forschungsprojekt
Wien (rk) - Die Stadt Wien wird in einem großangelegten Forschungsprojekt alle Liegenschaften in ihrem Besitz auf Ihre Herkunft untersuchen, um allenfalls während der NS-Zeit unrechtmäßig erworbene Grundstücke restituieren zu können.

Die Finanzierung dieses auf ein Jahr angelegten Projekts beträgt insgesamt 451.400 Euro und wird morgen im Gemeinderat beschlossen. Dies gaben Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Kurt Scholz, Bereichsleiter der Stadt Wien für Restitutionsfragen und Eva Blimlinger, Forschungskoordinatorin der Historikerkommission der Republik Österreich heute bekannt.

"Wien betreibt nach Jahren des Vergessens eine aktive Aufarbeitungs- und Restitutionspolitik, um eine klare Sicht zu bekommen"; so Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. "Oft wird in dieser Frage erst gehandelt, wenn der internationale Druck groß genug ist", ergänzte Scholz. "Dieses Projekt ist die Ausnahme. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass die Stadt Wien in unrechtmäßigem Besitz von Grundstücken ist. Dennoch lassen wir sämtliche Grundstücke untersuchen".

Ziel der Forschungen ist die Dokumentation jeder Liegenschaft, die am 17. Jänner 2001 im mittelbaren oder unmittelbarem Eigentum der Stadt Wien stand und die zwischen 12. März 1938 und 9. Mai 1945 dem früheren Eigentümer entzogen wurde.

Alle verfügbaren Datensätze werden in einer Datenbank erfasst und zu einer umfassenden Falldokumentation zusammengefasst. Untersucht werden alle Liegenschaften der Stadt Wien, laut Grundbuch 12.538 Eintragungen. Zunächst werde untersucht, ob zwischen 1938 und 1945 überhaupt ein Besitzerwechsel stattgefunden habe, fragwürdige Objekte würden dann der Schiedsinstanz übergeben, erläuterte Forschungskoordinatorin Eva Blimlinger.

Wien ist neben Oberösterreich das einzige Bundesland, das analog zum Bund die Bestimmung der Naturalrestitution aufgrund des Entschädigungsfondsgesetzes übernommen hat (Beschluss Gemeinderat, 27. Juni 2001).

Im Rahmen des Entschädigungsfondsgesetzes für die Opfer des Nationalsozialismus ist unter bestimmten Umständen die Möglichkeit vorgesehen, durch "Naturalrestitution" öffentliche Liegenschaften zurückzufordern. Es sind dies jene Grundstücke, die während der Zeit des Nationalsozialismus entzogen wurden und bei denen entweder kein Rückstellungsverfahren stattgefunden hat oder dieses extrem ungerecht war. Der Forschungsauftrag soll die Grundlagen dafür schaffen.

Das Projekt "Wissenschaftliche Dokumentation der Liegenschaften und Überbauten im Eigentum der Stadt Wien/der Gemeinde Wien (öffentliches Vermögen) zwischen dem 1. Jänner 1938 und dem 17. Jänner 2001" wird durch denselben Verein durchgeführt, der im Auftrag der Historikerkommission bereits umfassende Recherchen zu den Bundesliegenschaften gemacht hat.

Rückgabe von Kunst- und Kulturgegenständen im Besitz der Stadt Wien voraussichtlich Ende 2004 abgeschlossen
Mit Beschluss des Gemeinderates vom 29. April 1999 hat sich die Stadt Wien verpflichtet, jene Kunst- und Kulturgegenstände aus den Museen, Bibliotheken, Archiven, Sammlungen und sonstigen Beständen der Stadt unentgeltlich an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger zu übereignen, die aufgrund der historischen Ereignisse der Jahre 1938 bis 1945 unrechtmäßig in den Besitz der Stadt Wien gelangt sind. Dieser Beschluss ist analog zur Rückgabe von Kunst- und Kulturgegenständen auf Bundesebene zu sehen. Die Bemühungen der Stadt Wien beinhalten aber zusätzlich zur Dokumentation auch die aktive Suche nach möglichen rechtmäßigen Erben.

Seither haben die Museen der Stadt Wien ihre sämtlichen, etwa 23.400 Erwerbungen aus der NS-Zeit auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.

2.500 Objekte, das ist der Großteil der zu restituierenden Kunstgegenstände und stammt aus zwölf Sammlungen bzw. Sammlungsteilen, wurden bereits den ehemaligen Eigentümern bzw. deren Rechtsnachfolgern zurückgegeben, und in neun Fällen wurde die Restitution von Sammlungen oder Sammlungsteilen an die Rechtsnachfolger der ehemaligen Eigentümer durch deren entsprechende Verständigung in die Wege geleitet. In neun weiteren Fällen wurden zwar ebenfalls der Wiener Restitutionskommission Berichte vorgelegt, diese Fälle aber noch nicht abgeschlossen, weil nicht eindeutig feststeht, wer die Erben der ehemaligen Eigentümer sind.

In 13 Fällen wurden keine Berichte vorgelegt, sondern vorderhand die Recherchen fortgesetzt, weil in diesen Fällen ein Verdacht besteht, aber bislang noch nicht klar erwiesen ist, dass es sich um Restitutionsfälle handelt.

Darüber hinaus haben die Museen der Stadt Wien ausführliche Beschreibungen von 148 in der NS-Zeit bei der Vugesta (Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo) erworbenen und etwa 1550 in den Jahren 1938 bis 1945 beim Dorotheum angekauften Objekten, deren ursprüngliche Eigentümer nicht eruiert werden konnten, auf ihrer Homepage im Internet veröffentlicht, weil anzunehmen ist, dass ein Teil dieser Objekte aufgrund nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen versteigert wurde.

Die zusätzliche Veröffentlichung von Kunst- und Kulturgegenständen, die die Museen der Stadt Wien in der NS-Zeit von nationalsozialistischen Dienststellen, "verdächtigen" Auktionshäusern und Galerien sowie über Prof. Julius Fargel (Restaurator der Museen der Stadt Wien und Schätzmeister der Vugesta) erwarben, befindet sich in Vorbereitung.

Eine detaillierte Übersicht über alle Objekte, die bislang von der Stadt Wien restituiert wurden und eine genauere Beschreibung der damit verbunden gewesenen Aktivitäten ist dem von den Museen der Stadt Wien und der Wiener Stadt- und Landesbibliothek gemeinsam herausgegebenen Band "Die Restitution von Kunst- und Kulturgegenständen aus dem Besitz der Stadt Wien 1998-2001" sowie einem ergänzenden Restitutionsbericht zu entnehmen, der am 27. November 2002 dem Wiener Gemeinderat vorgelegt und seither auf der Homepage der Museen der Stadt Wien und auf der Homepage der Wiener Stadt- und Landesbibliothek veröffentlicht wurde.

Einige der restituierten Gegenstände konnten anschließend von der Stadt angekauft werden, darunter die wertvolle Sammlung Strauß-Meyszner, die dieses Jahr im Historischen Museum zu sehen sein wird.

Im April wird im Rathaus außerdem eine zweitägige Internationale Tagung zum Thema "Bibliotheken und Restitution", stattfinden, die durch die Stadt- und Landesbibliothek veranstaltet wird.

"Museen und Bibliothek haben intensive Arbeit geleistet", sagte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny abschließend. "Wir gehen davon aus, dass unsere Forschungen im Bereich Kunst- und Kulturgüter mit Ende 2004 abgeschlossen wein werden."
 
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