Regierungsbildung  

erstellt am
21. 02. 03

 Schüssel: Werden mit FPÖ Regierungsverhandlungen aufnehmen
Überwältigende Mehrheit im ÖVP-Parteivorstand - Größte Übereinstimmung - Bei anderen fehlte nötige Klarheit über Reformen
Wien (övp-pk) - "Der Parteivorstand der Österreichischen Volkspartei hat nach langen ausführlichen Diskussionen mit überwältigender Mehrheit eine Entscheidung getroffen: Wir werden die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Freiheitlichen Partei aufnehmen", sagte ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach dem Parteivorstand der ÖVP am Donnerstag (20. 02.).

Er, Schüssel, habe in den vergangenen Tagen sowohl mit Alfred Gusenbauer als auch mit Herbert Haupt intensive Gespräche geführt. Mit beiden seien Themenblöcke genau analysiert worden. Die Kernfragen im Sinne des Reformprogramms für Österreich, welches Schüssel zu Beginn des Jahres vorgelegt habe, bedeuten ein klares Ja zu Europa. "Wir haben uns auch vorgenommen, dass wir den Weg eines stabilen Budgets ernsthaft weiter gehen wollen, obwohl die Konjunkturlage erfordert, dass wir in der jetzigen Situation mit Arbeitsplatzmaßnahmen und konjunkturbelebenden Maßnahmen gegensteuern", betonte Schüssel.

Weiters sei die Durchführung einer Pensionssicherungsreform geplant, dabei solle niemanden etwas weggenommen werden, aber auch die künftigen Pensionen gesichert werden. "Interessant war dabei, dass in der Analyse einen sehr breiten Konsens aller Parteien zu finden war über den Weg und die Methoden gab es allerdings Unterschiede. Mit den Freiheitlichen haben wir hier die größte Übereinstimmung erzielt", so der Bundeskanzler. Bei den anderen Parteien habe einfach die notwendige Klarheit und Präzision gefehlt, wann und wie man die notwendigen Reformschritte tatsächlich setzen wolle.

Ein weiteres Thema sei die Reform des Gesundheitssystems gewesen. "Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Wir wollen diese Qualität halten, wir wollen keine Zweiklassenmedizin, wir wollen aber auch den Menschen reinen Wein einschenken, dass es in einer Zeit, wo die Menschen älter werden, wo wir einen medizinischen Fortschritt haben, der früher undenkbar gewesen ist, logischerweise mehr Kosten hat. Diese müssen durch Strukturreformen, durch Einsparungen bei Medikamentenpreisen, wohl aber auch bei der Beitragsgerechtigkeitsseite erbracht werden", so Schüssel.

Schüssel: FPÖ wird stabiler Partner sein
"Jeder der Beteiligten sollte aus Folgen von Knittelfeld gelernt haben"
"Ich glaube ja", die FPÖ werde ein stabiler Partner sein, sagte der Bundeskanzler. Er rechne damit, dass nach den internen Klärungen der letzen Tage auch der Klub der Freiheitlichen künftige Entscheidungen mittragen werde. "Darauf kommt es schlussendlich auch an."

Auf entsprechende Journalistenfragen, ob künftig ein "Knittelfeld" zu verhindern sei, sagte Schüssel: "Ich habe diese Situation damals auch nicht gewollt, aber jeder der Beteiligten sollte aus den Folgen gelernt haben." Dies sollte man unter Erwachsenen erwarten können. Schüssel erinnerte daran, dass es auch nach den Wahlen 1999 im ÖVP-Bundesparteivorstand zwei Gegenstimmen gegen Verhandlungen mit der SPÖ gegeben habe. Heute würde niemand mehr davon reden. "Es geht nicht um meine Autorität, ich freue mich, wenn es Diskussionen gibt und andere Meinungen", betonte Schüssel. Es gehe vielmehr darum, dass die Befürworter die Entscheidungen auch mitragen werden, betonte der Kanzler.

Schüssel: Drei Milliarden Steuerentlastung in dieser Periode
Bei SPÖ zu viele Fragen offen und unterschiedlich beantwortet =
"In der gegenwärtigen Lage zerbrechen wir uns massiv den Kopf über die Schaffung neuer und die Stabilisierung bestehender Arbeitsplätze", so Schüssel weiter. Dazu würden Standortfaktoren wie "eine Steuerentlastung, die in dieser Periode unbedingt kommen muss", gehören. "Wir sind bereit, eine Entlastung in einem oder in zwei Schritten mit etwa 1,3 bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu setzen. Das bedeutet insgesamt eine Steuerentlastung von drei Milliarden Euro", sagte Schüssel. Dies sei nachhhaltig wichtig für Konsum und Standortfaktfrage. Dazu gehöre sowohl die Entlastung der Einkommen, also auch die Entlastung der Unternehmenssteuern, vor allem für den nicht entnommenen Gewinn.

"Uns war auch wichtig, dass wir einen ganz wesentlichen Impuls in Forschung und in neue Technologien brauchen." In diesen Bereichen seien die Themen ausgelotet und Bandbreiten gefunden. Hier könne man mit den Freiheitlichen einen guten Weg finden. Mit der SPÖ sei es schwierig gewesen, da zwar in der Problem-Analyse vieles ähnlich gewesen sei, in der Detailarbeit und Präzisierung seien aber viele Fragen offen geblieben.

Darüber hinaus seien innerhalb der SPÖ viele unterschiedliche Fragen gekommen. Alfred Gusenbauer habe ganz anders gesprochen als die Sozialpartner oder manche Ländervertreter. "Das hat kein stabiles und kohärentes Bild der SPÖ ergeben. Der Wille war und ist bei Alfred Gusenbauer vorhanden gewesen, aber ich brauche die Klarheit, dass wirklich die ganze Partei den Weg mitträgt und dass es hier kein Zögern gibt", betonte Schüssel. Wann konkret die nächsten Gespräche geführt würden, werde morgen, Freitag, mit der FPÖ vereinbart werden.

 

 Onodi: Fortsetzung von Schwarz-Blau gegen den Wählerwillen
Einfluss von Erwin Pröll innerhalb der ÖVP im Schwinden
St. Pölten (spi) - "Angesichts der Entscheidung des ÖVP-Bundesvorstandes für eine Fortsetzung von Schwarz-Blau stellt sich die Frage warum eigentlich im Oktober letzten Jahres gewählt werden musste", meint die stellvertretende SPÖ-Vorsitzende, Niederösterreichs Parteichefin Heidemaria Onodi nach der Entscheidung des ÖVP-Bundesvorstandes für Schwarz-Blau. Allerdings habe bereits die Packelei bei der Erstellung des Budgetprovisoriums sowie die kontinuierlichen Einzelverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ seit Dezember hier den Weg Schüssels vorgezeichnet, so Onodi. Die Freiheitlichen seien die einzige Partei, "die nahezu bedingungslos den Juniorpartner der Konservativen spielen würden", erklärte Onodi weiter. Anscheinend wolle ÖVP-Chef Schüssel einen willfährigen Koalitionspartner, der zu allen Plänen der ÖVP Ja und Amen sage. Die Entscheidung der ÖVP sei zudem eine bittere Niederlage für Erwin Pröll, der sich nach außen für eine stabile große Koalition ausgesprochen habe. Es dürfe allerdings nicht vergessen werden, dass Pröll schon der Architekt der ersten Schwarz-blauen Koalition gewesen sei. Inwieweit hier Pröll angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Niederösterreich und der massiven Unbeliebtheit von Schwarz-Blau in der Bevölkerung mit offenen Karten gespielt hat sei fraglich.

Die Fraktion der Taktierer und Machterhalter innerhalb der ÖVP habe sich offenbar durch gesetzt. "Ob diese Form der Regierung für Österreich wirklich gut ist darf mit Sicherheit bezweifelt werden", so Onodi abschließend.

 

FPÖ-Klub beschließt einstimmig Verhandlungen mit ÖVP
Haupt: Bevölkerung will nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag auf neue Regierung warten
Wien (fpd) - Die Aufnahme der Regierungsverhandlungen mit der ÖVP wird von den freiheitlichen Nationalrats-, Bundesrats und Europaabgeordneten "einstimmig mitgetragen". FP-Chef Herbert Haupt sprach nach dem Beschluss in der Klubsitzung am Freitag (21. 02.) von einem "einem richtungsweisenden Zeichen der Einigkeit".

"Die Österreicher erwarten sich zügige Regierungsverhandlungen. Wir werden diese professionell und intensiv führen", sagte Haupt. Die Eckdaten, die sich in den Vorgesprächen und Sondierungen mit der ÖVP herausgestellt hätten, "werden wir mit der ÖVP verantwortungsvoll im Sinne unserer Wähler und Wählerinnen beraten und verhandeln."

Wie lange die Verhandlungen dauern würden, könne er, Haupt, noch nicht sagen. "Derzeit möchte ich da keinen Termin festlegen, um mich nicht unnötig unter Druck zu setzen." Es sei aber klar, daß es der österreichischen Bevölkerung nicht zumutbar sei, "bis zum Sankt Nimmerleinstag zu warten", bis eine neue Regierung stehe.

Trotz dieses vorhandenen Zeitdruckes sei aber auch die Qualität der Gespräche von Bedeutung, man dürfe nichts überstürzen, erklärte der FPÖ-Chef. Über Personalfragen, betonte Haupt, werde erst ganz zum Schluß entschieden, wenn auch feststehe, welche Ressorts zukünftig von freiheitlichen Ministern geführt werden. "Zuerst wird über die Substanz des Regierungsübereinkommens verhandelt, danach über die Kompetenzen und erst dann über die Verteilung der Ministerämter", sagte der FP-Chef.
     
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