Goldenes Verdienstzeichen für Nestor der Volksmusikforschung  

erstellt am
03 03. 03

S. Eisl überreichte Walter Deutsch hohe Landesauszeichnung und den Tobi-Reiser-Preis 2003
Salzburg (lk) - Der Nestor der österreichischen Volksmusikforschung, Prof. Walter Deutsch, wurde am Samstag (01. 03.) mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Salzburg und zugleich mit dem Tobi-Reiser-Preis 2003 ausgezeichnet. In Vertretung von Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger überreichte Volkskulturreferent Landesrat Sepp Eisl die hohe Landesauszeichnung und den mit 3.700 Euro dotierten Reiser-Preis 2003, der alljährlich vom Verein der Freunde des Salzburger Adventsingens für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Volkskultur verliehen wird. Walter Deutsch ist der nunmehr zwölfte Preisträger des 1992 gestifteten Preises. Er erhält die Auszeichnung für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Volksmusikforschung, -dokumentation und -pflege während der vergangenen 40 Jahre.

Walter Deutschs Notenbearbeitungen und Liedvertonungen wurden – über seine Schriften sowie über Radio und Fernsehen – für viele Menschen vorbildlich. Er hat Sprachgrenzen überwunden und Brücken geschlagen. Tradition und Innovation waren ihm stets gleichwertige Anliegen und in ihrer Verbindung sinnvoll, sagte Volkskulturreferent Landesrat Sepp Eisl bei der Überreichung der Auszeichnungen. In seiner Arbeit für das Österreichische Volksmusikwerk erweiterte Deutsch frühere Sammlungsansätze. Er hat alles gesammelt, was tatsächlich gesungen und musiziert wurde und wird – sei es „traditionell", „wertvoll" oder auch „nur" typisch für eine Bevölkerungsgruppe. Damit habe Deutsch den Umgang der Menschen mit ihrer Musik, die Rolle von prägenden Persönlichkeiten und Strömungen und natürlich die Orte und Anlässe des Musizierens in die österreichische Forschung aufgenommen. Er vertrat stets beide Hauptanliegen des Volksliedwerkes: Die Wissenschaft und Pflege. „Eine Aufgabe, die nicht nur einen umfassend gebildeten, sondern auch einen diplomatischen, offenen Menschen verlangte, der Herzen gewinnen konnte. Genau dafür war Walter Deutsch der richtige Mann. Er, der Musische und Intellektuelle, verstand es immer wieder klare, zukunftsträchtige Konzepte mit so viel Witz und Charme vorzutragen", so Eisl.

Volksmusikforschung an Unis etabliert
Als Gründer und Leiter des Instituts für Volksmusikforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien war ihm die Etablierung des Faches auf universitärer Ebene in Österreich gelungen. Damit wurde gleichzeitig ein wesentlicher volkskundlicher Anschauungswechsel im Bereich Volksmusikforschung in Österreich vollzogen. Nun handelte es sich nicht mehr ausschließlich um die Weitergabe eines aus der Romantik stammenden Genres durch begabte Lehrer, sondern nun konnte die Erforschung einer bestimmten, vor allem sozial geprägten Kategorie von Musik und ihrer Bedingungen beginnen. Im Sammeln des in der Bevölkerung vorhandenen Musikgutes, in der Frage nach den Wechselbeziehungen zu den Kompositionen der Künstler/innen ebenso wie in der Biografie und Tradierungsforschung habe sich Walter Deutsch große Verdienste erworben.

Floimair: Verdienste um das Erbe von Tobi Reiser sen.
Zuvor erinnerte der Obmann des Vereins der Freunde des Salzburger Adventsingens, Dr. Roland Floimair, in seiner Begrüßungsansprache an seine erste persönliche Begegnung mit Walter Deutsch beim VII. Salzburger Landessymposion zum Thema Volksmusik, bei dem es der Preisträger schaffte, 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Singen zu verleiten. Floimair konnte Deutsch auch dafür gewinnen, jeweils die Laudationes bei den Preisverleihungen der vergangenen Reiser-Preise zu halten, die für die rund 250 Gäste und Anhänger der Volkskultur jährlich zu einem Erlebnis geworden seien. Deutsch ist auch Mitglied der Jury, die jeweils den Reiser-Preis-Träger bestimmt. Er hat sich auch verdienstvoll um den Nachlass von Tobi Reiser sen. gekümmert und diesen aufgearbeitet. Das Produkt daraus ist, das vom Verein herausgegebene Buch mit dem Titel „Tobi Reiser. 1907 bis 1974".

Vereinsobmann Floimair zitierte u. a. folgenden Satz von Walter Deutsch: „In einer Welt industrieller Normen, in der das Modische durch penetrante Multiplikatoren unseren Instinkt schwächt, in einer solchen Welt erscheint Vielen Volksmusik als ein absurdes Relikt vergangener Epochen". Dieser gefährlichen Einstellung mit seiner Autorität, mit seinem Fachwissen und seiner Begeisterung erfolgreich entgegen getreten zu sein, sei der größte Verdienst von Walter Deutsch, so Floimair.

Eberle: Unerreichter Kenner der Volksmusik
Auf Deutschs mehr als 40 Jahre währendes fruchtbares Schaffen und Wirken für die Volksmusik ging Regierungspräsident a.D. Reinhold Eberle in seiner Laudatio im Detail ein: „Keiner kann besser loben, wenn es um Volksmusikalisches geht, als Walter Deutsch. Weitum ist niemand, der aus so reichem Wissen um Melodien, Instrumente, musikalische und volkskundliche Zusammenhänge und persönlicher Kenntnis von Sängern und Musikanten, Weiberleut wie Mannerleut, schöpfen kann wie Walter Deutsch. Keiner, der bei angeborener Musikalität, gelerntem Spiel auf vielen Instrumenten und studierter Musikwissenschaft in österreichischen Landen so aufmerksam hingehört und gewissenhaft aufgeschrieben, systematisch geordnet, auf Tonträger aufgenommen hat, wie Walter Deutsch. Niemand, der das Erlauschte und Erforschte so wirksam wie er – statt es in Bücherschränke zu verbannen – unter die Leute gebracht hat, in Noten, Worten, in Schrift und Druck, mit Rundfunk und Fernsehen, viele aufhorchen lassend, viele begeisternd. Und wenn’s ans Loben geht: keiner, der bis ins Detail genaue Kenntnis und treffsichere Bewertung mit so viel gewinnendem Charme und sprühendem Temperament vorzutragen wüsste wie Walter Deutsch."

Volksmusik als Lebenswerk
Walter Deutsch ist 29. April 1923 in Bozen geboren. Bereits sein Großvater war Kapellmeister und sein Vater Mitglied einer Militärkapelle und Orchesterleiter. Nach ersten Studien am Seminar für Musikerziehung in Innsbruck setzte er seine Ausbildung nach Krieg und Gefangenschaft in Innsbruck und danach an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien fort. Deutsch arbeitete für das Österreichische Volksliedwerk, die Wiener Singgemeinschaft und die Wiener Volksoper und erhielt bald den Förderpreis der Stadt Wien für Komposition. Es folgte ein Lehrauftrag für Musikalische Volkskunde in der Abteilung Musikerziehung der Akademie für Musik und darstellende Kunst. 1965 wurde in der Akademie (bzw. später Hochschule) ein Institut für Volksliedforschung eingerichtet, mit dessen Leitung Deutsch betraut wurde und das er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1991 zu großen Erfolgen führte. Sein Werk umfasst mehrere 100 wissenschaftliche Schriften, Vorträge und Medienbeiträge. Unter seiner Federführung erscheint seit 1993 die „Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich" („Corpus Musicae Popularis Austriacae"), die 15 Bände umfasst.

Walter Deutsch hat in seiner wissenschaftlichen Arbeit weit über die österreichischen Kirchtürme hinausgeschaut und hinausgewirkt. Besonderen Wert legte er stets darauf, seine Kenntnisse auch der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. So war er unter anderem sieben Jahre lang Volksmusikreferent des Landesstudios Niederösterreich des ORF und gestaltete die Fernsehserie „Fein sein, beinander bleibm". Auch nach seiner Emeritierung legte er die Hände nicht in den Schoß, sondern übernahm auf sieben Jahre die Präsidentschaft des Österreichischen Volksliedwerkes, dessen Ehrenpräsident er bis heute ist.

Der Tobi-Reiser-Preis wird vom Verein der Freunde des Salzburger Adventsingens seit dem Jahr 1992 vergeben. Es handelt sich dabei um den ersten in Österreich privat vergebenen Preis für eine volkskulturelle Leistung. Bisherige Preisträger sind der bayerische Liedpfleger Wastl Fanderl, der Pongauer Viergesang, Anton Mooslechner und Matthias Häusler, Philipp Meikl, Charly Rabanser und m2 Kulturexpress, Prof. Wilhelm Keller, Konrad Schlegl, der Süd-tiroler Volkskulturexperte Franz Kofler, der Mundartdichter Max Faistauer, die Geschwister Eisl aus Abersee und die Kulturinitiativen Ramingstein unter Federführung des Bürgermeisters Hans Bogensberger. Die Preisverleihung findet jedes Jahr im Kaisersaal der Salzburger Residenz, dem Ort des ersten Salzburger Adventsingens, statt. Den Preisträger ausgewählt hat eine Jury unter dem Vorsitz von Vereinsobmann Chefredakteur Dr. Roland Floimair, der Regierungspräsident von Oberbayern a.D. Raimund Eberle, die Generalsekretärin des Österreichischen Volksliedwerkes Mag. Maria Walcher, der Schriftsteller Walter Müller, der Geschäftsführer des Salzburger Heimatwerkes Hans Köhl und der Preisträger des Jahres 2002, Bürgermeister Hans Bogensberger, angehörten. 
 
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