Marcel Prawy in Wien verstorben  

erstellt am
25 02. 03

Wien (wr. staatsoper) - Prof. Dr. Marcel Prawy, Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, ist am Sonntag (23. 02.) am frühen Nachmittag im 92. Lebensjahr in Wien gestorben. Marcel Prawy war jahrzehntelag der Wiener Staatsoper eng verbunden. Die erste Begegnung von Marcel Prawy, der am 29. Dezember 1911 in Wien als Marcell Frydmann Ritter von Prawi geboren wurde, mit der Wiener Staatsoper geht auf das Jahr 1922 zurück. Damals besuchte er erstmals eine Aufführung im Haus am Ring: Cornelius' DER BARBIER VON BAGDAD, gekoppelt mit Strauss' Ballett JOSEPHSLEGENDE. Von der Saison 1926/27 an besuchte er die Wiener Staatsoper fast täglich am Stehplatz. Damals sowie in den folgenden Saisonen fanden viele Wiener Erstaufführungen statt, die Marcel Prawy nachhaltig geprägt haben, unter anderem Puccinis TURANDOT (Oktober 1926), Verdis MACHT DES SCHICKSALS in der deutschen Übersetzung von Franz Werfel (November 1926), Strauss' INTERMEZZO (Jänner 1927), Hindemiths CARDILLAC (März 1927), Korngolds DAS WUNDER DER HELIANE (Oktober 1927), Kreneks JONNY SPIELT AUF (Dezember 1927), Strauss' DIE ÄGYPTISCHE HELENA (Juni 1928) und Bergs WOZZECK (März 1930). Besondere Verehrung brachte Marcel Prawy der Sopranistin Maria Jeritza und dem Tenor Jan Kiepura entgegen, der ihn 1936 als Sekretär engagierte. Der Kontakt war in den Rosenhügelstudios zustandegekommen, wo die Dreharbeiten zu dem Film "Opernring" stattfanden, in dem Jan Kiepura mitwirkte. Marcel Prawy war damals Assistent des Regisseurs Carmine Gallone und in dieser Funktion für die Überstellung von Teilen der TURANDOT-Inszenierung der Wiener Staatsoper in das Filmstudio verantwortlich. Es war dies die erste Tätigkeit, die Marcel Prawy in Zusammenhang mit der Wiener Staatsoper durchführte und auch die erste Verfilmung einer Staatsopernvorstellung.

Die Zeit der Nazi-Herrschaft verbrachte Marcel Prawy in den USA. Nach dem Krieg kehrte er als U.S. Kulturoffizier in seine Heimat zurück, wo er sich bald für das Musical stark machte. Zunächst im Kosmos-Theater in der Siebensterngasse, später als Chefdramaturg der Wiener Volksoper produzierte er erstmals auf dem Kontinent Musicals. Schon während seiner Zeit als Chefdramaturg der Volksoper war er auch für die Wiener Staatsoper tätig. So erfand er das werkgebundene Programmheft, das die bis dahin üblichen Wochenvorschauen ablöste, in denen ein Zettel mit der jeweils aktuellen Abendbesetzung eingelegt wurde. Und schon 1970, anläßlich der MACBETH-Premiere der Staatsoper, hat er seine erste Einführungsmatinee, damals allerdings noch außerhalb der Staatsoper, veranstaltet. 1969 erschien im Molden-Verlag Marcel Prawys Buch "Die Wiener Staatsoper", das auch in mehrere Sprachen übersetzt wurde und bis heute als Standardwerk über die Geschichte des Hauses am Ring gilt. 1972 wurde Marcel Prawy von Direktor Rudolf Gamsjäger (1972 bis 1976) als Chefdramaturg an die Wiener Staatsoper berufen. Zu seinen ersten Aktivitäten gehörte, mit Carlos Kleiber, der 1973 eine Neueinstudierung von TRISTAN UND ISOLDE dirigierte, die Vertragsbedingungen auszuhandeln.

Unter Direktor Seefehlner (1976 bis 1982, sowie 1984 bis 1986) wurden die Einführungsmatineen in der Wiener Staatsoper zu einer bis heute bestehenden Einrichtung. Die erste veranstaltete Marcel Prawy im Oktober 1976 anläßlich der Premiere von Berlioz' DIE TROJANER. Seine Lesungen von Operntexten durch namhafte Schauspieler begannen in der Staatsoper und fanden später im Volkstheater statt.

Erstmals auf dem Kontinent produzierte Marcel Prawy Musicals seines Freundes Leonard Bernstein. An der Volksoper brachte er 1956 zunächst dessen WONDERFUL TOWN, 1968 schließlich die WEST SIDE STORY heraus. An der Wiener Staatsoper leitete Marcel Prawy die Produktion von zweien seiner Bühnenwerke. 1981 hatte MASS Premiere, in Prawys deutscher Übersetzung. Und 1986 fand die Uraufführung der Neufassung von A QUIET PLACE statt. Bernstein, der nie eigene Bühnenwerke dirigiert hatte, stand selbst am Pult des ORF-Symphonieorchester, das die hauseigenen Musiker ersetzte, die sich damals auf einer Japan-Tournee der Wiener Staatsoper befanden.

Als Chefdramaturg begleitete Marcel Prawy die Wiener Staatsoper auch auf fast allen Auslandstourneen, bei denen er an verschiedenen Universitäten Vorträge über das Haus am Ring hielt. In Wien selbst wirkte er an Engagements zahlreicher Sänger, wie z. B. Franco Bonisolli, Julia Migenes und Marilyn Zschau mit, außerdem arbeitete er eng mit verschiedenen Regisseuren zusammen, besonders mit Franco Zeffirelli. Neben seiner populären TV-Serie "Opernführer" gestaltete Marcel Prawy zahlreiche andere große TV-Produktionen, von denen mehrere die Wiener Staatsoper zum Thema hatten: etwa "Hundert Jahre Wiener Oper" (1969), "Das Haus am Ring" (1977), "Unsere Staatsoper im Dritten Reich" (1988), "125 Jahre Wiener Staatsoper" (1994).


Trauer um Marcel Prawy bei den St. Margarethner Opernfestspielen
Tiefe Trauer und große Bestürzung nach dem Tod des "Opernführers der Nation", der den Opernfestspielen St. Margarethen nicht nur als Mentor und Bewunderer sondern auch als Freund und Mitwirkender, sehr eng verbunden war. Seine allabendlichen Einführungen vor jeder Vorstellung waren bereits legendär.

Die Mitarbeiter der Opernfestspiele und vor allem Intendant Wolfgang Werner trauern um den allseits beliebten Opernführer: "Er war einer der ganz großen Menschen, der es Verstand den Besuchern die Oper mit seiner liebevollen und charmanten Art näher zu bringen, wie es kein anderer konnte. Ich verliere einen Freund, den ich nicht nur als großen Künstler bewundert habe, sondern ich verliere mit Marcel Prawy auch einen väterlichen Freund, dem ich innigst im tiefen Herzen verbunden war. Wir werden ihn ewig in Erinnerung halten. Er hat mit den Opernfestspielen in St. Margarethen viele Freunde im Burgenland gewonnen."

Ersatz für beliebten Einführungsvorträge von Marcel Prawy wird es keinen geben.

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