WTO und Agrarreform erhöhen Druck auf EU-Milcherzeuger   

erstellt am
16. 04. 03

ZMP-Sonderdruck "Milchmarkt in Osteuropa" erschienen
Berlin/Bonn (aiz.info) - Die Auswirkungen der Vorschläge zur EU-Agrarreform, die Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO-Verhandlungen und die Folgen der EU-Erweiterung für den europäischen Milchmarkt wurden auf dem 9. internationalen Milchforum der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) Ende März in Berlin diskutiert. Die wichtigsten Referate bei dieser Tagung zum Thema "Milchmarkt Osteuropa" wurden in einem Sonderband zusammengefasst, den die ZMP soeben publiziert hat.
Grundsätzlich sei es schwierig, die Entwicklung der Milchmärkte nach dem Jahr 2004 einigermaßen verlässlich abzuschätzen, da zurzeit viele Vorschläge auf dem Tisch lägen, diese aber noch nicht beschlossen seien, waren sich die Experten einig. Dies gelte sowohl für die Vorschläge zur Agrarreform als auch für die WTO-Verhandlungen. Daher wies Helmut Stadler, Referatsleiter für internationale Beziehungen in der EU-Generaldirektion Landwirtschaft, in seinem Referat darauf hin, dass seine Ausführungen seine persönlichen Schlussfolgerungen seien.

EU soll bei WTO-Verhandlungen keine einseitigen Zugeständnisse machen
In der EU wird laut Stadler der Druck auf die Agrarwirtschaft weiter zunehmen. So habe die EU eine Mitverantwortung für den Handel auf der Welt. Dazu gehöre nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch andere Wirtschaftszweige, so dass man sich nicht wegen des Sektors Landwirtschaft isolieren könne. Allerdings halte er den Zeitpunkt für gekommen, an dem die EU den Verhandlungspartnern in der WTO nicht länger einseitig immer weiter entgegenkomme; in Zukunft müssten alle handelsverzerrenden Instrumente der Agrarpolitik zusammen auf den Tisch, betonte er. Klar sei für ihn dennoch, dass die Agrarpreise innerhalb der EU deutlich zurückgehen müssten, damit beim notwendigen Abbau von interner Stützung, Außenschutz und Exportunterstützung die Märkte der EU nicht mit Waren von internationalen Anbietern überschwemmt werden.

Preissenkung mit 4 Cent Ausgleich

Hermann Versteijlen, Referatsleiter Milch und Milchprodukte in der EU-Generaldirektion Landwirtschaft, meinte, die Kommission müsse die Stützungssysteme für den Milchmarkt soweit abbauen, dass die Absicherung des Milchpreises über die Interventionsverwertungen Butter und Magermilchpulver etwa ab dem Jahr 2008 noch bei etwa 22,5 Cent je kg Milch liege. Zum Erlös hinzuzurechnen sei der Ausgleich von etwa 4 Cent je kg für die Preissenkung, so dass die Milcherzeuger mit einer Absicherung von rund 26,5 Cent je kg Standardmilch rechnen können. Allerdings erwarte die Kommission, dass die tatsächlichen Erlöse etwas über diesem Wert liegen werden, weil der Anteil der Milch, der über höhere Werterschöpfungsketten wie beispielsweise Käse und andere Milchprodukte verkauft werden kann, wächst. Diese Berechnungen basieren laut Versteijlen auf den Kommissions-Vorschlägen zur Agrarreform.

Das Absenken des Preisniveaus innerhalb der EU sei auch deshalb notwendig, weil durch die Agenda 2000-Beschlüsse und die neuen Vorschläge die Überschüsse am Milchmarkt steigen würden. Die Kommission geht davon aus, dass mittelfristig gut 2 Mio. t mehr Milch auf dem europäischen Markt produziert werden, die nicht ohne weiteres auf dem Binnenmarkt unterzubringen sind und deswegen exportiert werden müssen. Dieser Export koste jedoch bei einem zu hohen EU-Preisniveau mehr Geld, als für die Exportsubventionen ausgegeben werden dürften. Folglich würde die EU weitere Anteil am Weltmilchmarkt verlieren.

EU hat Anteile am Weltmarkt verloren
Im Jahr 2002 habe der Anteil der jetzigen EU-Mitgliedsstaaten am Welthandel mit Milch und Milchprodukten mit gut 10 Mio. t exportiertem Milchäquivalent nur noch 26% betragen, 1985 habe er noch bei 43% gelegen. Vor allem Neuseeland und Australien hätten Marktanteile gewonnen und würden zusammen heute schon rund 40% des Welthandels stellen, so Versteijlen. Wenn die EU in Zukunft am Weltmarkt wieder eine stärkere Rolle spielen wolle, sei eine Absenkung des innergemeinschaftlichen Preisniveaus notwendig.

Markstützung verliert an Wirkung
Erhard Richarts, Abteilungsleiter Milch und Milchprodukte der ZMP, sieht ebenfalls einen erheblichen Druck auf den europäischen Milchmarkt zukommen. Dazu würden insbesondere der erweiterte Marktzugang bei gleichzeitig sinkenden Zöllen sowie die geringeren Exporterstattungen beitragen. Dieser Druck werde durch den Nachfragezuwachs am größeren EU-Markt nur wenig gemildert. Richarts sieht durchaus Wachstumspotenzial in den Beitrittsländern, doch ist er skeptisch, dass dieses Wachstum ausreichend sei, um zusätzliche Milchmengen und Importe aufzunehmen.

Darüber hinaus dürfte die Intervention nicht ausreichen, um die Märkte so zu stützen wie bisher. Insbesondere die zusätzliche Begrenzung der Butterintervention auf 30.000 t im Jahr werde zusätzlichen Druck bringen, meinte er. Daher dürften nach seiner Einschätzung die Milcherzeugerpreise im Gegensatz zur Prognose der EU-Kommission kaum über dem Stützungsniveau liegen, welches sich aus den Interventionsverwertungen ergibt. Weiters dürften die Preise auch in Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen sehr viel stärker schwanken als bisher.

EU-Erweiterung bringt neue Marktchancen
Nur gut organisierte, wachstumswillige Betriebe seien in der Lage, zu einem Milchpreis von 26 Cent pro kg inklusive der Kompensation für die Preissenkung zu produzieren, erklärte Otto-Dietrich Steensen, Landwirt und Präsident des Verbandes der Deutschen Milchwirtschaft. Die EU-Erweiterung werde sicherlich eine Erweiterung des Marktes bedeuten und gerade für deutsche Milchprodukte mit ihren hohen Qualitätsstandards gute Marktchancen eröffnen.

Ähnlich argumentierte Prof. Hannes Weindlmaier von der Technischen Universität in München. Er zeigte sich hinsichtlich der Marktchancen für deutsche Molkereien in den Beitrittsländern Osteuropas sehr optimistisch. So ergebe sich allein auf Grund der zugeteilten Quoten und des Verbrauchs dieser Länder schon für das Jahr 2004 ein Einfuhrbedarf von etwas mehr als 1 Mio. t Milchäquivalent. Darüber hinaus werde auf Grund der erwarteten Einkommenssteigerungen ein jährliches Wachstum des Verbrauchs von 1,5 bis 4% prognostiziert. Nur ein Teil davon werde über zusätzliche Milchquoten in den neuen Ländern abgedeckt werden können, betonte Weindlmaier.

Sonderdruck beleuchtet osteuropäischen Milchmarkt
Der soeben erschienene 48-seitige Sonderdruck zum ZMP-Milchforum mit dem Titel "Milchmarkt Osteuropa - Prognosen, Chancen, Preise" behandelt die Beschlüsse zur EU-Erweiterung, die Entwicklung der osteuropäischen Milchwirtschaft, die EU-Agrarreform sowie die Chancen der deutschen Milchindustrie in Osteuropa. Eine Übersicht mit Kennzahlen zur Milchwirtschaft in den Beitrittsländern rundet das Bild ab. Der Sonderdruck kann bei der ZMP GmbH, Marktberichtstelle 10439 Berlin, Stavanger Str. 21, Tel.: 0049-30/44 67 98-25, E-Mail: service@zmp.de, zum Preis von EUR 27,28 (für Bezieher außerhalb Deutschlands) bestellt werden.
     
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