Chemische Industrie kämpft mit schleppender Konjunktur  

erstellt am
30. 04. 03

Knappes Umsatzplus durch Pharmazuwachs - Exporte stützen das Geschäft
Wien (halik) - Mit einem Umsatzzuwachs von 2,1 %, bei einem Produktionswert von 9,1 Milliarden Euro verlief die Konjunktur für Österreichs chemische Industrie 2002 weiterhin gebremst. "Die gedämpfte Stimmung auf den meisten Exportmärkten, insbesondere auch in Deutschland, und ein schwacher Inlandsmarkt machten den Chemiebetrieben zu schaffen", erklärte der Obmann des Fachverbandes der chemischen Industrie, Dr. Wolfgang Frank, anlässlich einer Pressekonferenz in Wien.

Dazu kam der erstarkte Euro, der Exportbemühungen in Drittländer bremste. Im Inland war die Industrie bei konsumnahen Produkten mit gesättigten Märkten konfrontiert. Die Bauzulieferer litten unter der flauen Entwicklung sowohl beim Hoch- als auch beim Tiefbau, und wichtige industrielle Abnehmer wiesen einen schwachen Geschäftsgang auf.

Das Plus von 2,1 % wurde primär im Export erzielt und hier nahezu ausschließlich durch Pharmaausfuhren. "Ohne Pharma wäre 2002 ein ähnlich schlechtes Jahr wie 2001 gewesen. Wir hätten ein Minus von rund 1 % hinnehmen müssen", erläuterte Frank.

Chemische Erzeugnisse versus Kautschuk- und Kunststoffwaren
Die chemische Industrie teile sich naturgemäß in zwei große Gruppierungen: chemische Erzeugnisse im engeren Sinn sowie Kautschuk- und Kunststoffwaren, die sich 2002 unterschiedlich entwickelten.

Die Kautschuk- und Kunststoffwaren setzten ab Mitte 2001 zu einer Talfahrt an, die sich auch 2002 fortsetzte. Insgesamt verzeichnete dieser Bereich ein Minus von 2,5 Prozent. Gründe dafür sind die schwache Baukonjunktur, die Schließung der österreichischen Reifenproduktion und die Nachfrageschwäche wichtiger Abnehmerbranchen, die aber in den letzten Monaten wieder geringer geworden ist.

Die Chemikalienproduktion, die besonders sensibel auf Konjunkturzyklen reagiert, hatte seit Mitte 2000 ein abnehmendes Wachstum zu verzeichen, schloss 2001 mit einem Minus und erzielte erst ab Mitte 2002 wieder Zuwachsraten. Insgesamt erwirtschaftete die klassische Chemie ein Plus von 4,8 %, das aber nahezu nur auf die positive Entwicklung bei Arzneispezialitäten (+ 37,9 %) zurückzuführen ist, die im Wesentlichen in die USA und nach Westeuropa exportiert wurden.

Entwicklung der Sparten
Der Spitzenreiter pharmazeutische Industrie legte insgesamt um 21,7 % (Arzneimittel und Grundstoffe) zu. Lediglich der heimische Markt entwickelt sich durch bürokratische Genehmigungsverfahren und die im Europaschnitt niedrigen Medikamentenpreise für diese Sparte weiter schwach.

Die Faserindustrie profitierte von einer guten Nachfrage aus Südostasien und steigerte die Produktion und Ausfuhren jeweils um 10,1 Prozent. Die Märkte in Europa und in den USA entwickelten sich eher verhalten. Insgesamt liegt die Exportquote bei Chemiefasern bei 80 Prozent.

Der Absatz an Chemikalien legte um 1,2 % zu. Organika verzeichnen seit Jahren einen kontinuierlichen Zuwachs und stiegen 2002 um 7,5 Prozent. Anorganika hingegen waren weiterhin rückläufig.

Unter hohen Vormaterialkosten litt die Lackindustrie und verzeichnete einen Umsatzrückgang von 2,7 Prozent. Auch für heuer rechnet die Sparte mit einer gedämpften Nachfrage, nachdem praktisch in allen Kundenkreisen Marktschwäche zu konstatieren ist.

Bei den Agrochemikalien war bei Düngern eine starke Exportnachfrage festzustellen, während die Pflanzenschutzmittelproduktion rückläufig war. Die Branche befürchtet einen weiteren Einbruch für 2003.

Die Waschmittel- und Kosmetikindustrie erzielte ihre Umsatzzuwächse auf den Exportmärkten, vor allem Mittel- und Osteuropa sind wichtige Abnehmer für die Branche geworden. In Österreich agiert man dagegen auf wenig aufnahmefähigen Märkten, die nur durch Innovationen stimuliert werden können. Dazu kommt ein enormer Preisdruck aufgrund des Wettbewerbs mit den Eigenmarken des Handels.

Ein geringfügiges Plus von 1 % erreichte die kunststoffverarbeitende Industrie. Besonders die Kunststoffbauprodukte litten unter der rückläufigen Baukonjunktur. Der Verpackungsmarkt stagnierte, während Halbzeug aus Kunststoff sich leicht positiv entwickelte. Die Kunststoffbranche hatte im 1. Halbjahr 2002 mit deutlichen Rohstoffpreiserhöhungen zu kämpfen, die die Margen stark unter Druck setzten. Auch jetzt ist wieder ein Anstieg der Rohstoffpreise zu verzeichnen. Spiegelbildlich zur Kunststoffverarbeitung ist das Ergebnis der kunststofferzeugenden Industrie: Einem starken 1. Halbjahr 2002 folgte eine flaue zweite Jahreshälfte.

2002 wurden 17 % weniger Kautschukwaren hergestellt. Hauptgrund dafür war der Ausfall der Reifenproduktion bei Semperit Reifen. Die anderen Kautschukverarbeiter meldeten eine positive Entwicklung.

Weiterhin Exportzuwächse
Die mit einer Exportquote von rund 70 Prozent stark ausfuhrorientierte chemische Industrie konnte 2002 einen Anstieg der Exporte von 9,1 % verzeichnen. Wichtigster Abnehmer war - trotz anhaltender Schwächephase der Konjunktur - Deutschland mit fast einem Viertel der Exporte. Die Ausfuhren in unser Nachbarland stiegen um 6 Prozent. Erfreulich entwickelte sich der Export in die USA, der um die Hälfte ausgeweitet werden konnte. Die Nachfrage aus den mittel-/osteuropäischen Staaten stieg mit einem Plus von 9 % ebenfalls kräftig an. Ungarn, Tschechien gefolgt von Polen, Russland und Slowenien sind hier die wichtigsten Handelspartner. Die Ausfuhren in die EU nahmen ebenfalls um 4,6 % zu.

Der österreichische Markt ist weiterhin wenig attraktiv. Die Einfuhren stiegen lediglich um 2,7 Prozent. Trotz der großen Ausfuhrdynamik ist Österreich aber immer noch ein Nettoimportland bei Chemikalien. Ausfuhren von 9 Milliarden stehen Importe von 10 Milliarden Euro gegenüber.

Spitzenreiter bei Investitionen
Die Investitionen der chemischen Industrie stiegen im Jahr 2002 wieder kräftig an. Insgesamt wurden knapp 730 Millionen Euro investiert, das entspricht einem Plus von 13,4 % gegenüber 2001. Die chemische Industrie tätigt damit rund 15 % aller Industrieinvestitionen und liegt weiterhin im Spitzenfeld der österreichischen Industriesparten. Auch für heuer wird ein weiterer Anstieg des Investitionsvolumens erwartet, vor allem im Biotech-Bereich, der sich äußerst dynamisch entwickelt.

Im Jahr 2002 waren in der chemischen Industrie in Österreich rund 41.800 Mitarbeiter beschäftigt, was einem Minus von 1,9 % gegenüber 2001 entspricht.

Ausblick: Erholung in Sicht
"Obwohl wir für die Zukunft grundsätzlich positiv gestimmt sind, ist eine Prognose für 2003 äußerst schwierig", betonte Frank. Es gäbe einerseits Besorgnis aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten - insbesondere die Wirtschaft Deutschlands kommt nicht in Schwung - sowie des Anstiegs bei den Rohstoffpreisen. Andererseits gäbe es doch Anzeichen für eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivität bei einigen Abnehmern.

Auch die Inlandsnachfrage hat im Verlauf der letzten Quartale ein höheres Niveau erreicht. Insgesamt erwartet der Fachverband, dass nach den Jahren der Stagnation die Konjunktur wieder anspringen wird. "Da die Chemie immer am Beginn eines Konjunkturzyklus steht, rechnen wir mit einem Produktionswachstum von plus 5 % für das Jahr 2003", so Frank.
     
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