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Ein Österreicher im Reich der Mitte
Buchpräsentation zu Leben und Werk Jakob Rosenfelds im Hohen Haus
Wien (pk) - Im Beisein von Nationalratspräsident Heinz Fischer stellten Bundesratspräsidentin Uta Barbara Pühringer, Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach und der Botschafter der Volksrepublik China Lu Yonghua am Dienstag (25. 06.) ein vom anerkannten Sinologen Gerd Kaminski ediertes Buch über das Leben des Exilösterreichers Jakob Rosenfeld, der es in China zum General und Minister brachte, vor. An der Buchpräsentation nahm ein ebenso zahlreiches wie prominentes Publikum teil.

Präsidentin Pühringer wies eingangs darauf hin, dass Jakob Rosenfeld auch zu ihrem Bundesland einen Bezug aufweise, existiere doch eine Patenschaft zwischen Oberösterreich und der Provinz Shandong, in welcher Rosenfeld lange gewirkt habe. Als diese Patenschaft seinerzeit unter der Patronanz von Bundespräsident Klestil unterzeichnet wurde, habe man bewusst auf Rosenfeld als Leitfigur und Vorbild für die Freundschaft zwischen der VR China und Österreich hingewiesen.

Es seien Menschen wie Rosenfeld, der unter Einsatz des eigenen Lebens zehntausenden Menschen das Leben gerettet habe, die dauernde Brücken der Freundschaft bauten, oder, wie es ein chinesisches Sprichwort sage: Die eine Generation pflanze die Bäume, die nächste wandle darunter. Rosenfeld war einer, der die Bäume gepflanzt habe, wovon die heutige Generation profitiere, so Pühringer, die die Edition seines Tagebuchs ebenso würdigte wie das Wirken Rosenfelds.

Vizepräsidentin Haselbach ging vor allem auf Rosenfelds Wirken in der Provinz Shandong ein, wo er, obwohl er die Provinz bereits 1945 verlassen hatte, in Gesprächen immer noch präsent sei. Sein verdienstvolles Tun stosse in einem Land, das ihm Heimat bot und ihn vor Verfolgung schützte, nach wie vor auf positive Resonanz. Rosenfeld habe nach dem Zweiten Weltkrieg österreichischer Botschafter in Peking werden wollen, nun sei er zu einem besonderen Botschafter geworden, dessen Andenken beiden Völkern ein Anliegen sei.

Die Herausgabe von Rosenfelds Tagebüchern schlage nun eine weitere Freundschaftsbrücke zwischen Österreich und China, eine weitere werde 2003 aus Anlass seines 100. Geburtstages in Peking entstehen, wo eine Ausstellung im Historischen Museum zu sehen sein werde. Das von Gerd Kaminski edierte Buch werde diese Freundschaft weiter vertiefen, schloss Haselbach.

Botschafter Lu berichtete als geborener "Shandonger" von dem großen Ansehen, welches Rosenfeld in seiner Heimatprovinz immer noch geniesse. "Seine exzellenten medizinischen Leistungen verhalfen zahlreichen Menschen zu einem zweiten Leben", betonte der Botschafter, der darauf hinwies, dass die VR China Rosenfeld u.a. durch ein Denkmal und ein nach ihm benanntes Spital in der Provinz Shandong ehre. Kaminskis Edition stelle, so Lu, einen weiteren Beitrag zur Vertiefung der Freundschaft der beiden Länder dar, er wünsche ihr daher eine rege Aufnahme.

Beschlossen wurde die Veranstaltung mit einem Vortrag von Hugo Portisch, der sich mit der historischen Dimension des Lebens und Wirkens von Jakob Rosenfeld auseinandersetzte.

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Dadao Hitler, dadao Jiangjieshi
Jakob Rosenfeld, dessen Tagebücher den zentralen Teil dieses Buches ausmachen, wurde am 11. Januar 1903 in Lemberg als Sohn eines K&K-Offiziers geboren, der an diesem Aussenposten der Monarchie im 7. Ulanenregiment seinen Dienst versah. 1910 übersiedelte die Familie ins niederösterreichische Wöllersdorf, wo sie ob eines mütterlichen Erbteils einen Bauernhof hatten erwerben können. Rosenfeld ging in Wiener Neustadt zur Schule und begann 1921 Medizin zu studieren. Sein Vater, durch den Zusammenbruch der Monarchie aus seiner Armeelaufbahn gerissen, eröffnete kurz zuvor in Wien eine Hutmacherfabrik, die der Familie ein gutes Auskommen garantiert.

Rosenfeld promoviert 1928 und holt sich in Spitälern wie der Rudolfstiftung eine mehr als adäquates Rüstzeug für seinen zukünftigen Beruf. 1934 ist er bereits ein angesehener Arzt, dessen neueröffnete Praxis in der Wiener Innenstadt sich regen Zulaufs erfreut. Wiewohl die Rosenfelds politisch der Sozialdemokratie nahestehen, bleiben sie vom "Ständestaat" unbehelligt. Doch das "Dritte Reich" wirft seinen Schatten schon drohend auf das kleine Österreich. Rosenfeld wird immer wieder Zeuge antisemitischer Exzesse und ahnt daher, was ihm bevorsteht, als im März 1938 die Deutsche Wehrmacht Österreich überfällt. Er versucht aus seiner Wohnung in der Wiener Innenstadt zu flüchten, wird aber von der Gestapo beim Verlassen seines Wohnhauses verhaftet.

Rosenfeld landet in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald, wo er sich durch besondere Standhaftigkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber seinen Mitgefangenen auszeichnet. Zahlreiche Häftlinge verdanken dem begnadeten Chirurgen ihr Leben, nimmt er doch unter Lebensgefahr zahlreiche illegale Operationen vor und besorgt immer wieder die nötigen Medikamente. Die Nazis, die Rosenfeld nicht brechen können, entlassen ihn schliesslich im Herbst 1939 aus dem KZ unter der Auflage, binnen 14 Tagen den Kontinent zu verlassen.

Eher zufällig landet Rosenfeld so auf einem Klipper nach Shanghai, die erstbeste Möglichkeit, aus dem Machtbereich Hitlers zu flüchten. In der chinesischen Metropole gibt es bereits eine umtriebige österreichische Kolonie, sodass der Neuankömmling vorerst kein Heimweh zu leiden braucht. Er eröffnet in bester Shanghaier Lage eine neue Arztpraxis und besucht abends Wiener Cafés, so vor allem das von Hans Jabloner geleitete "Fiaker", wo Rosenfeld sein geliebtes Gulyas und seine Leibspeise Paprikahuhn authentisch geniessen kann. Zu den Gästen des "Fiaker" zählt übrigens auch die Witwe Sun Yatsens, die sich dort für Ente mit Rotkraut erwärmt.


Nach den schrecklichen Erlebnissen 1938/39 zeigt Rosenfelds Lebenslinie wieder steil nach oben. Er ist bald der Liebling der chinesischen Heilsuchenden, da seine Medizin die chinesische vortrefflich ergänzt. Er verdient dementsprechend hervorragend und ist auf dem besten Wege, ein ebenso arriviertes wie wohlbestalltes Mitglied der Shanghaier Gesellschaft zu werden.

Doch Rosenfeld hat das eigene Leiden nicht vergessen und entschliesst sich dazu, Reichtum und Wohlstand zu entsagen, um anderen Menschen Leiden zu ersparen. 1941 nimmt er ein Angebot Shen Qishens an, in den von der KPCh kontrollierten Gebieten für eine ansprechende medizinische Hilfe zu sorgen. Der Job ist ebenso brotlos wie gefährlich, doch Rosenfelds Idealismus führt ihn in die Reihen der Volksbefreiungsarmee Mao Tse Tungs, in der Shen als Gesundheitsminister amtiert. Die Chinesen nehmen Rosenfeld, der anfänglich kaum ein Wort Chinesisch spricht und sich nur via Dolmetscher verständigen kann, begeistert auf und nennen ihn "Luo Daifu", was eine Übertragung von "Dr. Rosenfeld" ins Chinesische darstellt. Gemeinsam ist ihnen der Kampf gegen den Faschismus, weshalb die Parole auch "Dadao Hitler, dadao Jiangjieshi" (Nieder mit Hitler, nieder mit Tschiang Kai Scheck) lautet.

An dieser Stelle, im Frühjahr 1941, setzt Rosenfelds Tagebuch ein, in dem er minutiös und genau die Kämpfe der Mao-Truppen gegen die japanischen Militärs und ihre chinesischen Kollaboranten schildert und sich als ebenso guter Beobachter wie lebendiger Erzähler erweist. Er berichtet von den Mühsalen im Feld, aber auch von gelehrigen Konversationen und porträtiert führende Funktionäre wie den späteren chinesischen Staatspräsidenten Liu Shaochi, dem nachmaligen langjährigen Shanghaier Bürgermeister Chen Yi oder Maos "Kronprinz" Lin Piao, mit denen er regelmässigen Umgang hatte. Rosenfelds Schriften sind aber auch eine unschätzbare soziologische und ethnologische Quelle, die Leben und Gebräuche in China darlegen und ein bedeutendes Zeugnis über die Verhältnisse in jenen Jahren darstellen. Das Tagebuch Rosenfelds, der im Zuge dieser Jahre zum General der Volksarmee und zum Gesundheitsminister der Armee aufsteigt, endet mit dem 1. Oktober 1949, da Mao Tse Tung am Platz des himmlischen Friedens die Volksrepublik proklamiert.  

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Rosenfeld erlebt diesen Tag als Höhepunkt seines bisherigen Lebens, doch kann er nicht länger verleugnen, dass seine Gesundheit völlig zerrüttet ist. Zu Jahresbeginn 1950 fährt er daher zurück nach Wien, in der Hoffnung, hier seine Krankheit kurieren zu können. Doch das Wien des Jahres 1950 ist ein anderes als jenes, das er 1939 verliess. Rosenfeld hat hier kaum mehr Bekannte, auch ist sein Gesundheitszustand in der von den Kriegsfolgen immer noch zerstörten Stadt nicht zu verbessern. Rosenfeld will zurück nach China und nimmt dabei den Weg über Israel, wo er im Sommer 1951 eintrifft. Seine Rück-, nein Heimkehr nach China verzögert sich unerwarteterweise, da die neuen Behörden Ressentiments gegen den ehemaligen Kombattienten hegen. Rosenfeld nutzt die Zeit der unfreiwilligen Musse, um wieder in seinem angestammten Beruf tätig zu werden. Er beginnt in einem Spital in Tel Aviv zu arbeiten und wartet auf sein Einreisevisum in die VR China. Endlich, Anfang 1952, gibt es positive Signale, aber noch ehe Rosenfeld sich wieder auf den Weg machen kann, erliegt er am 22. April 1952 einem Herzinfarkt. Er wird in Tel Aviv begraben.

50 Jahre nach seinem Tod sind seine Verdienste in aller Welt anerkannt. Chinesen, Österreicher und Israelis gedenken des einzigartigen Mediziners, Denkmäler in allen drei Staaten zeugen von seinem Wirken. Nun wurde ihm durch das ebenso sorgsam wie einfühlsam und bewegend gestaltete Buch Gerd Kaminskis ein weiteres Denkmal gesetzt.


Gerd Kaminskis verdienstvolles Werk ist unter dem Titel "Ich kannte sie alle - Das Tagebuch des chinesischen Generals Jakob Rosenfeld" im Löcker-Verlag erschienen, umfasst 230 Seiten und ist zum Preis von 22 Euro im Buchhandel erhältlich. 

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