Sozialpolitik – Pensionsreform  

erstellt am
11. 06. 03

 Schüssel: Österreich wird vor und nach der Reform das beste Pensions- und Gesundheitssystem haben
Bundeskanzler präsentiert nochmals Eckpunkte der Pensionssicherungsreform
Wien (övp-pk) - Was wir heute vorlegen, ist ein Bündel von Maßnahmen, das aus meiner Überzeugung absolut notwendig und wichtig ist, sagte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel an Dienstag (10. 06.) in seiner Rede bei der Debatte über das Budgetbegleitgesetz 2003 im Nationalrat. Nichts von dem, was beschlossen werde, sei neu, sondern in der Substanz mehrfach besprochen worden. In vielen Bereichen sei auch ein Teilkonsens erzielt worden.

Während der dreimonatigen Regierungsverhandlungen habe er, Schüssel, das Gefühl gehabt, dass bei allen Parteien großes Verständnis für die Notwendigkeit von Strukturreformen bestehe. Es gehe nun nicht nur um zwei Budgets, sondern auch um eine ganze Reihe struktureller und wirtschaftbelebender Maßnahmen, die von vielen Rednern aller Fraktionen gefordert worden seien. Der Bundeskanzler verwies in seiner Rede auf die zwei schon in Kraft befindlichen Konjunkturbelebungsprogramme, die helfen würden, die Wirtschaft einigermaßen in Gang zu halten und auf den großen Schwerpunkt, den diese Regierung für Familien und Kinder gesetzt habe. Es gebe mit allen Parteien einen großen Konsens, dass die Themen "Familien, Kinder und Konsumstärkung" große Bedeutung und Priorität besitzen. Schüssel verwies auf die Schaffung eines 18monatigen Weiterbildungsprogrammes für 5.000 arbeitslose Jugendliche zwischen 19 und 24 Jahren, das eine abgeschlossene Qualifizierung bringe. "Rechtzeitig handeln ist die Devise dieser Regierung", so der Bundeskanzler.

Schüssel führte zudem den von 10 auf 15 Prozent erhöhten Forschungsfreibetrag im Konjunkturbelebungsprogramm und die alternative Prämie von fünf Prozent an. Das Budget beinhalte auch einen Anstieg der Forschungen im nächsten Jahr. 600 Millionen Euro würden in dieser Legislaturperiode von der öffentlichen Hand in die Forschungsinvestitionen einfließen. Zusätzlich soll eine von der Nationalbank finanzierte Forschungsstiftung geschaffen werden.

Diese Regierung habe im Budgetbegleitgesetz erstmals im Bereich der Mineralölbesteuerung für Diesel und Benzin klare ökologische Schwerpunkt gesetzt. "Es ist wichtig, dass damit auch die Ökologisierung außer Streit gestellt wird und sich dies im Budget widerspiegelt."

Hinsichtlich der Abfangjäger verwies Schüssel darauf, dass der Schutz des österreichischen Luftraums "absolut notwendig" sei. "Es ist wichtig, dass wir zu unserem Heer und zur Exekutive in allen Facetten stehen." Er sei sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung ein glaubhaftes, von uns allen unterstütztes Bundesheer will. Dazu gehöre auch eine österreichische Luftwaffe, also Flugzeuge, die in einem Krisenfall eingesetzt können und den österreichischen souveränen Luftraum bewachen. Schon Bruno Kreisky habe in einer schwierigen Zeit den Mut gehabt, für die Landesverteidigung in allen Facetten einzutreten.

In den Budgetgesetzen und im Budgetbegleitgesetz habe man auch mit der Forderung ernst gemacht, die Lohnnebenkosten zu reduzieren. Gerade für ältere und junge Menschen seien die Lohnnebenkosten auf ein minimales Maß reduziert worden. Für über 60jährige seien diese um zwölf Prozent reduziert. "Damit fällt jede Ausrede von Unternehmern, ältere Mitarbeiter sind zu teuer." Es müsse allerdings auch evaluiert werden, ob diese Maßnahme greife.

Hinsichtlich der Pensionssicherungsreform umriss der Bundeskanzler nochmals die Eckpunkte:

  • In bestehende Pensionen wird nicht eingegriffen.
  • Wer jetzt schon in Pension gehen könnte, aber lieber länger arbeiten möchte, kann dies ohne Nachteile durch die Reform auch tun.
  • Die Altersteilzeit wird verlängert, in manchen Bereichen verbessert.
  • Für Kinder und Familien sei ein Durchbruch geschafft worden, hob Schüssel die zwei Jahre pensionsbegründende Zeiten, die Herausnahme von drei Jahren aus der Durchrechnung pro Kind, die vier Jahre Ersatzzeiten pro Kind und die Aufwertung hervor.
  • "Wir haben langfristige Maßnahmen gesetzt, damit dem Vertrauensschutz Rechnung getragen wird. Wir haben den Übergangszeitraum, in dem die Frühpensionen auslaufen, auf 14 Jahre gestreckt. Der Übergangszeitraum für die Durchrechnung beträgt 25 Jahre. Wer heute noch von Überfall oder Pensionsraub spricht, der meint es mit der Pensionssicherungsreform nicht ernst", sagte der Bundeskanzler.

Die Kosten der heutigen Frühpensionen seien gewaltig, verwies der Kanzler auf eine Berechnung des Pensionsexperten Bernd Marin. Pro Versichertem koste die Frühpensionierung 150 Euro im Monat . Nehme man ein durchschnittliches Einkommen und davon den Dienstnehmerbeitrag an, dann bedeute dies, dass die Hälfte der Sozialversicherung eines Aktivbeschäftigen nur für die Frühpensionskosten aufgehe.

"Österreich wird vor und nach der Reform das beste Pensions- und Gesundheitssystem haben. Lassen Sie bitte freie Abgeordnete auch frei entscheiden. Es darf nicht sein, dass Druck auf Unternehmer/-innen ausgeübt wird", appellierte der Bundeskanzler abschließend an die Abgeordneten.


 

 Gusenbauer: Pensionsreform ist nur eine einseitige Pensionskürzung
Volksabstimmung über Pensionsreform gefordert - über 400.000 Unterschriften für Volksabstimmung vorgelegt
Wien (sk) - "Die nun von der Bundesregierung vorgelegte Pensionsreform ist keine, sondern sie stellt nur eine einseitige Pensionskürzung dar, daher wird sie von der Bevölkerung abgelehnt", unterstrich SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Dienstag (10. 06.) in seiner Rede im Nationalrat. Gusenbauer forderte daher die Regierung auf, die Pensionsreform einer Volksabstimmung zu unterziehen, da die Regierung ohnedies der Meinung sei, die Reform sei sozial gerecht. Um diese Forderung zu unterstreichen, legten während der Rede Gusenbauers die Abgeordneten der SPÖ Pakete mit über 400.000 Unterschriften vor das Rednerpult des Nationalrates, die mittels der Bürgerinitiative für eine sozial gerechte Pensionsreform und eine Volksabstimmung darüber gesammelt wurden.

Gusenbauer wies weiters darauf hin, dass es in der Bevölkerung eine große Bereitschaft für eine Pensionsreform gebe, wenn diese die Pensionen langfristig sichert, wenn sie gerecht, fair und finanzierbar ist und den Lebensstandard sichert. Der nun vorliegende Regierungsentwurf schafft aber die Frühpensionen nach langer Versicherungszeit ab, sie kürzt jenen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, die Pension um zehn bis 12 Prozent, und alle unter 40-jährigen werden um 30 Prozent weniger bekommen als bisher, kritisierte Gusenbauer. "Und Sie greifen wider allen Beteuerungen in bestehende Pensionen ein, da es für Pensionen über 650 Euro keinen Wertausgleich geben soll, sondern nur Abschlagzahlungen. Damit werden die Pensionen entwertet", warf der SPÖ-Vorsitzende Bundeskanzler Schüssel vor.

Außerdem gebe es entgegen der Versprechungen von Seiten der Regierung keine Dauerregelungen für Nachtschicht- und Schwerarbeiter. Auch in der zweiten und dritten Säule der Pensionsversicherung gebe es massive Eingriffe, da die Mindestzinsgarantie bei Pensionskassen reduziert wurde. Dadurch werden 400.000 Menschen, die in Pensionskassen einzahlen, die Pensionseinkommen gekürzt, so Gusenbauer. "Die erste Säule wird gekürzt, die zweite Säule wird geschwächt", fasste der SPÖ-Chef die Regierungspolitik zusammen. Wie "sozial ausgewogen" die Pensionsreform der Regierung sei, sehe man auch daran, dass sie nicht davor zurückscheut, in bestehende Pensionen ab 650 Euro einzugreifen, aber einen Solidarbeitrag von hohen und höchsten Pensionen ablehnt, kritisierte Gusenbauer.

"Wäre man sozial fair vorgegangen, dann hätte man kleine Pensionen mit einem Wertausgleich erhöht und höchste Pensionen für ein gerechtes System herangezogen. Das wäre bedeutend fairer gewesen", so der SPÖ-Chef. Die Regierung habe aber hingegen mit einer "Trägerrakete" bei den Politikerpensionen operiert, die nichts anderes gewesen sei als die Neueinführung von Frühpensionen für Politiker. Erst nach massivem Widerstand der Opposition und der Bevölkerung habe die Regierung den Solidarbeitrag für Politiker eingeführt, unterstrich Gusenbauer.

Der wesentliche Teil zur Pensionsgerechtigkeit, die Harmonisierung, werde weiter auf die lange Bank geschoben. "Außer müden Absichtserklärungen liegt nichts am Tisch des Hohen Hauses. Solange die Pensionssysteme nicht harmonisiert sind, wird es keine Pensionsgerechtigkeit geben", unterstrich Gusenbauer.

Geld für Abfangjägerkauf kommt gänzlich aus dem Budget
Ziel der Pensionskürzungen sei es, im Jahr 2006 eine "massive Menge Geld" für das Budget zu bekommen. Es stelle sich nun die Frage, wofür dieses Geld verwendet werde - "der Beitrag des Bundes für die Pensionen im Vergleich zum Volkseinkommen wird bis zum Jahr 2006 jedenfalls nicht steigen", so Gusenbauer. Tatsache sei, dass im Wahlkampf von der ÖVP versprochen worden sei, dass das Geld für die Abfangjäger nicht aus dem Budget kommt - das sei nun aber der Fall -, dass es eine Wirtschaftsplattform geben soll - diese gebe es nicht -, dass Flugzeuge zur Flugraumüberwachung nicht geleast werden können - das sei aber nun zwischen 2005 und 2007 doch möglich. "Während Deutschland überlegt, das Eurofighter-Projekt zu stoppen, kauft die österreichische Regierung die teuersten und unausgereiftesten Abfangjäger."

Der SPÖ-Vorsitzende sprach auch den ehemaligen Verteidigungsminister Scheibner und die FPÖ direkt an: "Was ist aus ihrem Plakat 'Abfangjäger-Ankauf gestoppt' geworden? Was ist von Ihren Wahlversprechen geblieben? Wieviel Licht soll Ihrer Meinung nach in die ganze Sache überhaupt kommen?" Hier gehe es um das Verschweigen und Vertuschen von "unter Umständen vermuteten Unregelmäßigkeiten beim Ankauf der Abfangjäger"; zumindest der Prüfungsbericht des Rechnungshofes hätte abgewartet werden können.

Bundeskanzler Schüssel habe vergangene Woche erst darauf hingewiesen, dass seit den 80er Jahren eine tiefgreifende Pensionsreform gefordert wurde. Gusenbauer machte in seiner Rede darauf aufmerksam, dass die letzte Pensionsreform im Jahr 2000 durchgeführt wurde, und Kanzler Schüssel habe damals versichert, diese Reform werde die Pensionen auf Jahrzehnte sichern. "Die aktuelle Debatte zeigt, dass das, was laut Schüssel Jahrzehnte gelten soll, nur drei Jahre gehalten hat", so Gusenbauer. Das selbe gelte für Aussagen von Ministerin Rauch-Kallat, die noch als Generalsekretärin der ÖVP im vergangenen Herbst versprach, dass es in dieser Legislaturperiode keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters nach langer Versicherungszeiten geben werde. "Rauch-Kallats Versprechen halten nicht einmal wenige Monate", kritiserte der SPÖ-Chef.

"Offensichtlich ist es bei Ihnen so, dass alles, was vor der Wahl gesagt wird, am Tag nach der Wahl nicht mehr zählt", so Gusenbauer, der in diesem Zusammenhang die ursprünglich versprochene Zweckwidmung der Tabaksteuer für das Gesundheitssystem, die nun aber wieder abgeschafft werde, ansprach. "Unsere Krankenversicherung und unser Gesundheitssystem wird in eine schwere Finanzkrise geführt", so der SPÖ-Vorsitzende.

Solidarische Versicherungsgemeinschaft wird zerstört
Das Vorhaben der Regierung, Selbstbehalte ab 2005 einzuführen, bedeute, dass genau jene Menschen, die schon durch die Pensionskürzungen belastet werden, 2005 ein zweites Mal schwer getroffen werden. Es handle sich um einen "dramatischen Einschnitt in unser Sozialsystem", die solidarische Versicherungsgemeinschaft werde zerstört, das Risiko werde individualisiert - "das ist der falsche Weg".

"Ich mache Ihnen, Herr Bundeskanzler, aber einen solidarischen Vorschlag: Wenn Sie von Ihrer Pensionsreform so überzeugt sind, unterziehen Sie diese doch einer Volksabstimmung, die von über 400.000 Menschen in einer Bürgerinitiative gefordert wird und überlassen Sie das letzte Wort der Bevölkerung!", erklärte Gusenbauer. In Richtung FPÖ erklärte der SPÖ-Klubobmann außerdem: "Ich verstehe die Aufregung in den Reihen der FPÖ. Die FPÖ sagte über Monate, dass am Ende eine Volksabstimmung stehen muss. Über 400.000 fordern diese nun. Morgen ist die Stunde der Wahrheit - steht die FPÖ auf der Seite der Bevölkerung oder fällt sie liegend um. Diese Entscheidung wird Ihnen niemand abnehmen." Abschließend betonte Gusenbauer: "Lassen wir die Qualität der Argumente sprechen, zeigen Sie, dass Sie bereit sind, sich der Bevölkerung zu stellen."

 

 Partik-Pable: Keine Alternative, als diese große Pensionsreform in Angriff zu nehmen
Sozialdemokraten trifft Hauptverantwortung, dass tiefgreifende Reform notwendig geworden ist
Wien (fpd) - Die freiheitliche Klubobmannstellvertreterin Abg. Dr. Helene Partik-Pable hat im Zuge der Plenardebatte am Dienstag (10. 06.) zu den Budgetbegleitgesetzen die Pensionspläne der Regierung verteidigt: "Es hat keine Alternative gegeben, als diese große Pensionsreform in Angriff zu nehmen". Angesichts der getroffenen Übergangsregelungen werde auch niemand überraschend von den Maßnahmen getroffen. "Hören Sie auf zu verunsichern, legen Sie konstruktive Vorschläge auf den Tisch, wenn nicht, nehmen Sie zur Kenntnis, dass diese Regierung Verantwortung für die Zukunft trägt", appellierte Partik-Pable an Opposition und Gewerkschaft. "Wir haben, als wir in Opposition waren, immer Gegenkonzepte, eine bessere Lösung als die zur Regierung, vorgelegt. Wir haben niemals die Sachlichkeit außer Acht gelassen. Von Ihnen hört man nicht ein einziges sachliches Argument."

Die Sozialdemokraten treffe die Hauptverantwortung, dass nunmehr eine tiefgreifende Reform notwendig geworden sei. Die SPÖ habe es jahrzehntelang verabsäumt, entscheidende Reformschritte zu unternehmen. "Schon als sich herausgestellt hat, daß das Pensionssystem nicht mehr langfristig finanzierbar ist, haben Sie nicht gehandelt."

Daß die SPÖ auch derzeit nicht bereit sei, mitzuarbeiten, wertete Partik-Pable als Indiz dafür, dass es ihr nicht um die Sicherung der Pensionen, sondern ausschließlich darum gehe, politisches Kleingeld zu schaffen. "Der dahinvegetierende ÖGB, als Vorfeldorganisation der SPÖ, hat jetzt die Chance gesehen, endlich einmal eine Aktion gegen die Regierung zu starten."

Partik-Pable erinnerte daran, dass der ehemalige SP-Klubobmann Wille bereits 1986 eine Harmonisierung der Pensionsrechte gefordert habe. "Jetzt stellt sich Klubobmann Gusenbauer her und sagt, es gibt nur einen müden Entschließungsantrag, in dem die Harmonisierung als Programm dieser Bundesregierung festgesetzt worden ist. Warum haben Sie nicht schon vor zwanzig Jahren, die Worte ihres Klubobmannes aufgenommen und eine Harmonisierung in die Wege geleitet. Sie hätten damals die politische Macht dazu gehabt", so Partik-Pable.

"Schon in der ersten Regierungserklärung mit der ÖVP haben wir uns schon zu wichtigen Reformschritten bekannt. Wir haben die Steuerreform mitinitiiert, wonach Einkommen unter 1000 Euro nicht mehr der Steuerpflicht unterliegen werden. Im Jahr 2003 werden die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe zum ersten Mal seit langem nicht mehr die 13. Umsatzsteuervorauszahlung bezahlen müssen; eingeführt worden unter sozialistischen Finanzministern", so Partik-Pable. "Es wird auch eine Erleichterung für Betriebe, die Gewinne machen, geben. Durch den halben Steuersatz, den es ab dem Jahr 2004 geben wird, wird es möglich sein, in einem größerem Ausmaß Eigenkapital zu bilden. Alles Maßnahmen, die auf das Konto der "blau-schwarze Regierung" gehen. Alles Maßnahmen, die die österreichische Bevölkerung goutieren und positiv zur Kenntnis nehmen wird, so Partik-Pable abschließend.

 

 Sozial unausgewogene Pensionskürzungen
Wien (grüne) - Hinsichtlich der Behandlung der Bereiche Pensionen und Gesundheit (Art. 74, 75 und 76) der Regierungsvorlage 59 d.B. (XXII. GP) - Budgetbegleitgesetz 2003 (jeweils Teil 1) verunmöglichten die prozeduralen Vorgaben der Mehrheitsfraktionen eine zielführende Debatte der Materie. Von dem Ziel getrieben, mit Geschwindigkeit das Aufkommen einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über das Pensionssystem der Zukunft zu verhindern oktroyierten die Mehrheitsfraktionen dem Nationalrat einen Zeitplan, der eine ausführliche Debatte sowie die Schaffung eines breiten gesellschaftlichen Konsenses verunmöglichte.

Über weitreichende Abänderungen der Regierungspläne auf Grund des Widerstandes der Sozialpartner, insbesondere des Gewerkschaftsbundes, sowie der massiven Proteste 100.000ender Menschen in Österreich konnten sich die gewählten VolksvertreterInnen ausschließlich aus Medien informieren, wobei sich deutlich von einander unterscheidende Aussagen von Regierungsmitgliedern wie auch Angehörigen der Mehrheitsfraktionen mehr zur Verwirrung als zur Schaffung von Klarheit beitrugen. Das Ausmaß der Diskussionsverweigerung von Regierung wie auch Mehrheitsfraktionen im Nationalrat wird deutlich dokumentiert durch einen am 4. Juni 2003 im Nationalrat beschlossenen Fristsetzungsantrag, der die Arbeit des Budgetausschusses auf den Zeitraum bis zum 6. Juni 2003 beschränkt. Der Fristsetzungsantrag wurde eingebracht zu einem Zeitpunkt, zu dem sehr weitreichende Änderungen der Bereiche Pensionen und Gesundheit (Art. 74 bis 76) der genannten Regierungsvorlage (jeweils Teil 1) noch nicht einmal bekannt waren und der Opposition nicht zugänglich waren. Die nunmehr an den Tag gelegte Eile beim Beschluss sehr weitreichender Änderungen im Pensionssystem ist sachlich nicht gerechtfertigt. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage räumt die Bundesregierung selbst ein, dass der Bundesbeitrag zur Finanzierung der Pensionen in den kommenden Jahren deutlich sinkt. Ein akutes Finanzierungsproblem ist daher vor allem bei den ASVG-Pensionen nicht zuerkennen. Umso befremdlicher ist es, dass die Bundesregierung eine breite öffentliche Diskussion über eine Pensionsreform verweigert und stattdessen Änderungen beschließen lassen will, die

  • sich im Wesentlichen auf den ASVG-Bereich beschränken, obwohl frühere Reformen in diesem Bereich offenkundig Wirkung zeigen und noch nicht einmal ihre volle Ausgestaltung erfahren haben.
  • eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Pensionssystem in Österreich nicht einmal andeuten und damit die aus den Regierungsplänen resultierenden Belastungen bei der großen Zahl der nach dem ASVG versicherten Menschen konzentrieren, während andere Versicherte - etwa PolitikerInnen - kaum mit Veränderungen zu rechen haben.
  • sowohl hinsichtlich des Vertrauensgrundsatzes als auch des Gleichbehandlungsgrundsatzes höchst bedenklich sind und folglich zu einer großen Zahl von Beschwerden und Verfahren vor den Höchstgerichten - kurz: zu Rechtsunsicherheit - führen werden.
  • ohne breite gesellschaftliche Diskussion und damit ohne breite gesellschaftliche Akzeptanz durchgezogen werden sollen und die Gefahr einer gesellschaftlichen wie politischen Polarisierung zur Folge haben.
  • eine nachhaltige Verschlechterung insbesondere für Frauen darstellen und damit die Ungerechtigkeit der Einkommensschere zwischen den Geschlechtern ins Alter hinein verschärft prolongiert.
  • die internationalen Verpflichtungen Österreichs zur Reduktion der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern widerspricht.
  • die zukünftige Generationen in unvergleichlicher Weise mit zu erwartenden Einkommenseinbußen von 40 und mehr Prozent aus System der sozialen Sicherung im Alter entfernt und Altersarmut damit in erschreckender Weise Vorschub leisten.


Die von Bundeskanzler Schüssel geführte Regierung hat somit einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der soziales und gesellschaftliches Konfliktpotential in einem in der Zweiten Republik bisher nicht gekannten Ausmaß erhöht. Sie hat die Bereitschaft der Sozialpartner zur Mitarbeit an einer breit diskutierten und akzeptieren Pensionsreform ausgeschlagen und die Kritik unzähliger Organisationen und Personen aus allen Bereichen der Gesellschaft als indiskutabel vom Tisch gewischt. Die Grünen treten für die Entwicklung eines Zukunftsmodells für das österreichische Pensionssystems unter Einbindung aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte ein, um eine breitestmögliche Zustimmung zu einer Pensionsreform zu erreichen. Dies kann nur über eine offene und breite gesellschaftliche Diskussion aller Vorschläge unter Einbeziehung der Erfahrungen aus ähnlichen Debatten in anderen Ländern erreicht werden.

Der Vorschlag der Grünen, die Bundesregierung möge dem Nationalrat bis zum 30. September 2003 eine gemeinsam mit den Sozialpartnern, den im Nationalrat vertretenen Parteien und mit der Sache befassten wie auch anderen interessierten Initiativen der Zivilgesellschaft wie etwa der Armutskonferenz erarbeitete und akkordierte Punktation über die Eckpunkte der zukünftigen Entwicklung des Pensionsrechts vorlegen, in der folgende Elemente enthalten sind:

  • die Absicherung des solidarischen Bundesanteils als Grundpfeiler der gesetzlichen Pensionsversicherung;
  • die Schaffung eines einheitlichen Pensionsversicherungssystems mit gleichen Beitragssätzen und einheitlichen Rahmenbedingungen für alle;
  • die Schaffung einer Grundsicherung für alle in Höhe des gegenwärtigen Ausgleichszulagen-Richtsatzes;
  • die Schaffung einer sich nach versicherungsmathemathischen Kriterien berechnenden Versicherungspension, die sich über Beiträge aus Erwerbsarbeit auf Umlagebasis finanziert;
  • eine einheitliche Deckelung der sich aus Grundsicherung und Versicherungspension aus Erwerbsarbeit zusammensetzenden gesetzlichen Pension für alle zukünftigen PensionistInnen;
  • die Festsetzung eines Stichtages, ab dem unter Mitnahme der jeweils bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Ansprüche aus der gesetzlichen Pensionsversicherung das neue System für alle gilt;
  • die faire Finanzierung der Beiträge für Ersatzzeiten (Betreuungszeiten, Zivil- oder Präsenzdienst, Zeiten der Arbeitslosigkeit) aus den jeweils sachlich zuständigen Budgets entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen, die für alle Versicherten gelten;
  • die Schaffung eines progressiven Pensionssicherungsbeitrages für jenen Anteil von aus öffentlichen Mitteln bzw. von öffentlich-rechtlichen Körperschaften finanzierten Pensionen, der über der ASVG-Höchstpension liegt;
  • die Abschaffung der Privilegien für AltpolitikerInnen; und in der Folge - nach Bestätigung der Punktation im Nationalrat - bis Jahresende 2003 einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten, wurde abgelehnt.
 
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