Wissenschaft in Europa
der Woche vom 23. 07. bis 29. 07. 2002

   
Dresdner Forscher verformen Holz
Einsatz als Baustoff in Erdbebengebieten
Dresden (pte) - Wissenschaftlern der TU-Dresden ist es gelungen, den Werkstoff Holz zu verformen. Forscher um Peer Haller vom Institut für Baukonstruktion und Holzbau der Fakultät Bauingenieurwesen der TU Dresden ermöglichten es, durch die Verdichtung der typischen Porenstruktur bei rund 150 Grad Celsius, kreisrunde Baumstämme ohne Verschnitt in Kanthölzer zu verwandeln.
Inzwischen kann dieser Prozess der Verdichtung auch wieder rückgängig gemacht werden. Dadurch wird Holz noch vielfältiger einsetzbar als bisher, so die Forscher. Belastbare Bauträger, die traditionell meist aus Stahl hergestellt wurden, können nun auf Grund der Verdichtungen auch aus Holz produziert werden, berichtet der Nachrichtendienst ddp. Dabei ist nach Angaben der Experten fast jeder gewünschte Querschnitt denkbar.
Die Bauingenieure um Haller entwickelten jetzt gemeinsam mit Wissenschaftlern des Instituts für Textil- und Bekleidungstechnik der Fakultät Maschinenwesen spezielle Textilverstärkungen, um Holz für das Bauwesen noch interessanter zu machen. Tests zeigten, dass die textilverstärkten Holzbauteile simulierten Erdbebenbeanspruchungen besser standhalten als Hölzer ohne jene textilen Verstärkungen. Als besonders leichter Baustoff könnte Holz damit in erdbebengefährdeten Regionen zum Baustoff der Wahl werden.

 
Opium-Missbrauch hat im Rheinland Tradition
Bonn (Alphagalileo) - Johann Wolfgang von Goethe sagt in seinen "Maximen und Reflektionen": „Es ist eine Forderung der Natur, dass der Mensch mitunter betäubt werde, ohne zu schlafen: daher der Genuß in Tabakrauchen, Branntweintrinken, Opiaten.“ Auch die Rheinländer waren dem Rausch mitunter nicht abgeneigt. Aachen wurde sogar zu einem Zentrum des Opium-Missbrauchs, nachdem die Stadt im 17. Jahrhundert zu einem führenden Kurort ausgebaut worden war und von wohlhabenden Patienten, die Opium vor allem als Betäubungsmittel schätzten, aufgesucht wurde.
Zu diesem Schluss kommt Dr. Gunther Hirschfelder, derzeit Lehrstuhlvertreter am Volkskundlichen Seminar der Universität Bonn, der die Kulturgeschichte der pflanzlichen Drogen in Europa untersucht hat.
„Opium war das stärkste verfügbare Rauschmittel der vorindustriellen Zeit“, erklärt Dr. Hirschfelder. Die aus dem alkaloidhaltigen Milchsaft der unreifen Schlafmohnkapseln gewonnene Droge spielte bereits in der griechisch-römischen Heilkunde eine bedeutende Rolle. Sie wurde als wirksamstes Schlaf- und Betäubungsmittel zunächst meist als Beimischung von Arzneimittelzubereitungen eingesetzt, aber wohl auch schon als Droge in unserem Sinn.
Unter den opiumhaltigen Zubereitungen spielte der seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert bekannte Theriak die wichtigste Rolle. Die Arznei konnte neben Opium und Schlangenfleisch verschiedene Würzkräuter, Wurzeln, Honig und Wein enthalten – bis zu 400 Zutaten wiesen die Mischungen auf. Theriak wurde ursprünglich als Gegengift eingesetzt. Andromachus, der Leibarzt des römischen Kaisers Nero, hatte es entwickelt. Einer der wichtigsten Handelsplätze für Theriak war Venedig, was nicht unwesentlich zum Reichtum der Kaufmannsstadt beitrug.
“Theriak bekam im ausgehenden Mittelalter in vielen urbanen Zentren den Ruf eines Allheil- und Wundermittels und sollte sogar gegen Syphilis und Pest helfen – auch in Köln und Umgebung“, so der Volkskundler. Seit dem 17. Jahrhundert gab es dann eine ganz neue Entwicklung: Opium wurde vom Medikament zur Modedroge. Daran war das aufstrebende europäische Kur- und Badewesen maßgeblich beteiligt. „Vor allem der Kurort Aachen machte zu dieser Zeit als Zentrum des Opiummissbrauchs im Rheinland von sich reden. Das wohlhabende internationale Badepublikum hatte den freizügigen Umgang mit Opiaten bereits im Ausland kennen gelernt; viele Kranke ließen sich zudem Opiate als Anästhetika verschreiben.“ Der hohe Preis des Importgutes schloss aber die große Mehrheit der Bevölkerung vom Opiumkonsum aus.
Der Anteil des Opiums ist aus den Quellen nicht zu ermitteln, so Dr. Hirschfelder. Der Volkskundler vermutet aber, dass in kostspieligeren Mischungen auch mehr Opium beigefügt war. „So liegt der Schluss nahe, dass reiche Rheinländer, die das Mittel regelmäßig zur Behandlung oder Prophylaxe einnahmen, unwissentlich in eine Drogenabhängigkeit gerieten, die zwar nicht diagnostiziert wurde, die aber alle unerwünschten Begleiterscheinungen einer Sucht aufwies.“
Die rheinische Drogenkultur der Vormoderne erlebte in der Franzosenzeit um 1800 ihren Höhepunkt. Als das Rheinland nach 1815 preußisch wurde, wurde das Opium wieder zum verschreibungspflichtigen Medikament, um am Jahrhundertende aber als gefährliches frei verkäufliches Derivat „Heroin“ zurückzukommen. Anders in England: Dort kam es durch Billigimporte aus den Kolonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer regelrechten Drogenepidemie.
Einzelheiten und viele Fallbeispiele beschreibt Hirschfelder in einem jüngst erschienenen Aufsatz sowie ab September in einer neuen Monographie.

 
Boeing erlangt deutsche Zulassung für Internet im Flugzeug
Connexion erhält Frequenzspektrum von der Regulierungsbehörde
Farnborough (pte) - Wie der Luftfahrtkonzern Boeing in einer Aussendung mitteilt, hat die deutsche Regulierungsbehörde ein Frequenzspektrum für das Internetzugangssystem Connexion by Boeing freigegeben. Mit der Lizenz erhält die Technologie die benötigte Bandbreite für ihre satellitengestützte Datenverbindung. Lufthansa wird als erste Fluggesellschaft der Welt ab Januar 2003 ihren Passagieren einen vollwertigen Breitband-Zugang im Flug anbieten. Der Konzern bewirbt zurzeit sein System bei der Luftfahrtmesse in Farnborough.
Die Lizenz der deutschen Regulierungsbehörde wird von Boeing als Meilenstein gesehen. Der Konzern muss das System in jedem einzelnen Land von den jeweils für die Zuteilung von Funkfrequenzen zuständigen Behörden genehmigen lassen. Für die Unterstützung des Zulassungsprozesses setzt Boeing eine eigens ausgestattete 737 als fliegendes Testlabor ein. Diese Testflüge stellen sicher, dass der Service in seinem zugewiesenen Spektrum arbeitet und keine Störungen bei anderen Frequenznutzern verursacht.
Kern der von Boeing entwickelten Technologie ist eine flache Spezialantenne mit elektronischer Strahlsteuerung auf dem Rücken des Flugzeuges. Da die Antenne nicht mechanisch gesteuert wird, reagiert sie verzögerungsfrei auf Lageänderungen des Flugzeugs und sorgt so für eine permanente Verbindung zum Satelliten. Die Deutsche Lufthansa wird als Erstkunde ihre gesamte Langstreckenflotte mit Connexion ausrüsten. Japan Airlines hat ebenfalls auf der Messe bekannt gegeben, mindestens zehn Boeing 747 ab Februar mit dem satellitengestützten Internetzugang auszustatten. In den USA ist das System bereits in Geschäfts- und Privatflugzeugen im Einsatz. Die US-Airlines halten sich allerdings noch zurück.

 
Aufgemalte Hautbilder enthalten gefährliche chemische Farbbeimengungen
München (pte) - Kurzzeitige Henna-Tatoos, so genannte Temptoos, bergen gefährliche Allergierisiken. Reines Henna wird von den meisten Menschen gut vertragen, aber die kurzzeitigen Hautbilder enthalten meist noch Paraphenylendiamin (PPD), einen schwarzer Farbstoff, der den Tätowierungen zusätzliche Farbe verleiht und für eine schnellere Trocknung des Bildes sorgt. Dieser Zusatzstoff kann lebenslange Allergien auslösen, berichtet Christoph Prinz von der Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum der Universität München.
"Als Haarfärbemittel ist PPD seit Jahrzehnten in Deutschland verboten und lediglich für bestimmte industrielle Zwecke in einer Konzentration bis zu sechs Prozent zugelassen", so der Mediziner. "Das dekorative Bemalen der Haut mit PPD-haltigen Farbstoffgemischen unterliegt der deutschen Kosmetikverordnung Produkte aus Nicht-EU-Ländern sind an diese Vorgaben aber nicht gebunden und enthalten oft erhebliche Mengen an PPD", so der Wissenschaftler.
Einige Tage nach Aufbringen der temporären Tätowierung kann es zu ersten Reaktionen wie Juckreiz, Rötungen, Knötchen und Bläschen kommen. Einige Patienten entwickeln darüber hinaus nässende, teilweise verkrustete Hautveränderungen innerhalb der tätowierten Zeichnung. In schweren Fällen sind sogar Beinödeme an Händen und Füßen diagnostiziert worden. Die Patienten klagen über ein eingeschränktes Allgemeinbefinden. Vereinzelt sind Reaktionen wie schmerzhafte, Tage anhaltende Schwellungen von Haut und Schleimhaut (Angioödeme), Nesselsucht (Urtikaria), Rhinitis oder auch Asthma bronchiale aufgetreten. In der Regel lassen sich die Beschwerden erfolgreich mit Kortikosteroiden und zusätzlicher Antihistamingabe behandeln.
Das Auftreten einer kontaktallergischen Dermatitis nach dem Aufmalen der Temptoos ist häufig zeitlich verzögert. Oft sind die Tatoos schon vollständig verblasst, wenn der Patient die ersten Beschwerden angibt. Eine einmal erworbene Allergie begleitet den Patienten häufig lebenslang und hat weitreichende Konsequenzen.

 
Bedrohen Gifte die menschliche Fortpflanzung?
Bonn (alphagalileo) - Schnecken vermännlichen, Frösche verweiblichen: Dass einige Umweltgifte den Hormonhaushalt von Tieren stören, ist inzwischen eindeutig nachgewiesen. Seit einigen Jahren mehren sich die Anzeichen, dass manche Substanzen auch das Hormonsystem des Menschen beeinflussen. Ein europaweites Forschungsprojekt unter Beteiligung der Universität Bonn untersucht die Effekte derartiger Umweltgifte auf Mensch und Tier. Besonderes Augenmerk gilt dabei etwaigen Auswirkungen auf den Sexualhormonhaushalt. Die EU fördert das Projekt „COMPRENDO“ mit knapp 4 Millionen Euro.
In COMPRENDO (comparative research on endocrine disrupters) kooperieren insgesamt 15 Arbeitsgruppen aus 8 europäischen Ländern. Professor Dr. Dietrich Klingmüller und Dr. Axel Alléra vom Bonner Institut für Klinische Biochemie, die das Großprojekt mitinitiiert haben, koordinieren die Untersuchungen, die sich mit dem Menschen bzw. menschlichem Gewebe befassen.
Tierexperimentell konnte bereits eindeutig gezeigt werden, dass bestimmte Umweltgifte zu schwersten Störungen führen können. So führen Tributylzinn und das Pilzgift Triphenylzinn bei Schnecken zu einer Vermännlichung – und das bereits bei Konzentrationen von 1,5 milliardstel Gramm pro Liter Wasser. Tributylzinn kommt zum Beispiel im Schutzanstrich von Schiffen vor und verhindert dort den Bewuchs mit Algen oder Muscheln; es ist aber auch in Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs wie Textilien, Frischhaltefolien, Farben, Schuhputzmitteln oder Windeln enthalten.
Auch beim Menschen mehren sich die alarmierenden Beobachtungen: Die Samenproduktion des Mannes geht seit Jahrzehnten erheblich zurück, Brust- und Hodenkrebs häufen sich, und neuere amerikanische Studien zeigen, dass Hypospadien, Missbildungen der Genitalien, ebenfalls häufiger werden. Über die Ursachen weiß man bislang noch wenig – eine Lücke, die COMPRENDO schließen helfen möchte.
Substanzen aus der Umwelt können das Hormonsystem stören, indem sie wie Hormone wirken oder indem sie den Auf- und Abbau der Hormone stören. Professor Klingmüller: „Unsere Arbeitsgruppe konnte bereits zeigen, dass bestimmte Schlüsselenzyme des menschlichen Hormonstoffwechsels durch Umweltgifte erheblich in ihrer Aktivität beeinflusst werden können. Das kann möglicherweise auch die genannten Schäden hervorrufen.“