Italienischer Ratsvorsitz: Tätigkeitsprogramm  

erstellt am
03. 07. 03

Erklärung des amtierenden Ratsvorsitzenden - Tätigkeitsprogramm des italienischen Ratsvorsitzes
Erklärung des Rates: Der Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft, Ministerpräsident Silvio BERLUSCONI, erklärte, Italien werde in der verfassungsgebenden Phase Europas seine Verantwortung tragen. Das heutige Europa sei ein großes Europa, es habe einen langen Weg hinter sich und vieles sei in der Vergangenheit erreicht worden. Man brauche nun neue Ziele. Die bürokratische Lähmung Europas müsse überwunden werden. Man müsse die bestehenden Unterschiede ausnutzen, einen großen Sprung nach vorne machen und die Politiken integrieren. "Ein großes Europa braucht große Institutionen." Europa müsse ein aktiver Protagonist auf der Weltbühne werden.

Italien werde bei den anstehenden konstitutionellen Reformen eine Vermittlerrolle spielen. Man müsse versuchen, einen mutigen Konsens zu finden, beispielsweise was die Mehrheitsentscheidungen und die GASP angehe. Italien werde sich bemühen, die entgegengesetzten Meinungen zu vereinen, es werde jedoch keine neue Diskussion des Verfassungsentwurfs geben. Die Regierungskonferenz solle sich nur noch auf kontroverse Punkte konzentrieren. Man werde versuchen, bis Dezember eine Übereinkunft zu erzielen. Das EP werde in die Arbeiten der Regierungskonferenz einbezogen werden. Er werde darum ersuchen, Präsident Cox ständig an den Arbeiten der Regierungschefs zu beteiligen. Er werde selbst dem Parlament berichten. Man wolle sich an die Zeitvorgaben halten und vor dem Beitritt und vor den Wahlen den neuen Verfassungsvertrag in Rom unterzeichnen.

Neben der konstitutionellen Reform müsse jedoch auch die Wirtschaftskraft Europas gestärkt werden. Die italienische Ratspräsidentschaft werde das Jahresprogramm der Griechen fortführen, welches u. a. folgende Punkte beinhaltet: Modernisierung der Landwirtschaft, Umweltschutz, Verbraucherschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Zu einer effizienteren Unterstützung der Wirtschaft bedürfe es einer Steigerung der Investitionen, beispielsweise im Bereich der transeuropäischen Netze und der Forschung. Weitere Herausforderung sei die Nachhaltigkeit der Renten- und Pensionssysteme, ein Problem angesichts der Überalterung der Gesellschaft. Man wolle auch das Unternehmertum fördern und Arbeitsplätze insbesondere in KMU schaffen. Hierbei werde man den Dialog mit den Sozialpartnern fördern. Im Europäischen Jahr der Behinderten wolle man die Grundlage für eine Gesetzgebung gegen die Diskriminierung von Behinderten schaffen.

Die EU sei auch ein Faktor der internationalen Stabilität. Man werde die Tätigkeiten der vorangegangenen Ratspräsidentschaften fortführen. Die Beitrittsländer würden vollständig an der Regierungskonferenz beteiligt, für Bulgarien und Rumänien solle es bis Dezember eine "Road Map" geben und man werde die Vorbeitrittsstrategie der Türkei gegenüber festlegen. Für die Balkan-Länder müsse es eine europäische Perspektive geben, engere Beziehungen mit der Ukraine, Weißrussland und Moldawien sowie ein stärkerer Dialog mit der Russischen Föderation würden angestrebt. Der Dialog zwischen Europa und den Mittelmeerstaaten werde angekurbelt, man wolle die Finanzfazilitäten ausbauen und eine Mittelmeerbank schaffen. Man strebe solide und ausgewogene Beziehungen mit den USA an. Ein starker transatlantischer Dialog stehe nicht im Widerspruch zu einem starken europäischen Engagement. Das Engagement Europas im Verteidigungsbereich müsse im Einklang mit der NATO stehen. Weitere Ziele seien die Schaffung einer demokratischen Ordnung im Irak und die Umsetzung der "Road Map" für den Nahen Osten. Veränderungen werde es auch in den Beziehungen der EU zu Lateinamerika geben. Die Beziehungen zu Afrika und Asien müssten verbessert werden. Man strebe eine integrierte Verwaltung der Außengrenzen an. Das Thema der illegalen Einwanderung müsse behandelt werden. Hier sei eine intensive Zusammenarbeit mit den Nachbarländern nötig. Auch sollten die legalen Einwanderer stärker integriert werden. Europol müsse gestärkt werden.

Die Herausforderungen seien heikel und komplex. Italien werde versuchen, einen Beitrag zu den Lösungen zu leisten. Der europäische Integrationsprozess sei wichtig für Sicherheit und Wohlstand. Die italienische Ratspräsidentschaft werde versuchen, dem großen Riesen Europa etwas von seiner ursprünglichen Dynamik zurückzugeben.

Erklärung der Kommission:
Kommissionspräsident Romano PRODI unterstrich, dass die italienische Präsidentschaft zu einem wichtigen Zeitpunkt beginne. Die Revision der Verfassung sowie die Regierungskonferenz seien wichtige Meilensteine der Reform Europas. Vieles habe man bereits erreicht: Integration der Charta der Grundrechte, Schaffung der Rechtspersönlichkeit der Union, Neudefinition der EU-Befugnisse und transparente Politiken. Im September werde die Kommission Stellung zur Regierungskonferenz beziehen und auf die Probleme hinweisen: Ausbau der qualifizierten Mehrheit, Begrenzung der Einstimmigkeit, Zusammensetzung der Kommission, Effizienz der Euro-Politiken, Revisionsklausel und entscheidende Schritte in der Außenpolitik seien nur einige Punkte auf der Kommissionsliste.

Weiterhin setze sich die Kommission dafür ein, Nachbarschaftsstrategien zu entwickeln, um die Erweiterung vorzubereiten. Dazu gehöre auch die Entwicklung von Partnerschaften mit den Balkanstaaten. Er hoffe, dass unter der italienischen Präsidentschaft der Ausbau eines "Rings von Freunden" die entsprechende Aufmerksamkeit finden werde. Für den Mittelmeerraum erhoffe er die baldige Schaffung einer Europa-Mittelmeer-Bank sowie einer Stiftung für den Kulturbereich.

Die transatlantischen Beziehungen gelte es neu und positiv zu definieren. Häufig seien die Ziele gleich aber die Methoden unterschiedlich. So wolle zum Beispiel die Union die ärmsten Länder im Bereich der Welthandelspolitik begünstigen. Hier könne die Union mit einer Stimme sprechen und entscheidende Fortschritte machen.

Das Wirtschaftswachstum gelte es zu fördern und die Sozialsysteme zu überprüfen. Die Instrumente der Wirtschafts- und Sozialpolitik müssten an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. So setze sich die Kommission dafür ein, den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibel zu gestalten und an den Belangen einzelner Staaten auszurichten; jedoch solle das 3%-Limit unverändert bleiben. Es werde weniger in die Forschung investiert, und Wissenschaftler wanderten dauerhaft in andere Staaten ab. Die Kommission wolle dem mit dem Ausbau der transeuropäischen Netze und der Nutzung der Finanzquellen zur Forschungsförderung entgegenwirken.

Weiterhin solle in den nächsten sechs Monaten eine Verbesserung in folgenden Bereichen erreicht werden: Zeitarbeit, öffentliche Ausschreibungen, Versorgungssicherheit, Liberalisierung des Schienenverkehrs, Umweltverantwortung, Vergabeverfahren, einheitlicher Luftraum, europäisches Patent, Flüchtlingsstatut und europäische Raumfahrtpolitik. Die Entwicklung dürfe nicht nur in Reformen bestehen, sondern auch in ihrer effizienten Umsetzung. Die Finanzielle Vorausschau für den Zeitraum nach 2006 solle deutlich machen, welche Projekte durchgeführt werden können. "Wir brauchen Einheit und den Willen zur Zusammenarbeit, ebenso wie Visionen und den Glauben an die Zukunft Europas." Europa sei der einzig mögliche Weg, um unsere Ziele zu verwirklichen. Italien habe mit herausragenden Abgeordneten wie Altiero Spinelli seinen Beitrag dazu geleistet. Er hoffe darauf, dass Italien diesen Weg weiter beschreiten werde.

Vertreter der Fraktionen:
Hans-Gert POETTERING (EVP-ED, D) sagte, nationale Debatten sollen nicht auf europäische Ebene gehoben werden. Wir müssten unsere eigenen, europäischen Ziele verfolgen und erreichen. Poettering erinnerte an die vielfältigen italienischen Beiträge und engagierten Persönlichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart. Er hoffe auf eine europäische Verfassung, die in Rom auf dem Kapitol zu unterzeichnen sei.

Er begrüße es, dass Berlusconi die Vertreter des EP auf allen Ebenen bis hin zum Europäischen Rat und zur Regierungskonferenz einladen will. "Wir, die EVP-ED-Fraktion, vertreten das gemeinschaftliche Europa", denn die Wiedereinführung der zwischenstaatlichen Methode wäre ein Rückschritt.

Enrique BARÓN CRESPO (SPE, E) sagte in Bezug auf Berlusconi: "Wir wünschen, dass Italien unter seinem Vorsitz eine 'bella figura' macht." Er mache sich Sorgen über Aussagen wie der, dass die Kommission abgeschafft werden sollte. Man habe die Pflicht, Gesetze für die Allgemeinheit und nicht wegen der Probleme einiger weniger zu erlassen.

Der Konventsvorschlag solle nur technisch überarbeitet werden. Das EP sei ja schon seit Maastricht an den Sitzungen des Europäischen Rates beteiligt. Die Charta der Grundrechte solle auf die Frage der Medienkonzentration erweitert werden. Dies habe nichts mit der Frage der Aufhebung der Immunität für ein gegen Berlusconi gerichtetes Gerichtsverfahren in Mailand zu tun. Man werde den italienischen Vorsitz nach seinen Taten beurteilen.

Für Graham WATSON (LIBE, UK) ist die vorrangige Aufgabe der italienischen Ratspräsidentschaft die Einberufung der Regierungskonferenz. In dieser müssten die nationalen Parlamente und das EP vertreten sein. Er hoffe, dass das Ergebnis ein Vertrag für den Frieden sei. Er begrüßte die Initiativen für die Ankurbelung der Wirtschaft. Allerdings müssten die Ausgaben mit dem Stabilitätspakt vereinbar sein. Er unterstütze die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, es dürfe jedoch nicht die falsche Hoffnung auf eine zukünftige Mitgliedschaft der EU geweckt werden. Auch die Vorschläge für die transatlantischen Beziehungen und die Beziehungen zu Lateinamerika seien gut. Wenn jedoch unterschiedliche Interessen bestünden, wie beim Internationalen Strafgerichtshof, müsse die EU diese verteidigen. Im Rahmen der Reform der Agrarpolitik müsse die EU ihre Märkte für die Entwicklungsländer öffnen. Er hoffe, dass die italienische Ratspräsidentschaft den Erfolg der Griechen, die Kompromiss und Einigung gesucht hätten, fortführen werde.

Francis WURTZ (KVEL/NGL, F) erklärte, viele der Anwesenden liebten Italien. Hierbei handele es sich um das schöne und rebellische Italien, welches sich beispielsweise in Genua und beim Sozialforum in Florenz gezeigt habe. Ein Europa, das von Ethik und Gleichheit vor dem Recht ausgehe und bei dem der Mensch vor dem Markt stehe. Ein Europa, das sich von der amerikanischen Weltherrschaft abgewandt habe. Dieses Europa finde er jedoch heute nicht wieder. Berlusconis habe ein Pharaonenprojekt für die Infrastruktur vorgestellt. Die Sozialschutzerrungenschaften sollten abgebaut werden. Im Bereich der Einwanderung und des Asyls sei es erschreckend, wie die sensible Debatte durch barbarische Äußerungen vergiftet würde. Man müsse in den nächsten sechs Monaten wachsam sein. Der Verfassungsprozess habe nur Sinn, wenn hierbei die Werte der EU wie die Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte beachtet würden.

Laut Monica FRASSONI (GRÜNE/EFA, B) reicht ständige Entrüstung gegen die "italienischen Anomalien", wie Medienkonzentration, nicht aus. Die Kommission dürfe nicht zögerlich sein, müsse ihrer Rolle als Hüterin der Verträge gerecht werden und den Medienpluralismus durchsetzen. Sie begrüßte die Kreativität italienischer Minister in Fragen des Verkehrsausbaus und der Investitionsbank. Leider stehe die Umweltverträglichkeit der Baumaßnahmen häufig im Widerspruch zum Umweltschutz. Sie fragte nach dem Sinn eines fünfzehnjährigen Tunnelbaus, wenn dieser asbestverseucht sei. Hier wäre es besser, die alten Straßen kostengünstig und umweltbewusst auszubauen. Die Gemeinschaft dürfe keine "Pharaonenprojekte" fördern, sondern müsste reale Projekte mit Bürgerbeteiligung unterstützen.

Sie wies auf italienische Defizite in Umweltbelangen hin. Italien habe nach Spanien die meisten Verstöße gegen Umweltrecht zu verzeichnen. Elf Millionen Tonnen Abfälle verschwänden jährlich in Italien auf ungeklärte Weise und die Öko-Mafia mache einen Umsatz von 2,6 Mrd. € jährlich. Italien beabsichtige, dass Umweltverstöße in Italien nicht mehr geahndet werden. Die Gemeinschaft müsse berücksichtigen, dass schwerfällige Verstoßverfahren hier nicht mehr greifen. Abschließend forderte sie Berlusconi auf, seine Freundschaft zum amerikanischen Präsidenten zu nutzen, um beim Internationalen Strafgerichtshof zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Auch solle er seine Beziehungen zum russischen Präsidenten nutzen, um für Tschetschenien und das Kioto-Protokoll zu einem guten Ergebnis zu gelangen.

Cristiana MUSCARDINI (UEN, I) wünschte, dass die EU ein stärkeres Gewicht in der Welt bekommt. Sie brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Regierungskonferenz die "europäischen Wurzeln" berücksichtigen werde, die Institutionen kohärent gestalte sowie Sprachen und Tradition hinreichend beachte. Ferner erwartete sie, dass bei der Mittelmeerpolitik, der Bekämpfung illegaler Zuwanderung, dem Kampf gegen Terror und der Bewahrung von Kultur und Traditionen Fortschritte erreicht würden. Energiepolitik, Umweltschutz, Finanzierung der Forschung durch die Gemeinschaft und Verteidigung der Produktqualität gelte es ebenfalls voranzubringen. Die EU solle ihre Werte in den Bereichen von Frieden und Lebensqualität sowie einem würdevollen Leben auch auf andere Staaten übertragen. Abschließend verlangte sie einen verstärkten Kampf gegen Pädophilie sowie Waffen- und Menschenhandel. Sie brachte zum Ausdruck, dass sie es dem italienischen Ratsvorsitz zutraue, diese Ziele zu verwirklichen.

Jens-Peter BONDE (EDU, DK) nahm Bezug auf die Regierungskonferenz und verlangte Transparenz und Bürgernähe. Die Unionsbürger müssten wissen, was unterschrieben werde, um keine Widersprüche zu den Verträgen entstehen zu lassen. So fragte er sich, ob das dänische Ferienhausprotokoll nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehe. Kann ein Protokoll den Vertrag aushebeln und ist somit das dänische Grundgesetz womöglich illegal? Dies seien Fragen, die man vor der Regierungskonferenz klären müsse und nicht hinterher.

Weitere deutschsprachige Abgeordnete:
Hannes SWOBODA (SPE, A) sagte: "Wir können und wollen nicht die inneritalienische Opposition ersetzen." Ein Problem sei das Widersprüchliche in einigen Äußerungen, insbesondere in der Außenpolitik. Berlusconi bekunde den Wunsch nach einem starken Europa, zeige jedoch Unterwürfigkeit gegenüber den USA. Es sei eine Einwirkung auf beide Seiten des Nahost-Konflikts nötig. Leider sei in den letzten Monaten der Eindruck entstanden, dass persönliche Interessen Berlusconis sich mit nationalen Interessen mischen. Dies sei problematisch.

Martin SCHULZ (SPE, D) sagte zu Poettering, dieser habe ausführlich die Kompetenz der italienischen Ratsbank gelobt. Einen habe er dabei freilich vergessen, nämlich Umberto Bossi, der als Chef der Lega Nord mit am Kabinettstisch sitze. "Die kleinste Äußerung, die dieser Mann macht, ist schlimmer als das, was die österreichische FPÖ von sich gibt." Berlusconi müsse einschreiten, denn "die Äußerungen von Bossi sind in keinster Weise mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar."

Es herrsche im EP teilweise die Haltung vor, man dürfe Berlusconi nur nicht wegen Italien kritisieren. "Ist Italien nicht Teil der EU?", fragte Schulz und wies auf den Zusammenhang von italienischer Innenpolitik und den Vorhaben des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hin: europäische Staatsanwaltschaft, europäischer Haftbefehl, gegenseitige Anerkennung von Dokumenten in Strafverfahren. Hier sei die italienische Rechtslage ein Hindernis.

Wenn die ehemalige Präsidentin Nicole Fontaine es nicht geschafft hätte, das Immunitätsverfahren so lange zu verzögern, dann hätte Berlusconi jetzt keine Immunität mehr.

Robert GOEBBELS (SPE, L) bezeichnete die wirtschaftlichen Vorstellungen der italienischen Ratspräsidentschaft als verwirrend. Die Strategie bestünde aus Vorschlägen, die gleichzeitig wieder verworfen würden. So fordere man beim Stabilitätspakt einerseits seine Stärkung und andererseits Flexibilität bei der Anwendung. Auch in der Rentenpolitik fehle es an Kohärenz. "Der Bürger weiß, wie viel er zahlen muss, aber er weiß nicht, wie viel ihm zusteht." Die SPE-Fraktion werde keine schwache Rentenpolitik zulassen, auch nicht im Bereich der Privatrenten. Abschließend stellte er fest er, dass es keine Stabilität ohne Wachstum gebe, aber auch kein Wachstum ohne Stabilität.

Dagmar ROTH-BEHRENDT (SPE, D) bracht ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, dass das Programm der italienischen Präsidentschaft nur im Internet vorhanden war und auch nur in englischer und italienischer Sprache. Umweltpolitik käme darin praktisch nicht vor, und die wenigen Zeilen hätten man auch aus einer "Tageszeitung abschreiben" können. Sie mahnte den Ratspräsidenten, dass entsprechend Lissabon Umweltpolitik in alle Bereiche einzubeziehen sei. Sie wollte wissen, ob es in Italien einen Entwurf gebe zu dem Thema "Umwelt als Chance" und weiterhin verlangte sie Auskunft über Italiens Absicht, die gemeinsame Umweltpolitik zurückzufahren. Ebenfalls erhoffe sie sich Auskunft über den Stand strafrechtlicher Verfolgung von Umweltsündern in Italien.

Georg JARZEMBOWSKI (EVP-ED, D) drängte darauf, die Verkehrspolitik durchzusetzen, zumal auch Italien hieran ein Interesse haben müsse. Für den Eisenbahnsektor bot er an, im Rahmen der zweiten Lesung ein vorgezogenes Vermittlungsverfahren einzuleiten, um zu einem guten Ergebnis bei der Stärkung des Schienenverkehrs zu gelangen. Auch bei der Öffnung der Seehäfen forderte er Berlusconi auf, das Vermittlungsverfahren ernsthaft zu betreiben.

Vertreter des Rates:
Der Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft, Ministerpräsident Silvio BERLUSCONI, ist überzeugt, dass ein großes Europa der Zukunft auf Augenhöhe mit den USA stehen müsse. Seine eigene Meinung hierzu sei, dass dies ein großes Europa sein muss, welches unter anderem Weißrussland, Moldawien und Israel einschließt, ebenso wie ihre militärische Schlagkraft. Als Ratspräsident werde er sich jedoch an die vorherrschende Meinung im Rat halten. Er sehe keine andere Möglichkeit der Unterstützung der Wirtschaft als durch öffentliche Maßnahmen. Auf Grund der Maastricht-Parameter gehe dies nicht durch nationale Maßnahmen. Es bleibe der EU überlassen, die Wirtschaftskapazität zu entwickeln. Die Europäische Investitionsbank solle Mittel aus dem Privatmarkt auftreiben, um die europäische Wirtschaft zu beleben.

Zur angesprochenen Gefahr, dass "Herr Berlusconi, der Gesetze für bestimmte Fälle erlässt", diese Handlungsweise auch auf die EU ausweitet, meinte er, dass die Beschränkung der italienischen Regierung auf die angesprochenen drei Gesetzesänderungen nicht in Ordnung sei. Seine Regierung habe 350 Gesetze entworfen und bereits 200 umgesetzt. Italien sei auch nicht wirklichkeitsfremd und keine Karikatur seiner selbst. In Antwort auf die Äußerungen von Martin Schulz sagte er, dass ein italienischer Regisseur momentan einen Film über Konzentrationslager drehe. Er schlage Martin Schulz vor, die Rolle des "Capo" zu übernehmen (später sagte er, dies sei ironisch gemeint gewesen). Er wies den Vorwurf, er unterwerfe sich den USA, zurück. Die EU sei einer der Protagonisten in der Welt. Sie müsse in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen und mehr Militärinvestitionen tätigen. Zum angesprochenen Interessenkonflikt sagte er, dass die Fernsehkanäle, die noch zu seinem Konzern gehörten, zu seinen schärfsten Kritikern zählten. Zur Zuwanderung meinte er, dass Italien ein christliches Land sei, das sich den Ländern gegenüber öffne. Dies dürfe nicht mit der neuen Form des modernen Sklavenhandels verwechselt werden, die bekämpft werden müsse. Die Umwelt sei eines der wichtigsten Anliegen für ihn. Es zähle, was der Mensch tut und nicht nur, was er sage. Die italienische Ratspräsidentschaft werde sich für die anstehenden Aufgaben einsetzen.

Vertreter der Kommission:
Kommissionspräsident Romano PRODI hob hervor, dass die Aussprache das Maß der Schwierigkeiten aufgezeigt habe. Wichtigstes Ziel bleibe die Regierungskonferenz und die Schaffung einer Verfassung, die die Werte und Regeln Europas bestimmt. Er setze sich für eine Kontinuität in der Zusammenarbeit mit der Ratspräsidentschaft ein und wolle im Einzelnen folgende Ziele vorantreiben: Ankurbeln der Wirtschaft, Normalisierung der Beziehungen mit der USA, Vorantreiben des Beitritts der Balkanstaaten, Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zu EU-Nachbarstaaten und Regeln für Zuwanderer und deren Rechte. Er hob hervor, dass der Respekt vor den Verträgen garantiert sei und die Bezugnahme auf Lissabon nicht fehlen dürfe. Es werde daher kein Absenken sozialer Errungenschaften geben, die Infrastrukturen würden nach Kosten-Nutzen-Analyse festgelegt und das humanitäre Engagement der Gemeinschaft werde fortgeführt, schloss Prodi.
am Dienstag (02. 07.)    
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