EU-Erweiterung: Abgeordnete setzen ersten Schritt zur Ratifizierung  

erstellt am
02. 07. 03

Opposition mahnt bessere Vorbereitung Österreichs ein
Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats setzte am Dienstag (01. 07.) einen ersten Schritt zur Ratifizierung des Beitrittsvertrags zwischen der EU und den zehn neuen EU-Ländern durch das österreichische Parlament. Die Abgeordneten stimmten einhellig einem von der Regierung vorgelegten Bundesverfassungsgesetz zu, dass die verfassungsrechtliche Grundlage für die eigentliche Vertrags-Ratifizierung bildet. Es ermächtigt die Bundesregierung, den Vertrag abzuschließen, gleichzeitig wird festgehalten, dass zur Ratifikation eine Genehmigung des Nationalrates mit Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Überdies bedarf der Vertrag der Zustimmung des Bundesrates - ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit.

Der Beitrittsvertrag sieht einen EU-Beitritt Tschechiens, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei mit 1. Mai 2004 vor. Bis dahin müssen die Ratifikationsverfahren in allen EU-Ländern, dem Europäischen Parlament und in den Beitrittsländern abgeschlossen sein. In Österreich könnten, wenn das vom Verfassungsausschuss gebilligte Ermächtigungsgesetz noch vor dem Sommer vom Nationalrat und vom Bundesrat genehmigt wird, die parlamentarischen Beratungen über den Beitrittsvertrag im Herbst beginnen.

Die Abgeordneten waren sich in der Debatte einig, die Ratifizierung des Beitrittsvertrags möglichst rasch vornehmen zu wollen. So meinte SP-Abgeordneter Peter Schieder, es sei wichtig, dass Österreich rasch ein Zeichen setze und zu jenen Ländern gehöre, die am Anfang ja zur Erweiterung sagen, eine Aussage, die auch von Ausschussvorsitzendem Peter Wittmann (S) und Staatssekretär Franz Morak (V) geteilt wurde. "Wir sind gut beraten, hier schnell und entschlossen ja zu sagen", bekräftigte Morak. Zweiter Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) stellte die Ratifizierung des Beitrittsvertrags durch den Nationalrat bis Mitte November in Aussicht und unterstrich, Österreich habe den Ehrgeiz, "nicht zu den Letzten zu zählen".

Auch FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner signalisierte Zustimmung zur EU-Erweiterung und wertete diese als "wichtiges Friedensprojekt". Er betonte, die FPÖ sei der Erweiterung nie ablehnend gegenüber gestanden, habe aber stets die notwendigen Rahmenbedingungen eingemahnt. Seitens der Grünen äußerte sich Abgeordnete Eva Glawischnig (G) positiv zur EU-Erweiterung. Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) bezeichnete die Erweiterung als historische Chance der EU und unterstrich, die ÖVP habe immer dafür gekämpft.

SPÖ-Abgeordneter Schieder sprach sich auch dafür aus, in weiterer Zukunft nicht nur Kroatien, sondern auch andere osteuropäische Länder in ihren Bestrebungen, der EU beizutreten, zu unterstützen. Er warnte zudem davor, die Türkei von Vornherein von einem EU-Beitritt auszuschließen.

Unterschiedlicher Meinung zeigten sich die Abgeordneten in der Frage, ob sich Österreich optimal auf die EU-Erweiterung vorbereitet hat. Vor allem seitens der SPÖ gab es kritische Stellungnahmen. Ausschussvorsitzender Peter Wittmann bezeichnete es etwa als "großen Wermutstropfen", dass die Regierung keine ausreichenden Maßnahmen zur Umsetzung eines am Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Entschließungsantrags des Nationalrates gesetzt habe. Weder seien zusätzliche Mittel für notwendige Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt, noch Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit initiiert worden. Auch bei der Unterzeichnung eines Transitvertrages gebe es keine Lösung. Auch Abgeordneter Schieder und Zweiter Nationalratspräsident Fischer sehen hinsichtlich der Umsetzung der vom Nationalrat geäußerten Wünsche noch Diskussionsbedarf.

Abgeordneter Peter Marizzi (S) rechnete vor, dass der Verkehr in der Ostregion Österreichs durch die EU-Erweiterung um 70 % zunehmen werde und fragte sich, warum sich die Regierung nicht bereit erklärt habe, sich bei einem Verlade-Terminal in Sopron zu beteiligen, durch den Tausende LKW von der Straße auf die Schiene gebracht werden könnten. Er äußerte zudem die Befürchtung, dass junge Leute durch mobile Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern zu Verlierern der EU-Erweiterung werden könnten.

Seitens der ÖVP wurde dem gegenüber auf einen vom Bundeskanzleramt vorgelegten Zwischenbericht verwiesen, der laut Abgeordneter Baumgartner-Gabitzer auch noch ergänzt wird. Staatssekretär Franz Morak verwies auf den erarbeiteten Generalsverkehrsplan und andere Maßnahmen im Verkehrsbereich. Hinsichtlich des Transitvertrages zeigte er sich zuversichtlich, dass noch eine Lösung gefunden werden kann, und meinte, die Bemühungen Österreichs seien nicht erfolglos geblieben. Für ihn ist es aber klar, dass Österreich aufgrund seiner Lage im Zentrum der EU ein Verkehrsknotenpunkt ist.

FPÖ-Klubobmann Scheibner wies darauf hin, dass in Bezug auf die Öffnung des Arbeitsmarktes Übergangsfristen vereinbart worden seien, und begrüßte dies ausdrücklich. Was die Atomkraft betrifft, muss Österreich seiner Meinung nach weiter darauf drängen, dass der so genannte Melker Prozess umgesetzt wird. Langfristiges Ziel müsse weiter ein atomfreies Europa bzw. Mitteleuropa sein, erklärte er.

Bei den Benes-Dekreten ortet Scheibner eine positive Entwicklung. Die Erklärung Tschechiens reicht ihm zufolge aber nicht aus, um einen Schlussstrich unter die Debatte zu setzen. Es gebe aber "einen ersten Hoffnungsschimmer". Hinsichtlich des Transitverkehrs sieht er die Notwendigkeit, nicht nur eine Lösung für den Nord-Süd-Transit, sondern auch eine für den Ost-West-Transit zu finden. In Zweifel stellte der FPÖ-Klubobmann, ob die EU ausreichend auf die Erweiterung vorbereitet ist, auch wenn der EU-Konvent einige positive Ergebnisse gebracht habe.

Abgeordnete Eva Glawischnig (G) erachtet Initiativen der Regierung für wichtig, um in den Grenzregionen ein positiveres Bewusstsein für die EU-Erweiterung zu schaffen.
     
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