Natura 2000: Österreichs bedrohte Fledermäuse völlig unzureichend geschützt!  

erstellt am
02. 07. 03

Umweltdachverband zeigt Defizite des Fledermausschutzes in der Alpinen Region auf
Wien (uwd) - "Es ist wirklich eine Schande, wie nachlässig manche Bundesländer vom Aussterben bedrohte Tierarten behandeln - die Fledermäuse sind offenbar besonders ungeliebte Stiefkinder", ist Dr. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, empört. Zurecht, hat doch Österreich im Rahmen des für die Alpine Region durchgeführten Gebietsmeldeverfahrens für das europaweite Naturschutznetzwerk Natura 2000 kaum eines der potentiellen Fledermausgebiete nominiert. Und das, obwohl eine Vielzahl österreichischer Gebiete auf Grund ihrer Populationsgröße und -dichte hervorragend für dieses Schutzgebietssystem geeignet wäre.

Bundesländer verletzen Europarecht
"Das ist ein klarer Verstoß gegen die Schutzverpflichtungen, die in der EG-Richtlinie definiert sind. Die Argumentation der Bundesländer, bloße Artenschutzprogramme seien für Fledermäuse ausreichend, ist richtlinienwidrig. Einzig eine Natura 2000-Nominierung der potentiellen Fledermausgebiete und ein umfassender Gebietsschutz entspricht den die Bundesländer bindenden Vorgaben der FFH-Richtlinie", so Andreas Tschugguel, Sprecher des Kuratorium Wald.

"Wir haben bereits im Vorjahr mehrfach bei den Bundesländern urgiert, Nachnominierungslisten vorgelegt und mit Nachdruck auf die Defizite hingewiesen. Die Bundesländer beharren jedoch auf der schon erwähnten Argumentation, die aber nach einem Rechtsgutachten nicht richtlinienkonform ist. Im April 2002 hat uns sogar EU-Kommissarin Margot Wallström persönlich ihre Unterstützung in dieser Sache zugesagt - die Bundesländer stellten sich jedoch taub", so Heilingbrunner.

Hotspots der Naturschutzlücken in den Bundesländern - nur die Spitze des Eisberges! Deshalb legt der Umweltdachverband heute eine Karte auf den Tisch, die die Nachlässigkeit der Bundesländer, wenn es um den Schutz der Fledermäuse geht, klar und deutlich zeigt. Die Sündenfälle in Sachen Fledermausschutz in der Alpinen Region ziehen sich von West nach Ost, sieben Bundesländer sind betroffen. "Das ist jedoch nur die Spitze des Eisberges - das sind nur die Hotspots des europarechtswidrigen Verhaltens Österreichs", wettert Heilingbrunner:

o Steiermark: Mittelsteirischer Karst
o Kärnten: Karawanken
o Tirol: Unteres Inntal
o Vorarlberg: Bregenzer Wald
o Salzburg: Oberes Salzachtal
o Oberösterreich: Teile der Ennstaler Flysch- und Kalkvoralpen
o Niederösterreich: Teile der Buckligen Welt

Fest steht, dass der Umweltdachverband jetzt zu härteren Mitteln greifen muss."Da auch unsere schriftlichen Anträge auf Nachnominierung nichts gefruchtet haben, haben wir die erste Klage bereits eingereicht - und zwar gegen die Steiermark", sagt Heilingbrunner. Fest steht auch, dass diese erste Klage exemplarisch für die weitere Vorgangsweise ist.

Sündenfall Mittelsteirischer Karst: Klage läuft bereits!
Dass für den Fledermausschutz bedeutende Höhlen des Mittelsteirischen Karstes noch immer nicht als Natura 2000-Gebiete nach der FFH-Richtlinie ausgewiesen wurden, ist ein veritabler Naturschutz-Skandal. Die Steiermärkische Landesregierung hat zwar die Höhlen der Peggauer Wand und der Raabklamm als Natura 2000-Gebiete nominiert, nicht jedoch die für die Flatterer noch wesentlich wichtigeren der Weizklamm und des Lurgrotte-Badlhöhlensystems. "Für viele Fledermausarten, die nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie geschützt sind, stellen diese Höhlen ein Hauptüberwinterungsgebiet von gesamtösterreichischer Bedeutung dar", sagt die Säugetierexpertin Dr. Friederike Spitzenberger. Das Versäumnis der Steiermärkischen Landesregierung könnte für die vom Aussterben bedrohten Jäger der Nacht tödliche Folgen haben. Denn in diesen Höhlensystemen überwintern jeweils ein Drittel des heimischen Gesamtbestandes der Großen und Kleinen Hufeisennase und 15 % der österreichischen Population der Mopsfledermaus. "Bis in die 90er Jahre gab es hier die letzten Wintervorkommen des Kleinen Mausohrs und die Lurgrotte ist überhaupt eine der letzten drei heimischen Höhlen, die der Langflügelfledermaus Schutz bieten", so Spitzenberger.

Große Hufeisennase: Alarmglocken läuten Sturm!
Wie dramatisch die Situation für die Große Hufeisennase bereits ist, hat die engagierte Wissenschafterin in persönlicher Recherchearbeit mitansehen müssen. "Werden jetzt nicht sofort strengste Schutzmaßnahmen ergriffen, ist es für die Große Hufeisennase endgültig zu spät", schlägt Spitzenberger Alarm - und bangt zurecht um ihre "Schützlinge". Denn die Population der von den Fachleuten "Rhinolophus ferrumequinum" genannten Fledermaus ist in den letzten 15 Jahren eklatant zurückgegangen. "Bei einer ersten Bestandserfassung in den Jahren 1985 bis 1989 fanden wir in Kärnten noch 13 Vorkommen mit insgesamt 63 Großen Hufeisennasen, bei der Kontrolle letztes Jahr waren 12 Quartiere verwaist und nur in einem konnte ein einziges Tier, offenbar die letzte Kärntner Hufeisennase, geortet werden", stellt Spitzenberger fest. Ähnlich bestürzend ist die Situation in der Steiermark: Dort schrumpfte die Quartierzahl der ortstreuen insektenfressenden Flugkünstler innerhalb der letzten sieben Jahre von 12 auf 5 - die Population von 63 auf nur mehr 21 Tiere!

Fazit: Die Alarmglocken läuten bereits Sturm, wenn es um das Überleben der Großen Hufeisennase geht. Dennoch: "Kaum eines der von den ExpertInnen ausgewiesenen und für die Tiere überlebenswichtigen Natura 2000-Fledermausgebiete wurde bis jetzt auch wirklich nominiert und unter Schutz gestellt", sagt Spitzenberger. Passiert nicht rasch etwas, wird eines der deklarierten Hauptziele der Natura 2000-Richtlinie, die Erhaltung der europäischen Artenvielfalt, verfehlt, und vor allem die Große Hufeisennase für immer verloren sein!

Nachnominierungsbedarf auch in der Kontinentalen Region
Während sich die Lage der kleinen "Könige der Nacht" in der Alpinen Region bereits dramatisch zugespitzt hat - Ende des Jahres soll die Gemeinschaftsliste der Alpinen Region beschlossen werden - können die Bundesländer in der Kontinentalen Region noch freiwillig der EU-Richtlinie entsprechen. "Die Betonung liegt dabei auf dem Wörtchen noch", so Heilingbrunner. Denn auch in der Kontinentalen Region läuft die Nominierungsfrist für Natura 2000-Gebiete im Herbst 2003 ab. "Auch in diesem Fall haben wir den Nachnominierungsbedarf rechtzeitig den betroffenen Bundesländern übermittelt und auf die jeweiligen Versäumnisse aufmerksam gemacht. Zu fürchten ist, dass der bisherige Umgang mit den Fledermäusen in der Kontinentalen Region wiederholt wird", sagt Heilingbrunner. Der Umweltdachverband wird alles tun, dass die Lücken in Österreichs Beitrag zum Europaschutzprogramm Natura 2000 zumindest hinsichtlich der Kontinentalen Region von den Bundesländern mit mehr Ehrgeiz, größerem Engagement und rascherem Handeln geschlossen werden - denn im Sommer 2004 soll auch diese Gemeinschaftsliste schon zum Beschluss gelangen!
     
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