Nationalrat debattiert Wachstumsstrategien  

erstellt am
09. 07. 03

Wirtschaftspolitische Rundschau in der Aktuellen Stunde
Wien (pk) - Der erste von drei Sitzungstagen des Nationalrats vor der Sommerpause wurde am Dienstag (08. 07.) mit einer Aktuellen Stunde eingeleitet. Das Thema "Wachstumsstrategien für Österreich" wurde von der ÖVP ausgewählt.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) wies am Beginn seiner Ausführungen auf die konjunkturelle weltwirtschaftliche Lage hin, von der sich Österreich als kleine Volkswirtschaft nicht abgrenzen könne. Darüber hinaus, so Mitterlehner, seien auch die Möglichkeiten der EU und die nationalen Handlungsspielräume begrenzt. Dennoch habe Österreich für eine gute Stimmung in der Wirtschaft, als eine "Vorwegnahme der Erwartungshaltung", gesorgt. In diesem Zusammenhang appellierte Mitterlehner an die Opposition, die österreichische Situation nicht schlechter darzustellen als sie ist, denn es gebe kein Indiz dafür, dass Österreich in der OECD beziehungsweise in der EU eine Position eingebüßt habe. Österreich verfüge im Vergleich zu anderen Staaten über ausgezeichnete Wachstumsraten und könne auf eine positive Leistungsbilanz, insbesondere auf eine Ausweitung der Exporte hinweisen. Auch am Arbeitsmarkt, mit einer Arbeitslosenrate von 4,3 %, sehe die Lage besser aus als in anderen Ländern. Im Jahr 1998, als die Konjunktur wesentlich besser war, sei der Anteil der Arbeitslosen sogar bei 4,5 % gelegen, sagte der Redner und zog den Schluss daraus, dass nun weitere Deregulierungsmaßnahmen folgen müssten, wie die Lockerung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Explizit forderte er das Abstellen von Missbrauch.

Mitterlehner skizzierte dann die Maßnahmen der Bundesregierung, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort zu sichern. Er nannte dabei insbesondere die Erhöhung der Ausgaben für den "Schlüsselfaktor Forschung und Entwicklung", die Einrichtung eines nationalen Forschungsfonds und die Gegengeschäfte, die als Multiplikator wirken würden. Mitterlehner ging auch kurz auf die Debatte um den Verkauf der Anteile an der VOEST ein und konnte aus seiner Sicht keine positiven Argumente für den Staat als Eigentümer finden. Er trat daher für eine Privatisierung des Unternehmens mit österreichischer Sperrminorität ein.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN gab ebenfalls zu bedenken, dass die Weltwirtschaftslage keine einfache sei und erinnerte daran, dass das Wifo im Juni 2002 ein Wirtschaftswachstum von 1,2 % vorausgesagt habe, man aber im Juni 2003 mit einer Prognose von 0,7 % konfrontiert sei. Österreich habe aber bewiesen, dass es die begrenzten Spielräume nützen könne und habe sich daher auch im Bench-Marking von Platz 8 auf Platz 5 verbessern können. Im ersten Quartal seien die Investitionen von 0,7 Mrd. € auf 1,2 Mrd. € gestiegen, Österreich könne die niedrigste Jugendarbeitslosenrate und die drittniedrigste Arbeitslosenrate allgemein vorweisen, sagte der Ressortchef.

Der Wirtschaftsminister kündigte an, die Spielräume in drei Bereichen nützen zu wollen. Einerseits wolle man Wachstumsbremsen lösen, indem man beispielsweise ein modernes Ladenöffnungszeitengesetz beschließe. Österreich werde auch, so der Minister, dem Versuch widerstehen, Konjunkturbelebungsmaßnahmen mit Schulden zu finanzieren. Investitionen gebe es aber in die Bildung, in Forschung und Entwicklung und in Infrastruktur. Die Arbeitsmarktpolitik müsse mehr "outputorientiert" sein und auf Qualität achten, weshalb man die Jugendbeschäftigungsoffensive fortsetzen werde. Bartenstein sprach sich dezidiert gegen eine "Steuerreform auf Pump" aus und lehnte ein Vorziehen der zweiten Etappe der Steuerreform ab. Gleichzeitig hielt er es aber für unumgänglich, Signale zu setzen, um potenzielle Investoren darüber zu informieren, was sie 2005 erwarten können.

Hinsichtlich der Diskussion um die VOEST bezeichnete der Wirtschaftsminister die bisherige Privatisierung als eine Erfolgsgeschichte, wodurch die Eigenfinanzierungskraft habe hergestellt werden können. Bei der kommenden Privatisierung stehe für ihn im Vordergrund, den österreichischen Kernaktionär zu sichern und zu gewährleisten, dass das Unternehmen einer der stärksten Stahlkonzerne bleibe.

Abgeordneter GROSSRUCK (V) konzentrierte sich nach einem kritischen Blick auf die Situation in Deutschland auf die Wirtschaftspolitik in Oberösterreich, die er als eine "Politik mit Erfolgsgarantie" bezeichnete. Dieses Bundesland sei, so Großruck, "Staatsmeister" auf mehreren Gebieten: Die Arbeitslosenrate von 3,5 % sei die niedrigste in Österreich, ebenso nehme das Bundesland einen Spitzenplatz in der Lehrlingsausbildung, in der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei den Exporten, bei der Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung und im Bereich Forschung und Entwicklung ein. Oberösterreich habe seine Sozialausgaben in den letzten Jahren sogar vervierfachen können, woraus zu ersehen sei, dass der Sozialstaat nur dann erhalten werden könne, wenn die wirtschaftlichen Parameter stimmen.

Der positiven Darstellung seiner Vorredner entgegnete Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S), dass die Bundesregierung keineswegs die anstehenden Probleme löse. Vielmehr sei man mit mangelnder Initiative zum Schaden der Jugend konfrontiert, zumal die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in den letzten drei Jahren gestiegen und von der Lehrlingsgarantie nichts übrig geblieben sei. Die Aussage, eine Steuerreform auf Pump komme nicht in Frage, kommentierte der SPÖ-Klubobmann mit Skepsis, zumal das Regierungsübereinkommen für das Jahr 2005 eine Ausweitung des Budgetdefizits um 2 Mrd. € vorsehe, um die Steuerreform zu finanzieren.

In Bezug auf die VOEST-Privatisierung wandte er sich gegen ein dogmatisches Herangehen an diese Frage und forderte, bei der Entscheidungsfindung die gegenwärtigen Entwicklungsstrategien mit einzubeziehen. Er wies darauf hin, dass die Konzernführung ein Investitionsprogramm beschlossen hat, das den Wert des Unternehmens verdoppeln werde. Die Führungsgremien hätten es auch lieber gesehen, so Gusenbauer, wenn die Eigentümerstruktur bis zum Abschluss des Programms gleich bleibt. Jetzt, zur Unzeit, die VOEST-Alpine zu verkaufen, würde daher eine Verschleuderung öffentlichen Eigentums bedeuten. Abschließend stellte Gusenbauer die Frage, ob denn angesichts des geplanten Verkaufs der Telekom an die Schweizer Gesellschaft, der Schweizer Staat ein besserer Eigentümer sei, als der österreichische Staat.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) thematisierte ebenfalls die gegenwärtige weltwirtschaftliche Lage, für die auch die künftigen Prognosen "nicht wirklich rosig" seien, und stellte einen Vergleich der österreichischen Situation mit der Lage in Deutschland an. Daraus sei erkennbar, dass Österreich eine bestmögliche Arbeitsmarktpolitik betreibe, sagte Hofmann. Er strich die vorgenommene Strom- und Gasliberalisierung als positiv hervor und erinnerte an die zwei Konjunkturpakete, durch die Impulse hätten gesetzt werden können. Als weitere positive Maßnahmen erwähnte Hofmann die beschlossene Reduktion des Steuersatzes für nicht entnommene Gewinne, die Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die ausverhandelten Gegengeschäfte und betonte die positive Stimmung in Österreich.

Dem gegenüber konnte Abgeordnete SBURNY (G) kein Problembewusstsein bei der Bundesregierung erkennen. Diese habe den nationalen Spielraum nur negativ genützt und das, was an Kaufkraft da gewesen sei, auch noch abgewürgt. Sburny trat für ein Vorziehen der Steuerreform ein und schloss daran die Forderung, dass die Entlastungen die Belastungen überschreiten müssten. Im zweiten Teil ihrer Ausführungen konzentrierte sich Sburny auf den Bereich Forschung und Entwicklung und kritisierte, dass man vom propagierten Ziel, den Anteil an diesen Ausgaben auf 2,5 % des BIP anzuheben, meilenweit entfernt sei. Auch würden die Humanressourcen für eine wissensorientierte Wirtschaft nicht genützt, sagte die Rednerin und rechnete vor, dass in Österreich auf 100.000 Erwerbstätige lediglich 5 Forscher und Forscherinnen kämen. Damit liege Österreich weit unter dem EU-Durchschnitt. Noch krasser sei die Situation hinsichtlich des Anteils der Forscherinnen, wo Österreich absolutes Schlusslicht sei.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) stellte den aus ihrer Sicht "berühmten kleinen Unterschied" zwischen Österreich und Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Rede. Die Stimmung in Österreich sei im Gegensatz zu Deutschland durch die gute Regierungspolitik positiv. Anstrengungen hält sie insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung für wichtig. Da, wie alle Untersuchungen zeigten, Arbeitsplatzzuwächse nur in den Klein- und Mittelbetrieben zu verzeichnen seien, komme es nicht nur darauf an, soviel Geld wie möglich in Forschung und Entwicklung zu stecken, sondern auch den KMUs die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Gerade hier habe die Bundesregierung großartig die Hebel angesetzt, sagte Hakl.

Abgeordneter Mag. HOSCHER (S) bezeichnete die Lissabon-Strategie als die vernünftigste Wachstumsstrategie und fügte hinzu, dass ein einseitiges Festhalten an den Maastricht-Kriterien für ein Wirtschaftswachstum nicht ausreiche. Im Gegensatz dazu setze die Bundesregierung jedoch auf alte Strategien, wie Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau unter dem Deckmantel der Finanzierung sozialer Systeme. Selbstverständlich belaste die Beschäftigungspolitik kurzfristig den öffentlichen Haushalt, aber nur sie könne im Zentrum einer sinnvollen Wirtschaftspolitik stehen.

Als Konsequenz der Lissabon-Strategie forderte Hoscher geringere Steuern für kleine Einkommen, eine höhere Besteuerung von Kapital und eine geringere von Arbeit, einen stärkeren sozialen Zusammenhalt, verstärkte öffentliche Investitionen in Ausbildung, Qualifikation und Infrastruktur, europaweite Innovationsnetze und Forschungskooperativen, eine Konzentration der Makroökonomie auf Beschäftigung und Wachstum, einen verbesserte Zugang zu neuen Medien für alle und eine Lehrlingsoffensive. Die Bundesregierung gehe jedoch den falschen Weg, mit der angekündigte Senkung der KÖST, mit der flächendeckenden Senkung der Lohnnebenkosten, wodurch keine Arbeitsplätze geschaffen würden, mit den geplanten zusätzlichen Belastungen, mit der sozial unausgewogenen Pensionsreform, mit dem Kaputtsparen des öffentlichen Haushalts, mit Unternehmenssparmodellen für wenige statt der Schaffung von Risikokapitalfonds für KMUs, mit der nationalen Zersplitterung der Forschungsagenden, mit der Tabuisierung der Maastricht-Kriterien und damit des Neoliberalismus und mit der gesponserten Homepage für den Finanzminister.

Abgeordnete ROSSMANN (F) machte anfangs ebenfalls einen Blick auf die Situation in Deutschland und konzentrierte sich dann auf die Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldes, dessen Einführung sie als eine "Erfolgsstory" bezeichnete. Davon sei ein Kaufkraftschub mit mehr als 300 Mill. € ausgegangen, sagte Rossmann. Sie unterstrich, dass die Idee des Kinderbetreuungsgeldes von Kärnten ausgegangen sei und erinnerte auch daran, dass die Idee, die erste Etappe der Steuerreform bald zu beschließen, ebenfalls im Vorjahr vom Kärntner Landeshauptmann vehement gefordert worden war, was damals jedoch vom Koalitionspartner abgelehnt worden sei. Nun habe dennoch der erste Schritt der Steuerreform verwirklicht werden können. Rossmann ließ mit der Aussage aufhorchen, dass es legitim sein müsse, darüber nachzudenken, ob man nicht die eine oder andere Maßnahme der zweiten Etappe der Steuerreform vorziehen könne. Bei der Steuerreform dürfe es nicht nur um eine Entlastung, sondern auch um eine Vereinfachung des Systems gehen.

Mit dem Vorwurf, dass die Koalitionsparteien den Finanzminister dabei unterstützten, dass sich dieser nicht vor dem Parlament verantworten müsse, begann Abgeordneter Mag. KOGLER (G) seinen Debattenbeitrag. Der Finanzminister habe bei der Verstaatlichten einen Schaden angerichtet wie nie zuvor, sagte Kogler und kritisierte, dass dieser trotz aller Beteuerungen zur Entpolitisierung in die VOEST hineinregiert habe. Die Aufsichtsräte seien politisch hineingesetzt worden, bei Wolf gebe es klare Interessenskollisionen, prangerte der Redner die Politik Grassers weiter an. Die Art der geplanten Übernahme habe seiner Meinung nach nur ein Interesse, nämlich die Herausnahme des automativen Teils, wo die VOEST Vorsprung vor Magna habe, und dies sei bedrohlich für den Standort Oberösterreich. Zur von Abgeordnetem Großruck gebrachten Statistik der Jugendarbeitslosigkeit, bemerkte Kogler, dass die Zahlen kaschiert seien, weil immer mehr Jugendliche in Schulungen geschickt würden. Wenn die Eurofighter das zentrale industriepolitische Projekt seien, dann "Gute Nacht, Wirtschaftspolitik!", so die abschließende Bemerkung Koglers.
     
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