Der Österreich-Konvent gibt sich Geschäftsordnung  

erstellt am
28. 07. 03

Arbeit an neuer Verfassung startet mit einstimmigen Beschlüssen
Wien (pk) - Präsident Franz Fiedler eröffnete am Freitag (25. 07.) die Sitzung des Österreich-Konvents, der sich zunächst mit dem Entwurf einer Geschäftsordnung und dann mit der Bestellung der Ausschussvorsitzenden und der Zusammensetzung der Ausschüsse befasste. Der vorliegende Geschäftsordnungsentwurf stelle den vom Konventspräsidium anhand von Abänderungsanträgen überarbeiteten Geschäftsordnungsentwurf vom 30. Juni dar, teilte Präsident Fiedler eingangs der Debatte mit.

Als erster Rede berichtete Nationalratspräsident Andreas Khol, dass die Anregungen, die an das Präsidium des Konvents hinsichtlich der Geschäftsordnung herangetragen wurden, weitgehend entsprochen worden sei, namentlich was die Frage von Veröffentlichungen, die Möglichkeit Hearings abzuhalten und das Recht des Präsidenten betrifft, die Debatte sachlich zu ordnen. Weiters ging Präsident Khol auf die Möglichkeit der Ausschüsse ein, Sitzungen gemeinsam abzuhalten. Geregelt wurden auch die Protokollierung und das Recht jedes Konventsmitglieds, dem Konvent schriftlich Vorschläge zu übermitteln. Ein von Andreas Khol vorgelegter Abänderungsantrag sah vor, das Vertretungsrecht auch auf die Mitglieder des Städtebundes auszudehnen. Khol warb um Zustimmung für den aus seiner Sicht guten Entwurf, er stelle einen "goldenen Mittelweg zwischen Mehrheit und Minderheit" dar.

Auch der Zweite Präsident des Nationalrates, Heinz Fischer, sprach sich für den vorgelegten Entwurf aus, der ein vernünftiges Arbeiten im Konvent, im Präsidium, im Ausschuss und in der Öffentlichkeit ermöglichen werde. Die Formulierung "Das Präsidium legt die inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben für die Vorberatungen der Ausschüsse fest" bedeute nicht, dass man die Ausschüsse inhaltlich oder zeitlich unter Kuratel stellen wolle. Die Ausschüsse seien festgelegt, jetzt sei der Ausschussobmann am Zug, die Aufgabenstellung zu vertiefen und zu präzisieren, um thematische Überschneidungen zu vermeiden. Abschließend hielt Präsident Fischer fest, dass es sich bei den Protokollen des Konvents nicht um stenographische Protokolle, sondern um reine Tonbandabschriften handle. Dass die Ausschussberichte den Mitgliedern vorgelegt werden, hielt Fischer für wichtig, um ihnen allenfalls Gelegenheit zu geben, eine abweichende Stellungnahme zu formulieren.

Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits stimmte dem Geschäftsordnungsentwurf ebenfalls zu, hielt aber fest, dass es sich um einen Kompromiss handle, "der nicht jedem 100-prozentiges Vergnügen bereitet". Ihr sei es wichtig, Hearings mit zivilgesellschaftlichen Organisationen abhalten zu können, sagte Abgeordnete Stoisits, die sich angesichts wiederholt abwesender Landeshauptleute zu der Warnung veranlasst sah, manche Landeshauptleute könnten sich zunächst darauf beschränken, "zu schauen, was die Wissenschaft zustande bringt".

Bei der Abstimmung wurde der Geschäftsordnungsentwurf unter Berücksichtigung des vorgelegten Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

Wie Präsident Fiedler einleitend feststellte, seien 10 Ausschüsse eingesetzt und die personelle Zusammensetzung der Ausschüsse 1 bis 9 bereits fixiert. Über die Vorsitzendenstellvertreter würden die Ausschüsse selbst abstimmen, die für diese Funktionen genannten Namen stellten vorderhand Vorschläge dar.

In der Debatte brachte Landtagspräsidentin Angela Orthner Wünsche einiger Konventsmitglieder zur Sprache, in anderen Ausschüssen tätig zu sein, als es die vorliegende Liste vorsehe. Sie schlug daher vor, die Listen zwar so zu belassen, wie sie abgefasst wurden, aber die Möglichkeit offen zu lassen, Ausschussmitglieder auszutauschen, wenn die Themen, die von den Ausschüssen behandelt werden sollen, abgegrenzt sind. Diese Arbeit sollte bereits im Sommer aufgenommen werden, sagte Landtagspräsidentin Orthner. .

Auch der Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, Werner Wutscher, trat dafür ein, die inhaltliche Klärung während der nächsten Monate rasch herbei zu führen. Er schlug vor, von Seiten des Präsidiums eine Checklist für die Themen auszuarbeiten, die in den Ausschüssen behandelt werden sollen. Für die Kommunikation zwischen den Ausschussvorsitzenden und dem Präsidium sollte eine Schnittstelle eingerichtet werden. Das Vertretungsrecht sollte möglichst gleichförmig wahrgenommen werden, um die Arbeit in den Ausschüssen nicht zu erschweren, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Verwaltungsreform.

Volksanwalt Peter Kostelka meinte. Es sei damit zu rechnen, dass die einzelnen Ausschüsse im Laufe ihrer Arbeit auf neue Themen stoßen werden und plädierte dafür, dass die Ausschüsse ihren Aufgabenbereich selbst definieren können. Als wichtig bezeichnete es Kostelka auch, den Ausschussbericht einer Endberatung zu unterziehen, damit jedes Mitglied die Möglichkeit habe, seine Position einzubringen. Peter Kostelka sprach sich dafür aus, ein Arbeitsprogramm zu erstellen, wobei es zuerst darum gehen müsse, eine Literaturübersicht zu gewinnen und den Ausschüssen die Möglichkeit zu geben, fachliche Unterstützung anzufordern und Aufträge zu erteilen.

Klubobfrau Madeleine Petrovic sah die Notwendigkeit intensiver Gespräche zwischen den Ausschussvorsitzenden und warnte davor, mit dem Beginn der Arbeit allzu lange zuzuwarten. Eine Schlüsselfunktion habe für sie Ausschuss "Legistische Strukturfragen", der sich zunächst der Überarbeitung der bestehenden Verfassung widmen und dann die Ergebnisse der anderen Ausschüsse einarbeiten sollte. Hinsichtlich des Vertretungsrechts in den Ausschüssen hielt Petrovic fest, dass die Ausschussmitglieder zu den Ergebnissen stehen sollten, die im Ausschuss erarbeitet wurden.

Auf Petrovics Klage, dass ihre Wortmeldung in der letzten Sitzung auf der Tonbandabschrift zu den Verhandlungen des Konvents nicht aufschiene, wohl aber die Reaktionen darauf, schlug ihr Präsident Fiedler vor, ihren Beitrag für das Protokoll nachzutragen. Er erklärte die Auslassung damit, dass ein Mikrophon während der Wortmeldung Petrovic nicht eingeschaltet und ihre Intervention daher nicht auf Band aufgezeichnet worden sei.

Universitätsprofessor Bernd-Christian Funk schlug vor, es den Ausschüssen, denen ein grobes Mandat gegeben wurde, selbst zu überlassen, Themen zu suchen und thematische Abgrenzungen vorzunehmen. Funk betonte die Bedeutung des freien Diskurses, was selbstverständlich nicht ausschließe, dass das Präsidium informiert wird. Auch Professor Funk unterstrich die Notwendigkeit, den Ausschüssen Infrastruktur und institutionelle Hilfen zur Verfügung zu stellen.

Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits schloss sich ihrem Vorredner an und betonte, wie wichtig es für die Arbeit der Ausschüsse sein werde auf Fachliteratur, internationale Rechtsvergleiche und personelle Infrastruktur zurückgreifen zu können. Die Bitte der Abgeordneten lautete, den Ausschüssen Personal zur Verfügung zu stellen.

Sektionschef Manfred Matzka sprach sich dafür aus, mit der Ausschussarbeit so rasch wie möglich zu beginnen, die Mandate aber nicht jetzt schon detailliert festzuschreiben, da sich thematische Abgrenzungen noch im Zuge der Ausschussarbeit ergeben würden. "Erweiterungs-, Abgrenzungs- oder Präzisierungsbedarf wird man erst erkennen, wenn man das Informationsmaterial gesichtet haben wird". Dann sollte eine Querabstimmung zwischen den Ausschüssen stattfinden, sagte der Sektionschef, der der Überzeugung Ausdruck gab, dass es viel Gesprächs- und Informationsbedarf zwischen den Ausschüssen und ihren Vorsitzenden geben wird. Außerdem trat Matzka dafür ein, eine Prioritätenreihung für die einzelnen Themen vorzunehmen, "weil es Themen gibt, die früher behandelt werden sollen als andere".

Nationalratspräsident Andreas Khol betonte, die Geschäftsordnung lege eindeutig fest, dass die Aufgaben und der Zeitplan für die Arbeit der Ausschüsse vom Präsidium festgelegt werden. Er erwarte, so Khol, dass vom Präsidium in kurzer Zeit für jeden einzelnen Ausschuss ein Arbeitsplan und ein Zeitplan vorgelegt werden können, die im Konvent beschlossen würden, bei dem es keine Überlappungen gibt und keine wertvolle Zeit verloren werde.

Ideal wäre seiner Meinung nach eine Vorgangsweise, wonach der Präsident des Konvents mit den Ausschussvorsitzenden und den vom Präsidium zur Wahl empfohlenen Stellvertretern sehr bald ein Individual- oder Kollektivgespräch führt, wie sich die Vorsitzenden ihren Arbeitsbereich vorstellen, welche Teile des Gebietes sie beackern wollen, und dass dann ein weitgehend überlappungsfreies Spektrum an Mandaten vorliegt, die im Präsidium beraten werden. Khol vertrat die Ansicht, man müsse "am Stück" arbeiten und sehr schnell "von der Lyrik in die Prosa" kommen, also zur Formulierung von Gesetzestexten.

So wie die Ausschussarbeit in der GO konzipiert ist, heiße das, dass die Ausschüsse zu dem ihnen erteilten Mandat einen Bericht vorlegen, der im Konvent diskutiert wird und parallel dazu im Präsidium; dieser Bericht komme aufgrund der Diskussion im Konvent und im Präsidium neuerlich in den Ausschuss zurück, werde dort entsprechend den Meinungen, die im Konvent geäußert werden, adaptiert, erweitert und ergänzt und gehe dann wiederum in das Präsidium, bis Konsens erzielt ist. Das heißt, es werde ein enges Zusammenwirken von Ausschuss, Präsidium und Konvent notwendig sein, sagte Khol, und all das im Hinblick auf das Zeitkorsett, das der Konvent sich selbst gegeben habe.

Was die Konstituierung der Ausschüsse betreffe, müsse man auf die Arbeitsmöglichkeiten im Konventbüro Rücksicht nehmen. Im Präsidium wurde gesagt, sechs oder sieben Ausschüsse können sofort konstituiert werden, weil die Arbeitskapazitäten vorhanden sind, der Rest erst im Herbst.

Claudia Kahr (Mitglied des VfGH) wies darauf hin, dass die notwendige Infrastruktur geschaffen werden müsse; ungefähr 10 Personen, die dem Konvent zuarbeiten, hätten noch unklare Verhältnisse. Der Konvent brauche professionelle Unterstützung und finanzielle Voraussetzungen, unterstrich sie und machte gleichzeitig darauf aufmerksam, dass das beschlossene Gesetz eine Hilfe, aber nicht der Weisheit letzter Schluss sei.

Der Konvent sei aufgerufen, eine Diskussion aufzugreifen, weiter- und zu Ende zu führen, die nicht neu ist, werde doch über die Reform der österreichischen Verfassung seit ihrem Beginn diskutiert, meinte Bernd-Christian Funk. Eine straffe Führung durch das Präsidium wäre mit dem Risiko der "sachlich unangemessenen Einengung" verbunden. Ihm sei unbegreiflich, dass man in dem Wunsch, die Ausschüsse sogleich beginnen zu lassen, damit sie die notwendige Sacharbeit leisten können, einen Zeitverlust sehen könnte. Welchen Grund könnte es geben, in diesem Bereich zu bremsen?

Johann Hatzl vertrat die Ansicht, er möchte nicht gerne in Ausschüssen mitarbeiten, in denen er Gefahr laufe, falls er sich im Grenzbereich der Gedanken befinde, vom Vorsitzenden darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass seine Ideen zwar interessant, aber nicht diskussionsfähig und weiterentwickelbar seien, weil man sich vielleicht eine Zustimmung vom Präsidium holen muss. Er sprach sich gegen eine Bevormundung der Konventsmitglieder aus. "Ich bin in den Konvent gegangen, um nicht Fachsklave eines Präsidiums zu werden, sondern einen Fachbasisbeitrag zu leisten."

Johannes Schnizer meinte, alle Ausschüsse sollten gleich zu arbeiten beginnen, die Intensivphase dieser Ausschüsse sollten jedoch in unterschiedliche Perioden gelegt werden. Fast alle Mitglieder des Konvents seien Mitglieder in mehreren Ausschüssen und können nicht in allen Ausschüssen gleichzeitig intensiv beraten. Andererseits seien die Ausschüsse von ihrer Aufgabenstellung her unterschiedlich strukturiert, sodass eine unterschiedliche Vorgangsweise nahe liegt. Die Ausschüsse 1, Staatsaufgaben und Ziele, 3, staatliche Institutionen, und 8, demokratische Kontrolle, die sich von den anderen Ausschüssen unterscheiden, könnten sofort in die intensive Beratungsphase eintreten; bei den anderen Ausschüssen sei zuerst gründliche Vorarbeit in der Materialsammlung und -sichtung erforderlich.

Maria Berger verwies auf die organisatorischen Erfahrungen im Europäischen Konvent, der über ein ausgezeichnetes Sekretariat, bestehend aus 20 hervorragenden VertreterInnen der juristischen Dienste des Rates der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, bestand. Hinter jeder dieser 20 Personen seien mindestens 3 bis 4 Personen gestanden, die für juristische Facharbeit, aber auch für organisatorische Arbeiten verantwortlich waren. Diese ausgezeichnete Infrastruktur habe es den Mitgliedern des EU-Konvents erlaubt, im Plenum wie in den Arbeitsgruppen sehr konzentriert und fundiert zu arbeiten. Ein solche Infrastruktur benötige auch der Österreichische Konvent.

Herwig Hösele erachtete es für notwendig, dass seitens des Vorsitzenden des Konvents und des Präsidiums mit den Ausschussvorsitzenden und den Stellvertretern in den nächsten Wochen das konkrete Mandat erarbeitet wird und dass sich dann relativ rasch die Ausschüsse konstituieren und die Zeitschienen festgelegt werden. Einen künstlichen Widerspruch zur gemeinsam beschlossenen Geschäftsordnung und zur Arbeitsweise, wie sie letztlich auch formuliert wurde, sah er nicht.

Ulrike Baumgartner-Gabitzer erklärte, man sei, wenn man jetzt festlege, was alles dazu kommen könne, überfordert. Da der Konvent nur 18 Monate Zeit habe und so rasch als möglich zu ersten Papieren und ersten Unterlagen kommen solle, sollte man die etwas künstlich herbeigeredeten Widersprüche begraben und sollte schauen, dass die Ausschussvorsitzenden mit ihren Stellvertretern und mit ihren Mitgliedern zu einem Arbeitsprogramm kämen.

Die Zusammensetzung der Ausschüsse und deren Vorsitzende wurden von den Mitgliedern des Konvents einstimmig akzeptiert. (Siehe dazu PK Nr. 607!)

Konventspräsident Franz Fiedler strich heraus, dass an eine Einengung der Tätigkeit der Ausschüsse nicht gedacht sei. Das Präsidium werde eine Vorgangsweise wählen, wie sie im Europäischen Konvent der Fall war und wie sich bewährt habe, sagte er. Befürchtungen, dass Restriktionen für die Ausschusstätigkeit entstehen könnten, seien nicht gegeben.

Der für den 27. August ins Auge gefasst Termin für eine Sitzung des Konvents wird voraussichtlich nicht in Anspruch genommen.
     
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