Prominenten-Arzt mit Lufthoheit  

erstellt am
29. 07. 03

Schruns (twp.at) - Schruns im Montafon Riss der Seitenbänder und des Kreuzbandes im linken Knie, Abriss und Einklemmung des Meniskus, Bruch des Wadenbeins, Teilriss des Seitenbandes und Abrissbruch des Kronenfortsatzes am Ellbogen: Die Diagnose war für die ehemalige Schiweltmeisterin Renate Götschl nicht ermutigend. Zwei Stunden lang hat sie der Vorarlberger Sportchirurg Christian Schenk nach ihrem Sturz 2002 beim Weltcuprennen im schweizerischen Lenzerheide operiert – heute fährt Götschl im internationalen Schizirkus wieder vorne mit.

Renate Götschl ist nicht die einzige prominente Patientin im Sanatorium Dr. Schenk im Vorarlberger Ort Schruns. Dort sind schon Hannes Trinkl, Pepi Strobl, Martina Hingis, Janica Kostelic, Anita Wachter, Patrick Ortlieb, Marc Giradelli, Sonja Nef, der König von Jordanien oder Caroline von Monaco auf dem Operationstisch gelegen. Doch Schenk behandelt nicht nur bekannte Unfallopfer, denn er hat bisher mehr als 20.000 Patienten in seiner Privatklinik operiert.

"Es haben sich in der Anfangszeit die richtigen Leute weh getan", erklärt Christian Schenk den Grund für die Bekanntheit der Klinik. Der heute 50-jährige Wiener startete 1989 im Kurhotel Schruns mit ambulanten Operationen. Ausgelegt war der Standort mit zwei Untersuchungsräumen, einem Operationssaal und einem Wachraum mit drei Mitarbeitern für 200 Operationen. Am Ende der ersten Saison waren es schon 450 Operationen und elf Mitarbeiter. "Wir haben auf einer Baustelle operiert. Dauernd wurde irgendwo erweitert", erinnert sich Schenk.

Mehr als 2.200 Patienten pro Jahr
Als Mitte der 90er-Jahre die Zahl der Operationen pro Jahr auf 1.200 kletterte, war das Platzangebot mit 600 Quadratmetern erschöpft. Schenk erhielt die Genehmigung zur Errichtung einer Privatklinik in Schruns. Das 6.500 Quadratmeter große Grundstück kaufte er der Gemeinde ab. Dort steht seit 1995 das vom Bruder und Architekten Sebastian Schenk geplante Sanatorium mit drei Operationsräumen, Aufwach- und Therapieräumen, acht Patientenbetten, 50 Tiefgaragenplätzen und einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Die Nutzfläche hat sich mit 2.400 Quadratmetern auf drei Etagen nahezu vervierfacht.

Gegenwärtig operieren und behandeln Christian Schenk, der Assistenzarzt Wolfgang Mayer und seine 70 Mitarbeiter etwas mehr als 2.200 Patienten pro Jahr. Dabei geht es um Verletzungen im Bereich von den Zehen bis zu den Knien und von den Fingern bis zur Schulter. Mit fast 1.300 Eingriffen findet der Großteil der Operationen in der Wintersaison statt. In der kalten Jahreszeit wird rund um die Uhr gearbeitet, im Sommer nur an drei Tagen in der Woche operiert.

"Unser Geschäft beruht auf der Idee, dass wir die Verletzten aus den Schigebieten rasch versorgen können", erläutert Schenk. Diese Verletzten – nicht nur Wintersportler - sind überwiegend Privatpatienten, denn die öffentlichen Krankenkassen zahlen nur einen kleinen Beitrag für Behandlungen in der Privatklinik. Wieviel Umsatz oder Gewinn Schenk mit seinen Patienten macht, bleibt trotz Nachfrage sein Geheimnis.

Zum Einsatz kommt Schenk vor allem in den Schigebieten der Hochjochbahnen über Schruns, am Golm, in der Silvretta Nova, in Gargellen sowie in Ischgl in Tirol. Mit den Hochjochbahnen als einem der wichtigsten Frequenzbringer verbindet Schenk mehr als nur die Versorgung der Unfälle. Denn über das Sanatorium ist er an den Hochjochbahnen mit 1,2 Prozent beteiligt. Der Schriftzug "Sanatorium Dr. Schenk" auf den Hindernis-Schutzpolstern, die Schifahrer vor Verletzungen schützen sollen, sorgt regelmäßig für Schmunzeln unter den Wintersportlern.

Eigene Hubschrauberflotte
Rund 30 Prozent von Schenks Patienten werden per Hubschrauber abgeholt und auf das Dach der Privatklinik geflogen. Seit der Wintersaison 1999/2000 führen dies die Helikopter der zum Schenk-Imperium gehörenden Schenk Air durch. Ein Helikopter ist in Schruns stationiert, der andere seit Anfang 2001 auf einem Flugdeck in 2.400 Meter Seehöhe im Schigebiet von Ischgl. Damals war es zu Reibereien mit dem ÖAMTC gekommen, der bis dahin das Tiroler Gebiet mit Rettungshubschraubern versorgte und einen Kampf um die zahlungskräftigen Privatpatienten fürchtete.

Gegenwärtig gehören zur Schenk Air zwei Hubschrauber der Marke Agusta A 109 Power im Gesamtwert von acht Millionen US-Dollar, die sich über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren amortisieren sollen. Im Winter sind beide Fluggeräte im Einsatz, der Tiroler Hubschrauber wird über die Sommermonate nach Nantes in Frankreich vermietet, wo er Krankenhausflüge durchführt.

Die Hubschrauber werden nicht vom Sanatorium betrieben, sondern von der Schenk Luftfahrzeug Vermietungs GmbH, welche die Helikopter an die Schenk Air GmbH für den Flugbetrieb vermietet. Beide Unternehmen gehören mit der Sanatorium Dr. Schenk GmbH zur Schenk Holding GmbH, hinter der als Alleineigentümerin die Dr. Christian Schenk Privatstiftung steht. "Damit soll das Sanatorium vor Haftungen nach eventuellen Flugunglücken geschützt werden", so der begeisterte Hubschrauberpilot Schenk.

Unbegründet sind diese Vorsichtsmaßnahmen nicht. Ende Februar 2001 stürzte einer der Schenk-Hubschrauber beim Landeanflug in Ischgl ab, der Pilot erlitt Kopfverletzungen, die Maschine hatte Totalschaden. Weniger glimpflich verlief ein Zwischenfall im Oktober des Vorjahres. Damals verklemmte sich wegen eines technischen Gebrechens ein Regler im Triebwerk, die Schenk-Maschine flog mit Vollgas und einem Flugretter am Bergetau durch Vorarlberg. Über dem Harder Binnenbecken klinkte der Pilot den Bergretter aus, der den Aufprall auf dem Wasser nicht überlebte. Der Pilot schaffte eine Notlandung.

Probleme mit den Anrainern
Die Hubschrauber haben sich nicht nur Freunde in Schruns gemacht. Zur Jahreswende 2002/2003 begann sich der Widerstand gegen den Lärm zu formieren. Eine Plattform gegen Fluglärm sammelte mehr als 300 Unterschriften aus der Gegend.

Anrainerin Ingrid Böhler, Sprecherin der Plattform und Frau des Arztes und FPÖ-Gemeinderates Norbert Böhler, hat mehr als 600 Flüge auf Video aufgenommen. Sie will dokumentieren, dass viele Einsätze ihrer Ansicht nach Bagatellflüge seien, in denen Patienten mit dem Rettungsauto transportiert werden könnten. Deshalb soll die Zahl der Flüge massiv zurückgeschraubt werden. Vorsprachen beim Landeshauptmann waren erfolglos, jetzt hoffen die Initiatoren nach einem Gespräch Anfang Juli auf die Unterstützung durch den Volksanwalt. Bereits aktiv geworden ist im März 2003 die Bezirkshauptmannschaft Bludenz. Sie will die Situation in einem Verwaltungsverfahren überprüfen.

Schenk bleibt in der Angelegenheit gelassen. "Wir haben eine Zulassung für Ambulanz- und Rettungsflüge und halten uns an die Auflagen. Über das Jahr verteilt gibt es täglich 2,4 Starts oder Landungen, zudem fliegen wir nur in der Wintersaison." In dem im April 2001 bei der Landesregierung eingereichten Antrag auf Erweiterung der Landeplattform sieht Schenk eine Verminderung der Lärmbelastung. Denn durch eine absenkbare Plattform müsse ein Hubschrauber nicht weggeflogen werden, wenn ein anderer landet. "Ganz zu schweigen von den An- und Abflügen morgens und abends." Bis dato hat er vom Land allerdings kein grünes Licht bekommen.

Die Gemeinde Schruns befindet sich in einem Dilemma. ÖVP-Bürgermeister Erwin Bahl möchte sich nicht mit dem Teil der Bevölkerung anlegen, der gegen die Hubschrauber ist. Andererseits verzichtet er ungern auf die Kommunalsteuer, die der 70-Mitarbeiter-Betrieb abliefert. Als wichtigstes Argument sieht Bahl aber den Werbeeffekt von Schenks prominenten Patienten.

Zum offenen Konflikt wird es nicht kommen, denn dem Kampf mit den Anrainern weicht der ehemalige UNO-Soldat Schenk aus. "Die Helikopter sind Bestandteil unseres Klinikkonzeptes. Wir können keine Einschränkung hinnehmen. Wenn man uns hier nicht will, dann gehen wir woanders hin." Es gebe viele Interessenten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die ihre Angel auswerfen würden. Einen ersten Schritt habe er vor kurzem durch den privaten Kauf einer Immobilie außerhalb von Österreich gesetzt. Details wollte er nicht nennen. Nur soviel: "Dorthin kann man auch den Klinikbetrieb nachziehen."

Ausbau der zivilen Flüge durch neuen Heliport
Schenk hat mit seinem Flugunternehmen noch andere Pläne. Im April dieses Jahres kaufte er von der Firma Rüscher in Gisingen bei Feldkirch einen Heliport samt Hangar und zwei Abstellplätzen. Von dort will er ab 2004 die in Schruns untersagten zivilen Flüge durchführen. "An diesem Heliport dürfen wir tagsüber zivile und Rettungsflüge fliegen," erklärt Schenk den Hintergrund des Kaufes, "die zivilen Bedarfsflüge werden wir massiv ausbauen." Für 2.500 Euro pro Flugstunde kann der Helikopter unter anderem für Geschäftsreisen gemietet werden. Über das geschäftliche Potential des Vorhabens für eine exklusive Klientel schweigt er sich aber aus.

Dass er den Umgang mit prominenten Fluggästen beherrscht, bewies Schenk im Frühjahr 2002. Damals flog er den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zu einem Auftritt auf die Idalpe in Ischgl. "No surgery, please", war dabei der Wunsch von Clinton. "Not yet", gab ihm Schenk zu verstehen.

Redaktioneller Hinweis:
Dieser Artikel wurde im Auftrag der Liechtensteiner Wirtschaftszeitung "Wirtschaft regional" recherchiert und dort kürzlich veröffentlicht. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in Österreich.
     
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