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Gefahrlos in die Feuerhölle
Leoben (idw) - Die Entwicklung eines Simulators für Feuerwehrleute ist ein EU-Projekt, mit dem sich das Christian-Doppler-Labor für Rechnergestützte Angewandte Thermofluiddynamik an der österreichischen Montanuniversität Leoben beschäftigt.
"Simulation ist nach Versuch und Rechnung das dritte Standbein im Ingenieurwesen" - eine Säule, der sich Dr. Wilhelm Brandstätter, Professor an der österreichischen Montanuniversität Leoben und Leiter des Christian-Doppler-Laboratoriums für Rechnergestützte Angewandte Thermofluiddynamik, voll und ganz widmet. Der sperrige Name des Labors umschreibt in wissenschaftlichem Jargon, welche Simulationen im Mittelpunkt stehen: Strömungs- und Verbrennungsprobleme. Mit enormer Hitze beschäftigt sich das EU-Projekt "Virtual Fires", an dem das CD-Labor beteiligt ist. Ziel ist die Entwicklung eines Simulators für Tunnelbrände, mit dem Feuerwehrleute auf Einsätze bei Tunnelkatastrophen geschult werden können.
Das Leobener CD-Labor vernetzt sich mit diesem Projekt mit weiteren sechs Forschungsinstitutionen und Firmen aus fünf EU-Ländern. Mit dabei als Anwender - ist die Feuerwehr Dortmund. Der Durchführung dieses EU-Projektes geht, so Brandstätter, "eine lange Geschichte" voraus. Im Mai 2000, als an der Montanuniversität die ScienceWeek abgehalten wurde, besuchte Professor Dr. Gernot Beer vom Institut für Baustatik der TU Graz den Leiter des Leobener CD-Labors und trat mit der Projektidee an Dr. Brandstätter heran. Weitere Bekannte und Freunde wurden angeschrieben, ein Workshop in Graz führte zu einem Projektantrag, den das Grazer Institut bei der EU einreichte. Der Antrag war erfolgreich und die Finanzierung ist nun fix. Über 2 Millionen Euro werden ab Oktober in die Umsetzung investiert. Im CD-Labor werden in den nächsten zweieinhalb Jahren rund 335.000 Euro für die Forschungsarbeit aufgewendet. Schwerpunkt von Wilhelm Brandstätter wird die Simulation der Rauchgasausbreitung sein.

Kunst der Modellbildung
Mit aufwendigen Simulationsverfahren wird "ähnlich wie bei Wetterprognosen" berechnet, was in einem Tunnel passiert, wenn zum Beispiel ein Tank platzt. Die Rechenmodelle beruhen auf grundlegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten wie Massen- und Impulsbilanzen, die in Form von Differentialgleichungen dargestellt werden. Die "Kunst der Modellbildung", so Brandstätter, besteht darin, komplexe physikalische und chemische Prozesse so abzubilden, daß sie ein möglichst detailgetreues Bild der Wirklichkeit ergeben und mit den heute vorhandenen Computern berechnet werden können. Entscheidend bei Tunnelbränden ist der "kritische Faktor Zeit". Die Flammen können sich mit bis zu 150 Metern pro Sekunde ausbreiten. Die Entscheidungen des Feuerwehrpersonals müssen also im wahrsten Sinn des Wortes blitzschnell fallen. Der Simulator "Virtual Fires" dient zur Übung des Verhaltens in Extremsituationen. Darüber hinaus wird die fertige Software die Überprüfung der Brandsicherheit von bestehenden und geplanten Tunnels ermöglichen.
Die Simulationen erlauben es, Experimente durchzuführen, wie sie in der Realität einfach nicht machbar sind. Einen Tunnel in Brand zu stecken, um die Sicherheitseinrichtungen zu überprüfen, ist eben nur sinnvoll mit Simulationen - also virtuell - möglich. Außerdem seien, meint Brandstätter, "verschiedene Szenarien darstellbar". Die Simulation als drittes wissenschaftliches Standbein wird generell immer bedeutsamer. Brandstätter: "Wie wir nun forschen können, ist erst durch die heutigen Rechnerleistungen möglich, Basis sind jedoch physikalische Gesetzmäßigkeiten, die seit mehreren hundert Jahren bekannt sind."
Dr. Wilhelm Brandstätter leitet seit Jänner 1999 das CD-Labor für Thermofluiddynamik an der Montanuniversität Leoben. Er studierte Verfahrenstechnik an der TU Graz, arbeitete fast 20 Jahre beim Grazer Motorenentwickler AVL List und habilitierte sich an der Montanuniversität. Mit dem CD-Labor betreut der Wissenschaftler neben dem Projekt "Virtual Fires" weitere größere Projekte, die sich z. B. der Weiterentwicklung von Abgasanlagen von Dieselmotoren, der Optimierung des Abkühlverhaltens von Stahlbrammen oder der Trocknung von Betonfertigteilen widmen. Insgesamt verfügt das Labor über ein Budget von jährlich ca. 730.000 Euro, das gänzlich aus Drittmitteln stammt. Das Leobener Labor ist eine von 19 derartigen Einrichtungen an Österreichs Universitäten, wobei die Montanuniversität gegenwärtig vier Labors beheimatet. CD-Labors werden von der österreichischen Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft, einem gemeinnützigen Verein mit Mitgliedern aus Industrie, Wissenschaft und öffentlicher Hand, für die Laufzeit von sieben Jahren an den Universitäten eingerichtet. Ziel der Forschungsgesellschaft ist die "Förderung der Naturwissenschaften, der Technik und der Ökonomie sowie deren wirtschaftliche Umsetzung und Anwendung. Sie ermöglicht talentierten Wissenschaftern an renommierten Forschungsstätten, qualitativ hochwertige Forschung und Wissenstransfer, ausgerichtet auf die Wünsche und zum Vorteil der heimischen Industrie, zu leisten."