Wissenschaft in Europa
der Woche vom 20. 08. bis 26. 08. 2002

   
Protein-Kristalle für Krebsforschung auf ISS gezüchtet
Hamburger Forscher sucht nach optimierter Tumorbekämpfung
Hamburg (pte) - Die internationale Raumstation ISS wird auch für medizinische Zwecke genutzt: Der Hamburger Biochemiker Wolfgang Weber züchtet in der Schwerelosigkeit Protein-Kristalle. Diese sollen in weiterer Folge als Tumorbekämpfer eingesetzt werden, berichtet die Nachrichtenagentur ddp. Forschungsziel ist es, mehr Klarheit in die dreidimensionale Struktur des so genannten EGF-Rezeptorproteins zu bringen. Weil diese Proteine in der Schwerelosigkeit eher Kristalle bilden, haben die Forscher die Eiweiße aus menschlichen Tumorzellen isoliert und sie zur Raumstation geschickt.
Seit der Entschlüsselung des Erbguts ist bekannt, dass 40.000 bis 50.000 verschiedene Proteine das menschliche Leben ausmachen. Die Funktionen der meisten sind noch unbekannt. "Um diese Lebensmoleküle vollends zu verstehen, muss man ihre Struktur kennen", so Weber, der an der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf (UKE) arbeitet. Um die Form eines einzelnen Proteins zu ermitteln, wird es zunächst aus menschlichem Gewebe isoliert oder gentechnisch hergestellt, um es dann zu kristallisieren. Denn erst aus den Kristallen lässt sich mit physikalischen Methoden die Form des Moleküls ableiten. "Es sieht so aus, als seien genügend große Kristalle dabei", erklärte der Forscher.
Das EGF-Rezeptorprotein kommt auf vielen Tumorzellen vor. Für die Krebsforschung sei es bedeutsam, weil es maßgeblich an der Wachstumskontrolle von Zellen beteiligt ist. "Kürzere Experimente gab es zwar schon während früherer Space Shuttle-Missionen, damals reichte die Zeit von maximal zwei Wochen für die Bildung ausreichend großer Kristalle aber nicht aus", so Weber. Die Wissenschaftler setzten ihre Hoffnung auf das jüngste Experiment. Mit einer Raumfähre wurde die Versuchsreihe im April zur Raumstation gebracht und erst nach mehr als acht Wochen wieder von der ISS abgeholt.
Die im Weltraum gezüchteten größeren Eiweiß-Kristalle werden derzeit von Physikern am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamburg analysiert. In den nächsten Monaten erhofft sich Weber wichtige Fortschritte bei der Entschlüsselung der Proteinstruktur. "Wenn das gelingt, könnte damit die Basis zur Entwicklung einer neuartigen Tumortherapie gelegt werden", meint der Wissenschaftler. Da der untersuchte EGF-Rezeptor für die Übermittlung von Wachstumssignalen verantwortlich ist, lässt sich vermutlich auch das Wachstum von Tumorzellen hemmen, wenn man dieses Protein durch spezifische Wirkstoffe blockiert. Damit solche aber hergestellt werden können, muss das Protein erst das Geheimnis seiner Struktur preisgeben.

 
Chancenungleichheiten im Wissenschaftssystem
Zürich (alphagalileo) - Frauen und Hochschulabsolventen und -absolventinnen aus tieferen sozialen Schichten haben deutlich geringere Chancen, in der Wissen-schaft Karriere zu machen: Sie haben das kleinere Beziehungsnetz, und insbesondere Frauen publizieren weniger. Diesen Zusammenhang zwischen Geschlecht, sozialer Herkunft und den verschiedenen Karriereschritten auf dem Weg zur Professur zeigt für die Schweiz erstmals eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds auf.
An den Schweizer Hochschulen ist die überwiegende Mehrzahl des Lehr- und Forschungspersonals männlich und stammt überproportional aus oberen sozialen Schichten. Nur gerade sieben Prozent der Professuren sind von Frauen besetzt – dies, obwohl der Anteil der Studentinnen in den letzten Jahren in allen Fächern stetig zugenommen hat. - Haben Frauen und Männer sowie die Nachkommen aller sozialen Schichten grundsätzlich die gleichen Chancen, nach dem Studium eine akademische Karriere zu machen?
Dieser Frage ging Regula Julia Leemann in ihrer kürzlich veröffentlichten Dissertation „Chancenungleichheiten im Wissenschaftssystem“ nach, die im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Zukunft Schweiz“ unterstützt wurde. Auf der Basis von Befragungen von rund 1900 Hochschulabgängerinnen und –abgängern während der ersten fünf Jahren nach ihrem Studienabschluss sowie von rund 1000 Angehörigen des oberen Mittelbaus an Schweizer Universitäten untersuchte die Soziologin drei Parameter, die sich in ausländischen Forschungen zu ähnlichen Fragestellungen als relevant erwiesen haben: die Karriereschritte nach dem Studienabschluss, das wissenschaftliche Kontaktnetz und die Anzahl Publikationen.

Frauen sind besonders benachteiligt
Die Studie nimmt das Fazit gleich im Titel vorweg: Ja, es bestehen ungleiche Chancen, an der Universität Karriere zu machen – besonders für Frauen, wie sich bereits zu Beginn der akademischen Laufbahn abzeichnet: So etwa nahmen die befragten Wissenschaftlerinnen nur gerade halb so oft eine Doktorarbeit in Angriff wie ihre männlichen Kollegen. Insbesondere in den Naturwissenschaften zeigten sich grosse Unterschiede, während die Frauen in anderen klassischen Männerdomänen wie der Physik und Mathematik oder den Technischen Wissenschaften ähnlich oft promovierten wie die Männer. Bei der Aufnahme eines Post-Doc-Studiums oder einer forschungsnahen Anstellung nach der Promotion scheinen die Karrierechancen dann für beide Geschlechter etwa gleich zu sein; nicht untersucht wurde allerdings mangels Daten der Qualifizierungsschritt der Habilitation.
Als wichtigen Bremsfaktor in der akademischen Laufbahn von Frauen nennt die Studie deren signifikant kleineres wissenschaftliches Kontaktnetz. Der von Leemann entwickelte Indikator, der das wis-senschaftliche Netzwerk nach Anzahl kontaktierter Institutionen und Kontakt-Häufigkeit bemisst, beträgt für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs 17,7, für den männlichen 20,8, wobei das erreichte Punktmaximum bei 74, das Minimum bei 0 liegt. Die Grösse des wissenschaftlichen Netzwerks beeinflusst nach Leemanns Ergebnissen auch den Publikationsoutput. Wer besser vernetzt ist, publiziert mehr. Die nach Publikationsart gewichtete und nach Dis-ziplinen standardisierte Messgrösse wird für die Nachwuchswissenschaftlerinnen mit 0,36, für die Nachwuchswissenschaftler mit 0,51 angegeben, wobei 0 dem Minimalwert, 0,43 dem Durchschnittswert entspricht.
Den tieferen Vernetzungsgrad und Publikationsoutput bewertet die Studie unter Berücksichtigung von Teilzeitarbeit und anderen Fak-toren als massgeblicher für den Rückstand der Frauen in der Wis-senschaft als die oft genannte Kinderfrage.

Die Mutter ist ausschlaggebend
Etwas weniger klar als bei Frauen traten Benachteiligungen bei Stu-dienabsolventen und -absolventinnen aus sozial weniger privilegierten Familien zutage. Besonders bei den Exakten Wissenschaften sowie den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften scheinen sie schlechtere Voraussetzungen zu haben als Kinder aus Akademikerfamilien. Wie die Untersuchung weiter belegt, tendieren in Akademikerfamilien die Söhne eher zu einer wissenschaftlichen Karriere, wenn die Väter bereits studiert haben; die Töchter hingegen zeigen keine höheren Neigungen zu einer akademischen Laufbahn – es sei denn, die Mutter hat ebenfalls ein Hochschulstudium absolviert und gilt so als Vorbild. Auch publizieren die weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchskräfte weniger, wenn die Mutter nicht berufstätig ist oder einer tieferen sozialen Schicht angehört.
Allgemein finden Hochschulangehörige aus Akademiker-, Manager-, Grossunternehmer- oder höheren Beamtenfamilien etwas leichter Zugang zu den wissenschaftlichen Netzwerken. Frauen aus der Arbeiterklasse erwiesen sich indes als nicht wesentlich schlechter im Knüpfen von Kontakten als Töchter aus gutem Hause, was für den männlichen Nachwuchs aus der Arbeiterklasse nicht zutraf.
Förderprogramme besonders am Anfang wichtig Die erwähnten Unterschiede lassen sich laut Studie nicht mit der fachlichen Leistung erklären. Vielmehr hätten die untersuchten Gruppen in dem von „Männlichkeit“ und „Intellektualität“ geprägten Wissenschaftsbereich Mühe, sich als legitime Nachfolger bzw. Nachfolgerinnen zu positionieren und kämen schlechter an relevante Positionen heran, wird betont. „Da unsere Gesellschaft auf dem Prinzip von Chancengleichheit und Leistung beruht, sind solche Ungleichheiten besonders stossend“, erklärt Soziologieprofessor Christian Suter von der ETH Zürich, der die von Professorin Marlis Buchmann betreute Studie mitbegutachtet hat und unter anderem Mitglied der Gleichstellungskommission des Schweizerischen Nationalfonds ist. Daher seien Förderprogramme besonders bei den ersten Karriereschritten wichtig.

Organisation: Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

 
Rundfunkarchiv schützt Ton-Dokumente mit Wasserzeichen
Fraunhofer IPSI entwickelt digitales Siegel
Frankfurt/Main (pte) - Das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) schützt seine Ton-Dokumente künftig mit Hilfe eines digitalen Wasserzeichens. Das am Mittwoch (21. 08.) in Frankfurt am Main vorgestellte System, mit dem rund 20.000 digitalisierte Dokumente vor unerlaubtem Gebrauch gesichert werden sollen, wurde vom Fraunhofer Institut Integrierte Publikations- und Informationssysteme (IPSI) entwickelt.
In die archivierten Dokumente werde wie ein Wasserzeichen eine zwölf Bit lange Kennung mit dem Schlüssel des DRA und einer Katalognummer eingebettet, sagte Martin Steinebach, Leiter der Forschungsgruppe am IPSI. Durch die nicht hörbare Kennung bleibe der Urheber der Datei, das DRA, auch bei einer illegalen Weitergabe des Dokuments erkennbar. Die eingebettete Katalognummer erlaube eine eindeutige Zuordnung und weise auf den Inhalt der jeweiligen Datei hin. Auch eine Nachbearbeitung der Audiodateien könne das nicht verhindern, weil das Wasserzeichen alle 30 Sekunden wiederholt wird, berichtet der Nachrichtendienst ddp.
Die Technik des Fraunhofer Instituts verhindert demnach auch die nachträgliche Veränderung von Ton-Dokumenten. Mit dem Wasserzeichen werden auch inhaltliche Merkmale gespeichert. Bei einem späteren Vergleich mit dem tatsächlichen Inhalt könnten so Manipulationen nachgewiesen werden.
Darüber hinaus ermögliche das Wasserzeichen eine Kontrolle und Verlängerung von Ausleihfristen, sagte Steinebach. Leiht etwa ein Fernsehsender ein digitalisiertes Ton Dokument aus, wird es mit einem Verfallsdatum versehen, nach dessen Ablauf die Dateien nicht mehr abgespielt werden kann. In einem weiteren Schritt könne über die gleiche Technik jedoch auch die Ausleihfrist verlängert werden. Das Dokument würde dann mit einem neuen Verfallsdatum versehen.
Künftig sehen die Forscher nach eigenen Angaben auch die Möglichkeit, mit Hilfe digitaler Wasserzeichen, die Nutzung nicht nur zeitlich, sondern auch auf bestimmte Anwender zu beschränken. Mit der Technik könnten die jeweiligen Nutzer authentifiziert und ihre Berechtigung überprüft werden. Ein ähnliches System hatte die Musikindustrie in den USA im vergangenen Monat für Webradios gefordert.

 
Krebsschmerz erfolgreich bekämpfen
Ergebnisse des Informationsdienstes Krebsschmerz ermutigend.
Heidelberg (alphagalileo) - Vier Wochen nach ihrem ersten Anruf wurden die Patienten, die den Informationsdienst Krebsschmerz im Deutschen Krebsforschungszentrum (Telefon-Nummer ++49 / 6221 / 42 2000) kontaktiert hatten, gefragt, ob aufgrund der vermittelten Informationen eine Veränderung ihres Befindens eingetreten ist. Bei 61% der Anrufer hatte sich die Situation zum besseren verändert, und zwar vor allem aufgrund einer ergänzten oder veränderten Therapie.
Die Anrufer, die zu 80% ein erneutes Gespräch mit dem Arzt suchten, erhielten im folgenden entweder andere Schmerzmedikamente oder die Dosierung und die Form der Einnahme wurde dem internationalen Stand des Wissens angepasst und zusätzlich wurden die Nebenwirkungen der Schmerztherapie behandelt. Nur ein geringer Teil der anrufenden Patienten hat auch den Arzt gewechselt.
Die Anstöße des Informationsdienstes Krebsschmerz hatten insofern ein sehr positives Ergebnis, als sich nach Angabe der Anrufer innerhalb von vier Wochen nach dem ersten Gespräch tatsächlich die Schmerzstärke um zwei Punkte auf einer Skala von 0 bis 10 verringert hat.
Die Rückrufe durch Mitarbeiter des Dienstes fanden nach Zustimmung durch die ansonsten anonym anrufenden Patienten erst bei einer kleinen Zahl von Menschen statt, da bisher nur die Zeit von Februar bis Juni 2002 in die Befragung einbezogen werden konnte.
Eine Tendenz wird jedoch deutlich sichtbar: Information für Patienten hilft, Barrieren zwischen Patient und Arzt zu überbrücken, unterstützt klärende Gespräche und die bessere Einschätzung der Situation des Patienten durch den behandelnden Arzt. Auf diese Weise sind bessere Behandlungsergebnisse zu erzielen und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird gestärkt.
Der Informationsdienst Krebsschmerz, angegliedert an den Krebsinformationsdienst, wird von den Spitzenverbänden der Krankenkassen finanziert und hat die Information von Patienten, Angehörigen und Freunden über die optimale Schmerztherapie bei Krebserkrankungen zum Ziel. Der Dienst ist Montags bis Freitags von 12 bis 16 Uhr besetzt.

 
Fokussierte Solarenergie konkurriert mit Laserchirurgie
Mini-Schüssel konzentriert Sonnenstrahlen um das 15.000-fache
London (pte) - Forscher des Jacob Blaustein Institute for Desert Research der Ben-Gurion-University of Negev haben die ersten Versuche auf dem Gebiet der Solar-Chirurgie durchgeführt. Dabei wird Gewebe mit konzentriertem Sonnenlicht erwärmt, berichten die Forscher in der aktuellen Online-Ausgabe von Nature http://www.nature.com.
Die Sonnenstrahlen könnten eines Tages zur Entfernung von Tumoren eine Alternative zur Laserchirurgie darstellen. Die Technologie habe zudem das Potenzial, Solarkraft kostengünstiger nutzbar zu machen, indem Sonnenlicht auf kleinen Solarpanelen konzentriert wird.
Die Technologie basiert auf einer gebogenen, plattenförmigen Mini-Schüssel mit einem Durchmesser von 200 mm, die Sonnenlicht auf einem Punkt fokussiert und dieses um das 15.000-fache konzentriert. "Wir wollen Sonnenlicht auf einen Wert im Bereich nahe der Sonne konzentrieren", erläuterte Jeffrey Gordon vom Jakob Blaustein Institute. Die Schüssel bündelt das Licht in ein Glasfaserkabel, das den Strahl theoretisch über das Krankenhausdach in den Operationssaal leiten könnte. Gordon schlägt die Schüssel für den Einsatz in Entwicklungsländern vor, da sie im Gegensatz zur Laserausrüstung wesentlich billiger sei. "Eine einzige Lasereinheit kostet mehr als 100.000 Dollar. Die Kosten der Solar-Einrichtung, die serienmäßig produzierte Bestandteile inkludiert, liegen bei rund 1.000 Dollar", betonte der Forscher.
Das Team um Gordon testete den Sonnenstrahl an Hühnerbrüsten und -leber. "Die Wirkung auf das Gewebe war mit der Erwärmung durch Laser vergleichbar", so der Leber-Chirurg Solly Mizrahi von der Ben-Gurion-University. Beschränkungen gebe es trotz der optimalen Einsatzmöglichkeit für Leberoperationen. So könnten z.B. keine Notoperationen durchgeführt werden, denn eine vorbei ziehende Wolke mache bereits einen Eingriff unmöglich. Aus diesem Grund sei die Technologie auf sonnige Standorte beschränkt, so Gordon.
Die Forscher sehen ein großes Zukunftspotenzial der Schüssel in der Solarenergie-Industrie. Man hofft, dass durch die Technologie die Kosten der sonnen-generierten Energie gedrosselt wrden können. Bestehende Solarzellen konvertieren Sonnenlicht direkt in Elektrizität. Die Solarzellen sind zwar effizient, aber ihre Halbleiter-Materialen teuer. Fokussiere man eine große Sonnelichtmenge auf einen Mini-Chip wäre die ein bedeutender Kostenvorteil, so die Forscher. Erste Versuche haben bereits gezeigt, dass eine einzige Schüssel bis zu fünf Watt Energie generiert. In einer Serie aneinandergereiht könnte eine 60-Watt-Glühbirne zum Leuchten gebracht werden.