Wissenschaft in Europa
der Woche vom 27. 08. bis 02. 09. 2002

   
Schiffe im "Strom-Mantel" gegen Seepocken
Rostocker Firmen testen Alternative zu giftigen Bewuchsschutzsanstrichen
Rostock (pte) - Rostocker Wissenschaftler testen derzeit eine Alternative zu giftigen Schiffsanstrichen. Die Forscher umhüllen den Schiffsrumpf eines Marineschleppers mit einem schützenden, für unbeteiligte Organismen ungefährlichen "Strom-Mantel".
Das System könnte 2003, pünktlich zum weltweiten Verbot Tributylzinn(TBT)-haltiger Schiffsanstriche, in Serie gehen. Unterwasseranstriche sollen Seepocken, die binnen weniger Tage die Schiffsrümpfe mit einer zentimeterdicken Kruste überziehen und bei voller Fahrt die Wirkung eines Bremsklotzes haben, abhalten.
"Der Besiedlungsdruck unter Wasser ist enorm. Weltweit sind Larven und Sporen von rund 6000 Arten mariner Lebewesen auf der Suche nach einem Siedlungsplatz", erklärt Stefan Sandrock vom privaten Forschungsinstitut Bioplan bei Rostock. Gemeinsam mit der Forscherin Eva-Maria Scharf entwickelte Sandrock eine Methode, den pH-Wert des Wassers unmittelbar am Schiffsrumpf ständig zu verändern. Den Lebewesen ist das "zu anstrengend", sich ständig neuen Lebensbedingungen anzupassen. Sie halten sich deswegen von der Bordwand fern.
Schiffe bekommen nach der Rostocker Entwicklung eine fünffache Beschichtung, deren Herz eine leitfähige Graphitfolie ist. Diese graue, durchlöcherte Folie wird von einer äußerst robusten, ebenfalls leitfähigen Kunstharzschicht überdeckt. Wird über diese Oberfläche Gleichstrom geschickt, findet wenige Millimeter über der Schiffswand eine Elektrolyse, eine Zerlegung des Wassers statt. Je nach Stromrichtung pendelt der pH-Wert zwischen basisch und sauer. Da das Stromfeld aber sehr gering ist, sind außer der abschreckenden Wirkung für die Larven keine Folgeschäden bei den Organismen zu erwarten, berichtet ddp.
"Vorteil ist, dass der Bewuchsschutz nur bei Bedarf eingeschaltet werden kann", erklärte Sandrock. Während der Fahrt finden Organismen wegen der Strömung sowieso keinen Halt an der Schiffswand. Auch im Winter braucht man in Nord- und Ostsee kein Antifouling. Das elektrische System steuert der Kapitän von der Brücke. Er schaltet den Strom für den Schiffsmantel an, wenn er im Hafen liegt. Giftanstriche dagegen geben ständig ihre unheilvollen Stoffe in das Meer ab, ob es nötig ist oder nicht.
Dass das pH-Antifouling System pHAS prinzipiell funktioniert, bewiesen Plattenversuche in der Nordsee und ein Langzeittest an einem Ponton in der Ostsee. Seit Juni wird nun erstmals ein Schiff mit der neuen Methode sauber gehalten. Ein in Rostock stationierter Schlepper der Marine wurde links und rechts des Kiels großflächig nach Vorschlägen der Biologen beschichtet. Nicht eine einzige Seepocke hat sich laut Forschern dort bisher angesiedelt. Zum Vergleich wurde am selben Unterboden auch eine kleine Stelle unbehandelt gelassen, der Rest des Schiffsrumpfes ist mit einer herkömmlichen Farbe gestrichen. Eineinhalb Jahre soll das Testschiff unter den Augen der Wissenschaftler im Routinebetrieb arbeiten.
Die Zeit braucht das Team, um die neue Methode dem Werftbetrieb anzupassen. Bei diesen praktischen Tests kooperiert Bioplan mit Rostocker Beschichtungsexperten, einer Firma im Korrosionsschutz, Energieberatern und mit Werften in Barth und Rostock. Der "Strom-Mantel" für ein Schiff soll nicht wesentlich teurer sein als andere zinnfreie Antifouling-Systeme. Die entscheidende Graphitfolie ist handelsüblich und leicht klebbar.

 
Lernen und Erinnern haben biochemische Grenzen
Protein Phosphatase-1 führt zum Verlust bei Erlernten
Zürich (pte) - Zellbiologen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben nachgewiesen, dass das so genannte Phosphatase-1-Protein (PP1) die Lernfähigkeit einschränkt und zum Verlust des Gelernten beiträgt. Wie die Forscher um Isabelle Mansuy im Fachmagazin Nature erklären, verbesserte sich bei Mäusen die Gedächtnisleistung, wenn die PP1-Wirkung gehemmt wurde.
Ein solches Schutzsystem ist für das Gehirn wichtig, da dessen Kapazität beschränkt ist, heißt es weiter. Das Protein Phosphatase-1 gehört zu einer Gruppe von Molekülen, die bereits bei früheren Untersuchungen als Kontrollinstanz für Lernen und Erinnern vorgeschlagen wurden.
Die ETH-Forscher verwendeten gentechnisch veränderte Mäuse, bei denen PP1 ein- und ausgeschaltet werden konnte. Diese Tiere wurden verschiedenen Tests unterzogen. Bei einem wurden die Tiere in eine Kiste mit drei Gegenständen gesetzt und mussten diese "kennenlernen". Dafür gab es drei Zeitpläne: Lernen ohne Unterbrechung, mit kurzen und mit längeren Unterbrechungen. Um zu prüfen, wie gut sich die Mäuse die Gegenstände gemerkt hatten, wurden sie wieder in die Kiste gesetzt. Ein Gegenstand wurde dabei ausgetauscht. Verharrten die Tiere bei dem neuen Gegenstand länger als bei den anderen, wurde dies als Indiz gewerte, dass sich die Mäuse an die bekannten Gegenstände erinnerten. Mäuse mit inaktivem PP1 erreichten bei kurzen Lernunterbrechungen eine vergleichbare Leistung wie Mäuse mit PP1 nur bei den längeren Unterbrechungen erzielten. Mit kurzen Pausen schnitten diese wesentlich schlechter ab. Die letzteren Ergebnisse interpretiert Mansuy: "PP1 stellt eine notwendige Kontrolle dar, damit wir nicht zu viele Informationen verarbeiten. Die Kapazität des Gehirns ist beschränkt, so dass es ein aktives Schutzsystem braucht."
Um festzustellen, ob PP1 seine Wirkung allgemein beim Lernen entfaltet, wurde die Orientierung der Mäuse im Raum getestet. Die Mäuse mussten in einer Wanne eine für sie unsichtbare Plattform unter dem Wasserspiegel finden. Mäuse ohne PP1 brauchten weniger Trainingseinheiten bis sie gezielt zur Plattform schwammen. Wurden aber die einzelnen Trainingseinheiten intensiviert, erreichten auch die Tiere mit PP1 vergleichbare Ergebnisse. In der Folge wurde das Mäuse-Gedächtnis getestet. Bereits zwei Wochen nach dem Einstudieren fanden die Mäuse mit normaler PP1-Funktion die Plattform schlechter. Dagegen erinnerten sich die Mäuse, deren PP1-Funktion unterdrückt wurde, bis zu acht Wochen danach erstaunlich gut an die Lage der Plattform. Ein ähnliches Erinnerungsvermögen wiesen auch Tiere auf, bei denen PP1 erst nach dem Training unterdrückt worden war. Das spricht dafür, dass PP1 nicht nur das Lernen erschwert, sondern auch das Vergessen aktiv beschleunigt.
Dies zeigte sich auch bei alten Mäusen. Bei diesen lernten diejenigen ohne PP1 erneut geringfügig besser. Die Daten dabei legen nahe, dass eine PP1-Unterdrückung vor Gedächtniszerfall schützt. "Die Versuche mit den alten Mäusen zeigen, dass kognitive Fähigkeiten gerettet werden können", kommentiert Mansuy. Besonders interessant sei dies auch, da man bereits vorher wusste, dass alte Mäuse über mehr PP1 verfügen. Die Befunde sprechen somit dafür, dass erschwertes Lernen und Gedächtniszerfall im Alter nicht unbedingt unabwendbare, irreversible Prozesse darstellen.

 
Narkose-Mittel wirken auf Schlafzentrum
Narkotika entfalten Wirkung über sedativ wirkende Neurotransmitter-Rezeptoren
London (pte) - Hirnforscher der Harvard Medical School und des Imperial College London haben bei Versuchen an Ratten herausgefunden, dass zwei häufig verwendete Narkosemittel auf ein Schlafzentrum im Mittelhirn wirken. Dieses Zentrum (in der Fachsprache tumeromammillary nucleus, TMN) ist Teil des Hypothalamus und kontrolliert wichtige Prozesse wie die Atmung und die Temperaturregulation.
"Das Zentrum ist Teil eines Switch-Mechanismus im Schlaf-Wach-Rhythmus. Es sorgt dafür, dass am Morgen das Gehirn mit elektrischen Ladungen geweckt und am Abend die Aktivität gedrosselt wird", erklärte Nick Franks vom Imperial College.
Die Narkotika Pentobarbital und Propofol produzieren den selben sedativen Effekt, indem sie an einen spezifischen Neurotransmitter-Rezeptor-Typ, GABA-A, andocken, berichtet das Fachmagazin Nature Neuroscience. GABA-A-Rezeptoren besitzen eine inhibierende Wirkung. Binden narkotisierende Moleküle an diese Rezeptoren, stoppen Nervenzellen die Übertragung elektrischer Signale an andere Neuronen. Die Wirkung entfalten die Narkotika besonders in diesem Kern des Zwischenhirns und drosseln dessen Aktivität, so die Forscher. Dadurch hat der Patient zu Beginn der Narkose das Gefühl, müde zu werden und nach der überstandenen Behandlung "aufzuwachen".
Nicht alle Narkotika wirken aber über GABA-A-Rezeptoren. "Die Ergebnisse sind allerdings insofern interessant, da gezeigt wurde, dass die Schlaf-induzierende Wirkung von Narkotika über bestimmte Gehirnareale zustande kommt", ergänzte Franks. Mervyn Maze, Studienleiter und Leiter der Abteilung für Anästhetika am Imperial College hofft, dass das bessere Verständnis über die Wirkung von Betäubungsmitteln zu neuen Narkotika führen wird, nach dessen Verabreichung sich Patienten besser erholen.

 
Tödliche Knochenmetastasen schneller erkennen
Organisation:Klinik für Nuklearmedizin der Universität Bonn
Bonn (alphagalileo) - Rechtzeitig erkannt, lassen sich Brustkrebs oder Prostatatumoren heute erfolgreich behandeln. Hat der Krebs jedoch bereits das Skelettsystem angegriffen und dort Tochtergeschwülste – so genannte Metastasen – gebildet, endet die Erkrankung fast immer tödlich. Um in diesen Fällen unnötige Operationen und nebenwirkungsreiche Behandlungsstrategien zu vermeiden, ist es wichtig, Knochenmetastasen frühzeitig und sicher zu erkennen. Eine neue Methode steht derzeit an der Universität Bonn auf dem Prüfstand. Die Deutsche Krebshilfe fördert die Studie mit 112.000 Euro.
Die Großstudie soll klären, inwieweit die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als Diagnose-Werkzeug der konventionellen Knochenszintigraphie überlegen ist. Die Wissenschaftler wollen dazu insgesamt 600 Patienten mit Prostata-, Brust- oder Lungenkrebs untersuchen. Die Studie, an der sich Zentren in ganz Deutschland beteiligen, steht unter Leitung der Klinik für Nuklearmedizin der Universität Bonn.
„Das optimale diagnostische Verfahren sollte sehr genau und schnell arbeiten und dabei auch noch möglichst preiswert sein“, erläutert der Bonner Nuklearmediziner Dr. Holger Palmedo, der die Studie betreut. „Keine der üblichen Methoden erfüllt derzeit diese Anforderungen.“ Üblicherweise greifen Mediziner heute zur Knochenszintigraphie, bei der radioaktive Phosphorverbindungen in die Vene gespritzt werden, die sich an das Skelettsystem anlagern. In der Umgebung von Tumoren ist der Knochenstoffwechsel besonders hoch, weil wuchernde Krebszellen Botenstoffe produzieren, die die Entstehung von Knochensubstanz bewirken. Daher sammeln sich hier die strahlenden Phosphorverbindungen; eine strahlenempfindliche Kamera kann die Tumoren dann am Bildschirm sichtbar machen. Ein Nachteil der Methode: „Der Mediziner kann oft nicht erkennen, ob es sich um gut- oder bösartige Veränderungen handelt“, so der Privatdozent, „dazu sind dann weitere Untersuchungen nötig.“
Seit einigen Jahren kommt vermehrt die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zum Einsatz, die mit ausgefeilter Technik sehr viel „schärfere“ Bilder ermöglicht. Der Nachweis wird mit radioaktivem Natriumfluorid geführt, einer Substanz, die in nicht-strahlender Form in jeder Zahnpasta zu finden ist. „Das Natriumfluorid reichert sich im Bereich der Knochenmetastasen an“, so Dr. Palmedo, „sogar in noch höherer Konzentration als die Phosphorverbindungen, die bei der Szintigraphie eingesetzt werden.“ Daraus resultieren sehr kontrastreiche Bilder. Da sich mit der PET zudem die anatomischen Strukturen besser sichtbar machen lassen als mit der Szintigraphie, könnten weiterführende Untersuchungen oft entfallen; überflüssige Operationen würden vermieden. Erste Studien haben bereits gezeigt, dass in den PET-Aufnahmen noch kleinste Knochenmetastasen zu sehen sind, die in Szintigraphie-Bildern unsichtbar bleiben – und das mit großer Sicherheit: „Der Arzt kann meistens sogar erkennen, ob es sich bei den Auffälligkeiten wir Zur Bildung von Knochenmetastasen kommt es, wenn Zellen eines Tumors – beispielsweise eines Prostatakarzinoms – mit dem Blut in das Knochenmark geschwemmt werden und sich dort ansiedeln. Dort wuchern die Krebszellen unkontrolliert zu Tochtergeschwülsten heran und können dabei auch die für die Stabilität wichtigen Knochenbälkchen zerstören. Knochenmetastasen sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht zu heilen; ihr Wachstum lässt sich höchstens verlangsamen: Die Knochensubstanz wirkt wie eine Schutzhülle, die eine effektive Strahlentherapie unmöglich macht; auch medikamentös lässt sich das Wachstum der Metastasen lediglich bremsen. Ein Teil der Prostatakarzinome wird so spät entdeckt und behandelt, dass sie bereits Knochenmetastasen gebildet haben. Die Behandlungsstrategie wird in diesen Fällen vor allem darauf abzielen, die Beschwerden des Patienten zu lindern; daher ist die frühzeitige Diagnose von Knochenmetastasen sehr wichtig.

 
Syngenta bringt kernlose Mini-Melonen auf den Markt
Zwölf Zentimeter kleine Früchte in zwei Jahren auch in Europa
London (pte) - Forscher des Biotech-Unternehmens Syngenta haben süße und kernlose Mini-Melonen gezüchtet. Die unter herkömmlichen Bedingungen gezüchteten Melonen haben einen Durchmesser von zwölf Zentimeter und sind in einigen Gebieten der USA bereits auf dem Markt. Die Entwicklung dauerte vier Jahre, berichtet das Fachmagazin New Scientist.
Die Mini-Melonen haben auch eine dünnere Haut, erläutern die Wissenschaftler des Forschungslabors in Boise/Idaho einen weiteren Vorteil der Melonen. Zudem besitzen die Früchte eine gleichmäßige Verteilung des süßen Geschmacks. "Bei herkömmlichen Wassermelonen ist die Süße meistens in der Mitte der Früchte konzentriert", erklärte John Sorenson, Präsident von Syngenta Seeds. Die Mini-Melonen sind eine Kreuzung aus wilden Zwergmelonen, die in nicht erschlossenen Gebieten außerhalb der USA wachsen, und kommerziellen Stämmen. Aus dieser Kreuzung züchteten die Forscher die dünnhäutigen Mini-Melonen.
Die kernlose Variante entstand durch die Herstellung zweier so genannter "Master"-Hybridlinien. Eine Linie enthält dabei wie gewöhnlich zwei Chromosomensätze, die andere vier Chromosomensätze. Werden die Linien gekreuzt, entstehen daraus kernlose Produkte mit drei Chromosomensätzen. "Noch ist das Saatgut-Angebot äußerst limitiert", so Sorenson. Sorenson geht davon aus, dass die Melonen in den nächsten zwei Jahren auch in Europa erhältlich sein werden.