Bünker: Gott ist kein Joker Suche nach Orientierung  

erstellt am
22. 08. 03

Oberkirchenrat gegen Gottesbezug in der Verfassung aus theologischen Gründen
Wien (epd Ö) - „Auf einen Gottesbezug in der neuen österreichischen Verfassung muss aus theologischen Gründen verzichtet werden.“ Dies sagte Dr. Michael Bünker, geistlicher Oberkirchenrat der Evangelisch-lutherischen Kirche, in einer Pressekonferenz am Donnerstag (21. 08.) in Wien. Bünker: „Der Hinweis auf das religiöse Erbe als Grund der geltenden Werte in unserer Verfassung wird entweder exklusiv ausfallen oder er muss derart weit gefasst sein, dass er wieder nichtssagend wird.“ Dieser Vorwurf sei etwa gegenüber der polnischen Verfassung erhoben worden.

Vermischung von Staat und Kirche
Auch sieht der Oberkirchenrat die „Gefahr der Vermischung von Staat und Kirche“, wenn die Verfassung „Im Namen Gottes“ eröffnet werde. Obwohl es positive Beispiele für solche Verfassungen in Europa gebe, sei es doch bezeichnend, „dass auf der anderen Seite gerade die Länder keinen Gottesbezug in ihren Verfassungen haben, in denen eine katholisch geprägte Diktatur herrschte“. Bünker wies darauf hin, dass der Gottesbezug die Tatsache ausblende, dass die Durchsetzung der meisten Werte des modernen Verfassungsstaates „nicht den Kirchen und Religionen zu verdanken ist, sondern säkularen Traditionen wie Humanismus und Aufklärung“.

Gott ist keine austauschbare Vokabel für Suche nach Sinn Es bleibe der Gottesbezug in der Verfassung „als Absage an die Versuchung von Staat und Politik zu unbegrenzter Macht und Totalitarismus“. Das deutsche Grundgesetz aber beispielsweise spreche nicht bloß von Gott, sondern von der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Allerdings könne, so der Oberkirchenrat, bei fortschreitender Pluralisierung der Gesellschaft „Gott als Instanz dieser Verantwortung nur einen Teil der Gesellschaft betreffen“. Außerdem bestehe die Gefahr, Gott zur „austauschbaren Vokabel“ für jede Suche nach Sinn zu machen. Bünker: „Aber christlicher Glaube sagt: Gott ist kein Jenseits-Joker für eine Orientierung suchende Politik.“ Wenn daher ein „Liberalitätsgarant“ in einer Präambel einer zukünftigen Verfassung Österreichs vonnöten sei, dann genüge aus evangelischer Sicht die Erwähnung der „gemeinsamen Verantwortung für den Menschen und die Umwelt“. Damit bleibe der Staat bei seiner Aufgabe, die „Friedens- und Freiheitsordnung“ zu wahren und überlasse die „Wahrheits- und Tugendordnung“ denen, die dafür zuständig seien, „nämlich dem freien Gewissen seiner Bürgerinnen und Bürger“.

Oberkirchenrat Kauer: Gott steht über der Verfassung. Grundsätzliche rechtliche Bedenken und Erfahrungen aus der jüngeren Geschichte legen Verzicht nahe. „Gegen eine Präambel für die neue österreichischen Verfassung, die sich auf das religiöse Erbe bezieht, sprechen grundsätzliche rechtliche Bedenken“ sagte der juristische Oberkirchenrat der Evangelisch-lutherischen Kirche, MMag. Robert Kauer, bei der Pressekonferenz zu diesem Thema. Auch Erfahrungen aus der jüngeren Geschichte legten einen Verzicht auf das „religiöse Erbe“ in der Verfassung nahe.

Welches religiöse Erbe aus welcher Epoche?
„Wenn das „österreichische religiöse Erbe“ gemeint sein sollte, frage ich: welches Erbe aus welcher Epoche der österreichischen Geschichte?“, so der Oberkirchenrat. Sei Anfang des 16. Jahrhunderts das heutige Österreich weitgehend evangelisch gewesen, „so herrschte von Ende des 16. Jahrhunderts bis 1782 Gegenreformation“. Das 19. Jahrhundert habe eine kurze Periode des Liberalismus gebracht, „aber 1934 bis 1938 gab es wieder eine „zwar kurze aber intensive Phase“ einer neuen Gegenreformation. In dieser Zeit sei Menschen, die aus der römisch- katholischen Kirche austreten und in die evangelische Kirche eintreten wollten, zugemutet worden, sich einer psychiatrischen Begutachtung zu unterziehen. „Evangelische im Staatsdienst hatten Nachteile und wurden nicht befördert, evangelische Gottesdienste wurden überwacht und Kirchenbaugründe enteignet.“ Die Verfassung dieses austrofaschistischen Ständestaates, der sich ausdrücklich zur Gegenreformation bekannt habe „und auch so vorging“, hatte eine Präambel: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung: ...“

Kauer: „Auf diesem Hintergrund können wir als Österreicher und Protestanten einer Präambel, die sich auf das religiöse Erbe beruft, nichts abgewinnen.“

Religiöses Erbe im Widerspruch zu geltenden Grundsatzbestimmungen „Die Initiatoren einer Präambel, die sich auf ein religiöses Erbe oder Gott beruft, haben in keiner Weise das Verhältnis einer solchen Vorgabe zu geltenden Grundsatzbestimmungen im Verfassungsrang beachtet“, betonte der juristische Oberkirchenrat. Dies seien der Artikel 14 des Staatsgrundgesetzes 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die Artikel 63 und 66 des Staatsvertrages von Saint-Germain und die Artikel 9 und 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Kauer: „Alle diese Bestimmungen legen den Anspruch auf Grundrechte ohne jede Rücksicht auf ein religiöses Bekenntnis fest.“ Ein vorgegebener Orientierungsrahmen auf ein religiöses Erbe steht „dazu in direktem Widerspruch“.
     
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