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Schüssel: Prüfung einer Nichtinbetriebnahme von Temelin am Tisch
Dialog durch nichts ersetzbar - kein Abschluss Energiekapitel vor Klärung offener Fragen - Integration Euratom- in EU-Vertrag
Wien (övp-pd) Österreich habe mit Tschechien einen Dialog über Temelin vereinbart, bei dem es um die Überprüfung von Sicherheitsmängeln, aber auch die Prüfung der Alternative einer Nichtinbetriebnahme von Temelin gehe. Tschechien könne nicht sagen, dass Österreich das Thema "Null-Variante" nie angesprochen habe. "Das ist auf dem Tisch", sagte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Der Bundeskanzler wird an EU-Kommissionspräsident Prodi und EU-Kommissar Verheugen herantreten und die diesbezügliche Situation klarstellen. Es könne keinen Abschluss des Energiekapitels geben, bevor "nicht alle Fragen auf dem Tisch liegen und gemeinsam befriedigend gelöst sind".
Dabei gehe es um die Überprüfung von Sicherheitsstandards, die Formulierung von gemeinsamen Empfehlungen, die auch deshalb noch nicht erfolgt sei, da Tschechien noch einige Informationen schuldig sei und den Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung. Er habe es als "große Unterstützung" empfunden, dass die österreichischen Parlamentarier im Europäischen Parlament die Frage der Null-Variante in jedem Fall diskutieren wollen. Die Null-Variante sei "keine neue Forderung" und "kein neues Thema", sondern im Text enthalten, der von den beiden Ministern Kavan und Molterer ausgehandelt worden sei. In der diesbezüglichen "scoping list" zur Umweltverträglichkeitsprüfung sei auch die Alternative, Temelin nicht in Betrieb zu nehmen, enthalten. Kommissar Verheugen sei diesbezüglich offenbar "einer Fehlinformation aufgesessen".
Einer Lösung könne man jedenfalls nur im gemeinsamen Dialog näher kommen. Der Dialog sei das einzige Mittel, um selbst schwierige Fragen zu klären und verbessern zu können. Die Alternative dazu sei eine sofortige Inbetriebnahme Temelins durch Tschechien. Es zeige sich deutlich: "Der Dialog ist durch nichts ersetzbar." Er sei daher "sehr dafür, dass wir diesen Dialog weiter führen", so der Kanzler, der an alle Beteiligten appellierte, sich einer solchen Diskussion nicht zu verweigern. Dialog bedeute auch, dass man sich keinen Termin-Druck auferlege. Tschechien habe "viele Dinge" nicht zeitgerecht liefern können. Es könne daher auch keinen Abschluss des laufenden Dialogprozesses geben. Eine "Europäisierung" der Sicherheitsfragen von Kernkraftwerken sei aber "in jedem Fall nötig", betonte der Bundeskanzler und erinnerte daran, dass eine europäische Arbeitsgruppe diesbezüglich erstmals "einige interessante und wichtige Empfehlungen" formuliert habe. Diese seien ihm aber "nicht genug". Österreich wolle die Integration des Euratom-Vertrages in den EU-Vertrag und "eine allgemeine Sicherheitsstandards-Festlegung für Europa im Interesse der europäischen Bevölkerung".

Klares Ja zu Sozialstaat Österreich
"Die Sozialpartnerschaft ist in Vergangenheit, Gegenwart und auch in der Zukunft ein fester Bestandteil des erfolgreichen österreichischen Modells", erklärte heute, Dienstag, Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel beim Pressefoyer nach dem Ministerrat. Die Fortsetzung dieses Weges setze aber auch die notwendige Bereitschaft zu Reformen bei den Sozialpartnern voraus. "Versteinerung kann nicht die Antwort sein", so der Bundeskanzler, der sehr hofft, dass moderne Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter gemeinsam an der Weiterentwicklung des österreichischen Modells arbeiten werden.
Es könne nicht sein, Reformwillen nur von den anderen zu fordern, man müsse diesen auch selbst zeigen, sagte Schüssel. Interessenvertreter sollten gemäß ihrem Gründungsauftrag frei sein - "Je freier desto besser". Es würde der Gewerkschaft gut tun, sich von parteipolitischen Einflüssen frei zu machen und sich von "unzumutbaren Zuständen in Teilbereichen" zu distanzieren, so Schüssel. Zur Gehaltsaffäre bei der Postgewerkschaft sei "eine kritische Diskussion" notwendig, betonte der Bundeskanzler und würdigte eine diesbezügliche Wortmeldung von Nationalratspräsident Fischer, der von "unakzeptablen Vorgängen" gesprochen habe.
Auf Anfrage sagte der Bundeskanzler, das österreichische Sozialstaat-Modell finde zu Recht weltweit Beachtung, müsse aber ständig neu gesichert werden. Der Bundesregierung gehe es darum, die Finanzierung für dieses Modell sicherzustellen. Die Politik der Regierung sei die beste Garantie dafür. Er stehe für ein klares "Ja zum Sozialsaat Österreich". Dabei gehe es aber nicht um eine abstrakte Verfassungsbestimmung. Vieles stehe bereits in der Verfassung - "erfüllen wir es mit Leben", forderte Schüssel.
Die Bundesregierung habe diesbezüglich etwa mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, dem Kindergeld, der Behindertenmilliarde oder der Reform des Gesundheitssystems wesentliche Schritte gesetzt. Auch die Sozialpartner seien aufgefordert, grundsätzliche Vorschläge, zB für eine Neuregelung der Abfertigung zu machen, die eine der wichtigsten "wirtschafts- und sozialpolitischen Weichenstellungen" wäre.