...

   
Medien und die Macht der Kriegs- und Terror-News
Symposion im RadioKulturhaus am 9. September
Wien (orf) - Am Montag, den 9. September 2002 findet im RadioKulturhaus das Symposion "Medien und die Macht der Kriegs- und Terror-News" - Eröffnung: ORF-Hörfunkdirektor Kurt Rammerstorfer, Andreas Mailath-Pokorny, Amtsführender Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner - anlässlich des ersten Jahrestages des Anschlages auf das World Trade Center in New York statt.
Nichts würde mehr so sein, wie es war, lautete nach dem 11. September 2001 der meistgehörte Kommentar in allen Medien. Der Anschlag auf das World Trade Center war eine neue Form des Terrorismus, die das Selbstverständnis der westlichen Welt erschütterte. Der Einsturz der Twin Towers war aber auch ein Medienereignis mit neuen Dimensionen. Unzählige Fernsehzuschauer erlebten die Live-Inszenierung des unglaublichen Schreckens, der auf diese Medienwirkung hin kalkuliert erschien. Bilder, die nicht zu fassen waren, wurden von den Fernsehstationen in immer neuen Schleifen vorgeführt.

 
Medien vermitteln Terror und Gewalt in bewegenden Bildern und Berichten. Sie bestimmen das gesellschaftliche Meinungsklima und beeinflussen damit auch politische Entscheidungen in Kriegen und Konflikten. General Eisenhower stellte schon 1940 vor einer US-Verlegerversammlung lapidar fest: "Public opinion wins war" - Die öffentliche Meinung gewinnt den Krieg. Von der Telegraphie bis zum Internet: Die Geschichte neuer Medien ist auch mit ihren technischen Grundlagen untrennbar mit der Militärgeschichte und globalen Kriegsberichten verknüpft. Heute fällt, wie der Medienhistoriker Friedrich Kittler gezeigt hat, die allgemeine Medientechnik mit der allgemeinen Kriegstechnik zusammen, da jede Spielkonsole nachspielt, was Bomberpiloten schon durchgemacht haben. Die US-Army hat schon seit längerem Eigenentwicklungen im Computerbereich eingestellt und kauft auf dem freien Markt ein. "Außenpolitik wird nicht von den Medien gemacht. Aber im Informationszeitalter kann sie nicht ohne sie gemacht werden", lautet das Fazit einer amerikanischen Studie. Vergleichende Untersuchungen haben belegt, dass in der Auslandsberichterstattung bewaffnete Konflikte, gewalttätige Unruhen und offene Kriege dominierende Themen sind. Damit weniger beachtete Länder und Regionen - die "Ränder" der globalisierten Welt - in ihren politischen und ethnischen Konflikten überhaupt zum globalen Medienthema werden können, müssen sie, so zynisch es klingen mag, zu Schauplätzen blutiger Auseinandersetzungen werden. Diese konfliktorientierte Betrachtungsweise prägt dann auch nachhaltig den Blick auf sie und bestimmt die Dauer des Interesses.
Der Krieg in den Medien war immer viel mehr als Reproduktion und Kolportage. Medien legitimieren oder klagen an, transportieren vorfabrizierte Bilder und Botschaften oder beleuchten sie aus kritischer Distanz. Sie verkaufen die Schrecken des Krieges und tragen durch "Öffentlichkeit" und Abschreckung auch dazu bei, sie einzudämmen. Sie analysieren das von Politik, Ökonomie und Gesellschaft bestimmte "System Krieg" von außen und sind doch zugleich ein Teil davon. Nachdem der Krieg in anhaltender Konjunktur zu einem der wichtigsten Ereignisse des Medienzeitalters avanciert war, war es dann wohl auch unvermeidlich, dass Kriegsberichterstattung immer mehr zum Bestandteil des Krieges wurde. Die Logik des Krieges sperrt sich aber in besonderer Weise gegen das Objektivitätskriterium der modernen Journalistik, Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen zu vermitteln, da Krieg immer von Propaganda begleitet ist, Kriegsberichterstattung der Zensur unterworfen wird, und Journalisten sich mit einem immer raffinierteren militärischen "Informationsmanagement" konfrontiert sehen, das ihre Tätigkeit zu instrumentalisieren droht. Der Anspruch des Journalismus, eine kritische "vierte Gewalt" zu sein, wird deshalb am Verhältnis zu der Wirklichkeitskonstruktion der kriegführenden Mächte zu messen sein. Auch wo es gelingt, Propaganda, Zensur und "militärische PR" journalistisch zu durchdringen, ist die Kriegsberichterstattung immer aufs neue mit Polarisierung, Stereotypen und Feindbildern konfrontiert, in denen politische, religiöse und ethnische Orientierungen ihre fundamentalen - und nicht zuletzt: fundamentalistischen - Ansprüche behaupten. Dabei können Bedrohungsbilder, politische Interessen und Kalküle in die mediale Konstruktion von Krieg und Terror einfließen und dazu beitragen, Konflikte und Kriege zu legitimieren, oder aber die Öffentlichkeit gegen sie zu mobilisieren. Den Medien wird deshalb auch eine immer wichtigere Rolle im Sinne der Präambel der UNESCO-Satzung zugemessen, wo es heißt: "Da Kriege in den Köpfen der Menschen beginnen, muss in den Köpfen von Menschen Vorsorge für den Frieden getroffen werden."
Der 11. September 2001 war ein "globaler Zwischenfall", der eine "virtuelle Weltöffentlichkeit" (Claus Leggewie) mit der Zeitgenossenschaft von über sechs Milliarden Menschen herstellte. Welche Auswirkungen hatte der Anschlag auf das WTC auf die Medien selbst? Was hat sich seit dem 11. September in der gesellschaftlichen Wahrnehmung geändert? Bilden Medien die Realität des Krieges nur ab, oder schaffen sie eigene Konstrukte? Wie groß ist die Macht der Bilder? Haben die Ereignisse des 11. September die Entwicklung zu einem "globalen Bildermarkt" weiter beschleunigt? Wenn sich internationale Kommunikations- und Politikwissenschaftler, Medientheoretiker und Journalisten aus Fernsehen, Nachrichtenagenturen und Printmedien im Rahmen des Symposions "Medien und die Macht der Kriegs- und Terror-News" mit diesen Fragen auseinandersetzen, sollen auch längerfristige gesellschaftliche und politische Folgen der Berichterstattung über Terror, Gewalt und Kriege diskutiert werden.  

 
Am 9. September zählen Experten wie Diana Moukalled (Future Television und Zein TV/Beirut), Antonia Rados (RTL/Paris), Jan Repa (BBC World Service/London), Frank Sesno (CNN/Washington D.C.), A. Trevor Thrall (Universität Michigan, Communication Studies/USA), Hazem El Amin (Al-Hayat/Beirut), Jihad (Ghassan) El Zein (An-Nahar/Beirut), Danny Rubinstein Ha'aretz/Israel), Claus Leggewie (Universität Giessen/Deutschland), Joseph Vogl (Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien/Deutschland) und Jo Groebel (European Institute for the Media, Düsseldorf/Paris) zu den Vortragenden der Veranstaltung. Die Diskussionspanele werden von Oliver Rathkolb (Demokratiezentrum Wien), Martin Bernhofer (Österreich 1) und Gerfried Sperl ("Der Standard") moderiert.
Das von Österreich 1, dem Demokratiezentrum Wien und dem "Standard" in Zusammenarbeit mit dem Verein für Geschichte und Gesellschaft im Rahmen der Initiative "Dialog.Diskussion.Demokratie" veranstaltete Symposion "Medien und die Macht der Kriegs- und Terror-News" findet am Montag, den 9. September ab 14.00 Uhr im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien statt. Der Eintritt ist frei. Eine Dokumentation des Symposions ist abrufbar unter www.demokratiezentrum.org, Österreich 1 berichtet darüber aktuell in den "Journalen" und im Internet unter http://science.ORF.at und bringt eine Zusammenfassung in den "Dimensionen - Die Welt der Wissenschaft" am 10. September um 19.00 Uhr.