»Austria goes Maghreb«  

erstellt am
06. 10. 03

Zur austro-maghrebinischen Zusammenarbeit
Wien - Neben Kadero Ray und Otto Lechner besteht das VIENNA RAÏ ORCHESTER zur Hälfte aus maghrebinischen Musikern, die schon seit mehreren Jahren in Österreich leben (Anis Kasbaoui/Tunesien, Nino Benjamin/Algerien, Raouf Kahouli/Tunesien) und zur anderen Hälfte aus Musikern der Wiener Weltmusikszene im Umkreis von Otto Lechner, dessen Kollegen traditionell offen sind für neue Stilrichtungen aus dem Bereich Weltmusik und Jazz: Georg Graf (Sax/Tromp), Christoph Petschina (Bass), Christoph Helm (Gitarre) und Farid Al-Shami (Drums).

Mit dieser in Österreich einzigartigen Formation begegnen sich unter-schiedliche Mentalitäten, Genres, Sprachen und Tonarten. Was über den Weg der Worte anfänglich nur schwer möglich war, ist über das gemeinsame Musizieren im Laufe der Zeit einzigartig gelungen: eine Kommunikation unter maghrebinischen und österreichischen Künstlern, die über die Raï-Musik eine gemeinsame Sprache gefunden haben.

Ausgangsbasis für die Zusammenarbeit waren im ersten Jahr vorwiegend die weltweit bekannten Popraï-Songs von Khaled, Cheb Mami, Rachid Taha u.a., deren bekannteste Nummern durch die oftmalige Interpretation des Ensembles mittlerweile zum Teil ein völlig neues Gesicht bekommen haben:
Die Songs "El Harba", "Ya Raha", "Hagda", "Oualy Ldarek", "Didi", "Lillah" und natürlich das allseits beliebte "Aïcha" haben sich im Laufe der Jahre zu einem bombastischen Soundkarussell entwickelt, das sich zwischen Jazz, Funk und Groove hinkünftig noch weiterdrehen wird.

Kadero ist mit diesen Liedern aufgewachsen. Nicht nur, daß er sie gerne singt und mag, sie sind ihm über die Jahre so sehr vertraut geworden, daß sich seine Stimme heute vor allem in Khaled's Repertoire spielerisch ausbreitet. Er improvisiert mit Lauten, verändert, zerhackt, bricht oder verlängert, tönt, fliegt und setzt diesen bekannten Melodien einen persönlichen Stempel auf.

Otto Lechner als Spiritus Rector
Mittlerweile sind die Arrangements des VIENNA RAÏ ORCHESTERs eine Fusion von westlicher und arabischer Ästhetik. Wurden in den Popraï-Songs der 70er Jahre mit besonderer Vorliebe elektronische Instrumente eingesetzt (v.a. Keyboard, Synthesizer), so herrscht in der für den westlichen Musikmarkt produzierten "Weltmusik" seit geraumer Zeit eine gegenläufige Tendenz vor:

Man versucht die Strukturen der Melodien und Rhythmen freizulegen, um den musikalischen Gehalt mit möglichst akustischen Instrumenten neu zu bearbeiten. Genau dafür steht Otto Lechner, der sehr bewußt am Akkordeon mit Miniaturen, einfachen Formen und dem Prinzip der Reduktion und Verfremdung arbeitet.

Die Zusammenarbeit mit Kadero Ray ermöglicht ihm, jenseits aller Schubladen neue (in diesem Fall nordafrikanische) Traditionen zu erforschen und mit Eigenem zu verbinden. Diese Hingabe an ungewöhnliche Formen hat inspirative Kraft für das gesamte Ensemble.

Im Zuge der "Wiener Raï Sessions" wurden die kompakten Arrangements des aus Frankreich importieren Basisrepertoires meist auf Initiative von Otto Lechner Abend für Abend lustvoll geöffnet und spielerisch mit neuen Klängen assoziiert. Da konnte man Walzerklänge ebenso hören wie Französisches, Jazziges bis hin zum Wienerischen.

Auch wenn das meiste davon spontan geschehen ist und leider keinerlei Aufzeichnungen existieren, setzten diese Nächte wichtige Impulse für die musikalische Entwicklung des Ensembles.

Kadero Ray - Raïeur du Coeur
Mit den seit 2003 neu ins Repertoire aufgenommenen Kompositionen von Kadero Ray erhielt die Vienna-Raï-Musik einen eigenen Charakter. Auf subtile Art vereint Kadero in seinen Liedern die sentimentale Ader Cheb Hasni's mit der sonoren Kraft Khaled's. Beide Sänger waren ihm Vorbild in Jugendtagen und Lehrmeister zugleich.

Gemäß der Tradition der Raï-Musik singt Kadero in den eigenen Liedern über die Liebe, erzählt von Menschen am Rande der Gesellschaft oder widmet sich sozialen Themen. Dabei will er aber nicht schockieren, sondern berühren. Den Liedern "Les Souvenirs", "Sagst du nie ‚je t'aime'", "Tab Galbi" ("Mein Herz brennt") aber auch "Yatim" ("der Waise") und "Allash" ("Warum") liegen rein sentimentale Gefühle zugrunde. Kadero's weiche, nuancenreiche Stimme transportiert eine tiefe Sehnsucht, die über gefühlsbetonte Melodien den Inhalt der Texte jenseits der arabischen Sprache spürbar macht.

Durch die Begegnung von Kadero Ray als Sänger und Komponist mit dem Akkordeonisten Otto Lechner und dem austro-maghrebinischen Ensemble ist mit der Vienna-Raï-Musik ein eigenständiges Produkt entstanden, das im internationalen Vergleich innerhalb der Raï-Musik in eine ganz neue Richtung weist. © by Susi Linzer

Informationen: http://www.kadero-ray.com
     
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