Verkehrspolitik – ÖBB-Reform  

erstellt am
07. 10. 03

Die Reform ist Begräbnis 1. Klasse für die Bahn
EisenbahnerInnen haben Montag mit Protestaktionen gegen Zerschlagung der ÖBB begonnen
Wien (oegb) - Österreichs EisenbahnerInnen haben am Montag (06. 10.), wie seit Wochen angekündigt, mit den Boykott von Überstundenleistungen und Dienst nach Vorschrift begonnen. "Wir wehren uns damit gegen die Zerschlagung und Privatisierung des Unternehmens ÖBB und gegen Eingriffe in die privatrechtlichen Verträge der EisenbahnerInnen, die zu einem Bruch in der österreichischen Rechtskultur führen", erklärte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl.

Haberzettl wies darauf hin, dass die seit Freitag in Begutachtung befindlichen
ÖBB-Gesetze darauf angelegt sind, die ÖBB in ihrer wirtschaftlichen Substanz nachhaltig zu schädigen und die EisenbahnerInnen in ihren vertraglichen und demokratisch legitimierten Mitbestimmungsrechten zu beschneiden.

Hatte der Verkehrsminister noch vor Wochen und Monaten die Neustrukturierung der ÖBB damit zu begründen versucht, dass "das Schuldenmachen" beendet werden müsse, so sei er nunmehr bekanntlich gemeinsam mit seinem unnötigen Staatssekretär vor dem Finanzminister und dessen neoliberalen Zerschlagungs- und Privatisierungsideen in die Knie gegangen.

Die Regierung treibe die ÖBB aber nicht nur in die Schuldenfalle, sie riskiere durch ihre "Murks-Reform" auch den völligen Ruin eines Verkehrsunternehmens, das in Europa in der Spitzengruppe der Bahnunternehmen platziert sei.

Haberzettl: "Das was Grasser, Gorbach und Kukacka mit dem vorgeblichen ÖBB-Reformpaket einleiten, ist ein Begräbnis erster Klasse für das Unternehmen ÖBB."

Wenn Verkehrsminister Gorbach kürzlich gemeint habe, der Vorwurf, er zerschlage die ÖBB schmerze ihn, dann sei dieser Vorwurf an den Verkehrsminister nach Kenntnis der ÖBB-Gesetze heute zu präsizieren: "Gorbach zerschlägt die ÖBB nicht, er zertrümmert sie!"

Darüber hinaus würde mit dem neuen Dienstrecht der EisenbahnerInnen nicht nur in die privatrechtlichen Verträge dieser Berufsgruppe eingegriffen, setzte Haberzettl fort. Privatrechtliche Dienstverträge hätten in Österreich rund 1,5 Millionen ArbeitnehmerInnen, also rund die Hälfte aller unselbstständig Erwerbstätigen.

"Die Vergewaltigung der EisenbahnerInnen durch den selbsternannten 'Kronjuristen' der schwarz-blauen Regierung, Professor Mazal, ist ein Bruch in der österreichischen Rechtskultur und wird zweifellos Folgen für viele andere Berufsgruppen haben", sagte der GdE-Vorsitzende. Deshalb werde die Eisenbahnergewerkschaft ihre Montag gestarteten Protestaktionen bis zur Rücknahme des gesamten Gesetzespakets durchführen und gegebenenfalls auch ausweiten, wobei der Phantasie der EisenbahnerInnen keine Grenzen gesetzt seien.

Zur Verteidigung der österreichischen Rechtskultur, die für einen juristischen Amokläufer wie Mazal anscheinend keinen Wert darstelle, werde die Eisenbahnergewerkschaft bis zu den Höchstgerichten gehen. Haberzettl: "Wenn es sein muss, bis zum Europäischen Menschengerichtshof!"

 

 Kukacka: Boykott während der Begutachtung ist wenig konstruktiv
Reform macht aus ÖBB leistungsfähiges Unternehmen
Wien (övp-pd) - "Reformen braucht die Bahn", sagte ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Montag (06. 10.) anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Staatssekretär für Verkehr, Mag. Helmut Kukacka. Die ÖVP-Bundespartei starte daher ab sofort eine Kampagne mit rund 1.000 Plakaten auf 350 größeren Bahnhöfen. "Wir wollen eine ÖBB NEU, von der alle Österreicherinnen und Österreicher profitieren. Wir wollen eine starke Österreichische Bundesbahn. Unser Ziel sind attraktive Verbindungen, ein modernes Service-Denken und eine leistbare Bahn", sagte der ÖVP- Generalsekretär. Eine aktuelle Umfrage habe ergeben, dass 78 Prozent der Österreicher die Reform für notwendig halten und nur 14 Prozent nicht dieser Meinung seien. Mit der Reform werde die ÖBB von den letzten Fesseln einer Staatsbahn befreit und zu einem "normalen" Unternehmen, das nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werde, sagte Verkehrs-Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka. "Boykottmaßnahmen noch während der Begutachtungsfrist durchzuführen zeigt von wenig konstruktivem Verhalten und geringem gesamtstaatlichen Bewusstsein", sagte Kukacka.

Die ÖBB-Reform sei kein Selbstzweck und auch nicht politisch motiviert, sondern sie solle das Unternehmen für den Wettbewerb stärken, zu mehr Kundennähe führen und den Steuerzahler entlasten. "Der jährliche Finanzbedarf des Gesamtsystems Schiene beläuft sich derzeit auf rund 4,4 Milliarden Euro - weit mehr als Ausgaben für Universitäten oder das gesamte Landesverteidigungsbudget", sagte Kukacka. ""Jeder Österreicher zahlt rund 540 Euro pro Jahr als eine Art Bahnsteuer, gleichgültig ob er mit dem Zug fährt oder nicht", fügte der Staatssekretär hinzu. Die Reform solle dem Abhilfe schaffen, die Steuerzahler entlasten, den Schuldenberg reduzieren und die Arbeitsplätze langfristig sichern.

Die ÖBB sollen laut Kukacka keineswegs zerschlagen werden, sondern mit leistungsfähigen Unternehmensstrukturen ausgestattet werden, um fit für den Wettbewerb zu werden. Die Reform der ÖBB sei in drei Bereichen notwendig:

  1. Eine Reform der Unternehmensstrukturen, um mit modernen Managementstrukturen die Selbstständigkeit und Ergebnisverantwortung der operativen Unternehmen zu stärken.
  2. Eine Reform des Dienstrechtes, um das veraltete und starre ÖBB-Dienstrecht an das in vergleichbaren Betrieben übliche Arbeitsrecht anzupassen.
  3. Eine Reform des Personalvertretungsrechtes, um durch die Überführung des bisherigen Betriebsverfassungsgesetzes in das für alle österreichischen Unternehmen gültige Arbeitsverfassungsgesetz jene ausgewogenen Mitwirkungsrechte der Belegschaftsvertreter sicherzustellen, wie sie auch in anderen vergleichbaren Großbetrieben herrschten.

Die Reform der Österreichischen Bundesbahnen bringe klare Signale für die Zukunftssicherung des Unternehmens. Nämlich eine Milliarde Euro an Einsparungen sowie eine Teilentschuldung der ÖBB um 6,1 Milliarden Euro. Weiters eine Sicherung von Infrastrukturinvestitionen von jährlich einer Milliarde bis zu 1,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010. Und zudem das Abschaffen der automatischen Verlustabdeckung, den §2 des ÖBB-Gesetzes.

Bezüglich der dienstrechtlichen Sonderregelungen für ÖBB- Bedienstete meinte der Verkehrsstaatssekretär, dass dem einzelnen Mitarbeiter kein Vorwurf zu machen sei, das System aber auch zur Schaffung größerer innerbetrieblicher Gerechtigkeit dem vergleichbarer Großunternehmen angepasst werden müsse. "Der derzeit durchgeführte Boykott führe jedenfalls zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene und ist eine organisierte Kundenvertreibung", sagte Kukacka abschließend.


 

 Eder: ÖBB-Reform nichts als »Husch-Pfusch«
Wien (sk) - Die geplante ÖBB-Reform der VP/FP-Bundesregierung bewegt sich rechtlich auf äußerst dünnem Eis und wird in weiten Teilen des geplanten Dienstrechts vor dem Verfassungsgerichtshof keinen Bestand haben", erklärte SPÖ-Verkehrssprecher Kurt Eder am Montag (06. 10.). Auch der ÖBB-Vorstand habe bereits auf die Unmöglichkeit hingewiesen, die geplanten Gesetze tatsächlich umzusetzen.

"Recht muss Recht bleiben" und daher werden die schweren Benachteiligungen für die ÖBB-Beschäftigten auch nicht von der SPÖ akzeptiert werden, so Eder. Die SPÖ werde jedenfalls vor dem Verfassungsgerichtshof Klage einreichen, wenn die Regierung nicht noch zur Vernunft kommt.

"Fatal sind jedenfalls die wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Reform für die ÖBB. So ist weder die notwendige gänzliche Entschuldung des Unternehmens geplant, noch wird es zusätzliches Geld für Investitionen geben. Selbst für die Teilentschuldigung werden die anfallenden Zinsen sofort vom jetzigen ÖBB-Zuschuss abgezogen werden. So werden die ÖBB in eine weitere Verschuldung hineingetrieben, für die der Steuerzahler zur Gänze haftet", kritisierte der SPÖ-Verkehrssprecher.

Anstatt das Unternehmen auf den Wettbewerb in der kommenden Liberalisierung vorzubereiten, werde eine zusätzliche Managementebene eingezogen, um teuere Posten für VP/FP-Günstlinge zu schaffen. Dies werde die Führungsebene des Unternehmens zwar aufblähen, keinesfalls aber die Entscheidungskraft verbessern.

Das Konzept der SPÖ für die ÖBB sieht jedenfalls anders aus. Danach ist die bereits heute im Benchmark als eine der kostengünstigsten Bahnen Europas anzusehende ÖBB zu einem umfassenden Logistikkonzern weiter auszubauen. Markmöglichkeiten in Westeuropa und Wachstumschancen in den östlichen Nachbarstaaten sind zu nutzen.

Dafür brauche die ÖBB eine ordentliche Kapitalausstattung, um jetzt in den wachsenden Transportmarkt forciert einzusteigen. Aufbauend auf einem klaren Unternehmenskonzept, das von den Vorständen ausgearbeitet werden sollte, sind in Abgleichung mit den Ansprüchen der Verkehrspolitik die notwendigen Gelder vom Bund für eine expansive Unternehmensentwicklung bereitzustellen, sagte Eder. Die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen für die Schiene sind - wie bei der Straße - weiter vom Bund zu tragen. Parallel dazu habe die ÖBB-Spitze betriebswirtschaftliche Zielsetzungen zu verfolgen und Kosten zu sparen.

"Durch die völlig unprofessionelle Herangehensweise dieser VP/FP-Bundesregierung hat das Unternehmen ÖBB jetzt bereits schweren Schaden erlitten. Dass die Regierung für die geplanten Gesetze die Begutachtungsfrist auf vier Wochen verkürzt hat, zeigt, dass diese VP/FP-Regierung wieder einmal im Parlament drüberfahren will, so lange sie noch mit der Zustimmung einer orientierungslosen FPÖ zu einem neoliberalen Zerschlagungskurs, rechnen kann", schloss Eder.

 

 Walch: SPÖ und ÖGB haben bei ÖBB die Möglichkeit, Willen für Harmonisierung zu zeigen
Gleichstellung muß oberstes Ziel sein
Wien (fpd) - "Es wird kein Weg an der Harmonisierung der Pensionen auch für ÖBB-Bedienstete vorbeiführen. Das Ziel muß es sein, für ÖBB-Bedienstete den gleichen Beitrag und das gleiche Antrittsalter wie beim ASVG-System - selbstverständlich auch mit Übergangsregelung - einzuführen", erklärte der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann und Landesobmann der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) OÖ, Abg. Max Walch, am Montag (06. 10.). "Die von Haberzettl organisierten Proteste richten sich lediglich gegen den Abbau von Privilegien. Hier wird auf schlimmste Art und Weise der Betriebsdienst für den Verwaltungsdienst ausgespielt."

"Jeglicher Streik wie zum Beispiel durch Überstundenverweigerung schadet dem Unternehmen und damit der Belegschaft", meinte Walch. "Man sollte von roter Gewerkschaftsseite den Damen und Herren vom Betriebsdienst endlich sagen, wofür man sie hier mißbraucht. Denn um die geplanten Umstrukturierungen geht es nicht im geringsten."

"Jeder, der bei der Pensionsreform auf eine Harmonisierung gedrängt hat, hat nun die Möglichkeit, seinen tatsächlichen Willen dafür zu zeigen", so Walch weiter. "SPÖ und ÖGB haben vor ein paar Monaten zwar lauthals danach geschrieen, jetzt wo es wirklich darum geht werden sie wieder den Schwanz einziehen und lauthals dagegen schreien."

"Es muß in Österreich endlich jedem - auch den Betroffenen selbst - klar werden, daß man gleiches gleich zu behandeln hat. Alle jene, die den Bediensteten der ÖBB heute etwas anderes erzählen, die verbreiten hier bewußt die Unwahrheit und spielen mit den Gefühlen und Emotionen der Menschen", führte der freiheitliche Arbeitnehmervertreter weiter aus.

Was bei den ASVGlern möglich gewesen sei, müsse nun auch bei der ÖBB möglich sein. "Gusenbauer wird jetzt deutlich zeigen müssen, wofür die SPÖ nun steht. Ist sie geradlinig und weiterhin für die Harmonisierung, dann muß sie selbst bei der Gleichstellung der ÖBB-Bediensteten mitgehen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie wieder nur dagegen wettern. Denn was anderes können die Sozialdemokraten doch gar nicht mehr", schloß Walch.
 
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