Leopold Museum zeigt Leopold Birstinger  

erstellt am
31. 10. 03

Wien - Der Wiener Maler Leopold Birstinger hätte am 30. Oktober 2003 seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Ihm zu Ehren zeigt das Leopold Museum eine umfangreiche Retrospektive unter dem Titel "LEOPOLD BIRSTINGER. Gegen den Strom. Eine Retrospektive zum einhundertsten Geburtstag des Malers" vom 31. Oktober 2003 bis zum 1. Februar 2004 mit 141 Werken, 75 Gemälden und 66 Arbeiten auf Papier.

Birstinger erweist sich in seinem Werk der Synthese verschiedener stilistischer Möglichkeiten verpflichtet, wie sie in der Zeit nach der klassischen Moderne verfügbar geworden waren. Diese Neigung mag auch zu dem humoristisch anmutenden "Stilcocktail" geführt haben, der in einem Künstlerlexikon gemischt wurde, um die Kunst Birstingers zu charakterisieren: "Seine Kunst ein koloristisch kräftiger, von den pointillistischen und expressionistischen Strömungen nicht unbeeinflußt gebliebener impressionistischer Realismus". Der Hang zur Anbindung an die Tradition verbindet Birstinger mit der österreichischen Künstlergeneration nach Kokoschka, wobei das unbedingte Festhalten am Gegenstand als Teil dieser Haltung zu verstehen ist.

Anfänglich ist Birstinger durch Karl Sterrer, seinen Lehrer an der Akademie beeinflusst. Auf ihn gehen der geschlossene Kontur und die strenge Form im Frühwerk zurück. Daneben ist vor allem in seinen figurativen Werken eine Affinität zu Egger-Lienz und Barlach sichtbar. Enge stilistische Beziehungen bestehen auch zum Werk seines Studienkollegen Rudolf Szyszkowitz, der Birstinger die Ideen des Bundes Neuland vermittelt haben dürfte. Sowohl über diese katholische Erneuerungsbewegung als auch über den Lehrer wirkt die romantische Naturauffassung ein. Dadurch wird die Vermittlung der Innerlichkeit über das Naturabbild möglich, ein Trend, der in der Zwischenkriegszeit weit verbreitet war. Birstinger beschränkt sich konsequent auf einen kleinen Motivkreis, den er aus der unmittelbaren geographischen und sozialen Umgebung bildet. Zahlreiche Porträts von Frau und Mutter werden zu Sinnbildern einer religiös motivierten Melancholie, voller Sehnsucht nach Erfüllung, ausgebildet.

Während der Zeit des Nationalsozialismus steht Birstinger abseits des offiziellen Kunstgeschehens. Ab etwa 1943 verarbeitet er Einflüsse des Fauvismus. Das Kolorit hellt sich auf und gewinnt bis ins Spätwerk kontinuierlich an Intensität. Erst 1948 gelingt es ihm in einer ersten Personalausstellung in Wien seine Arbeit vorzustellen, - der Erfolg bleibt jedoch aus.

In der zweiten Schaffenshälfte isoliert sich Birstinger zunehmend vom künstlerischen Umfeld. Dieser Rückzug verläuft parallel zu Otto Mauers Abwendung von den Künstlern des Neuland-Bundes. Etwa gleichzeitig mit der Gründung der Galerie St. Stephan entsteht eine Serie von Arbeiten, in denen Birstinger versucht, auf die Neuerungen, die nach 1945 auf Österreich einwirkten zu reagieren. Von besonderem Einfluss war hier Fritz Wotruba. Doch kurz darauf wendet er sich von diesen Ansätzen ab. Sein Hauptinteresse gilt nun der Niederösterreichischen Landschaft, vor allem der des Weinviertels und der Darstellung des eigenen Hauses, die zu Sinnbildern der Sehnsucht nach dem Paradies stilisiert werden. Völlig unbeeindruckt vom zunehmenden Erfolg konstruktiver, informeller oder surrealer Kunst orientiert er sich verstärkt am expressiven Realismus, worin er wesentlich von Herbert Boeckl beeinflusst ist.

Ab 1960 neigt Birstinger mehr und mehr zu vereinfachten bildnerischen Mitteln. Die verweigerte Aufnahme der internationalen Neuerungen nach dem Krieg bringt schließlich eine Positionierung seiner Kunst am Rand des bildnerischen Geschehens in Österreich mit sich. Das Schicksal der Nichtbeachtung nach 1945 teilte er mit vielen gleichaltrigen Künstlern. Mit zunehmender historischer Distanz wandelt sich jedoch die Sicht auf die Zeit, so dass es nun möglich wird, Birstinger als einen der "feinfühlendsten" Maler "seiner Generation" zu erkennen (K. Sotriffer). Hinsichtlich seiner inhaltlichen Orientierung beansprucht Birstinger durch die nahezu ausschließliche Konzentration auf die Darstellung des Melancholischen eine Sonderstellung innerhalb der Österreichischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Zwar finden sich durchaus Künstler, in deren Werk das Melancholische wiederholt vorkommt, und auch solche, deren gesamtes Schaffen von einem schwermütigen Grundton durchzogen ist. Nirgends aber steht das Thema Melancholie derart im Vordergrund wie im Schaffen Birstingers, dessen Schwermut sowohl durch persönliche Disposition als auch religiös motiviert ist. Die Schriften Sören Kierkegaards dienen als philosophische Grundlage.

Birstingers inhaltliche Spezialisierung in Kombination mit einer sehr persönlich geprägten Malkultur, dem unbedingten Streben nach Authentizität und einer mitunter volkstümlich wirkenden Formensprache, heben sein Werk auch im internationalen Kontext hervor.

Birstingers Arbeit war bisher nur wenigen Fachleuten und Sammlern in Auszügen bekannt. Mit der Ausstellung "Gegen den Strom" bietet das Leopold Museum nun erstmals die Möglichkeit, sein Werk kennen zu lernen. Der Katalog enthält ein Werkverzeichnis der Gemälde und Druckgraphiken auf CD-Rom.

Leihgeber: Bundeskanzleramt Artothek, Österreichische Galerie Belvedere, Kulturabteilung der Stadt Wien, Historisches Museum der Stadt Wien, Sammlung Hainz Wien, sowie private Leihgeber und Werke aus der Sammlung Leopold

Kuratoren: Berthold Ecker, Rudolf Leopold

Katalog: Leopold Birstinger 1903 - 1983, Melancholie und Paradies, Hrsg. Leopold Museum-Privatstiftung, Text: Rudolf Ecker, Vorwort: Rudolf Leopold, DuMont Verlag Köln 2003, 182 Seiten, 95 Abbildungen, Preis: EUR 44,00.

Öffnungszeiten: tägl. (außer Di) 10.00 - 19.00 Uhr , Fr 10.00 - 21.00 Uhr, Ftg 10.00 - 19.00 Uhr

Eintritt: € 9,00 (regulär)

Führungen: Mo, Mi, Do 15.00 Uhr

Kuratorenführung mit Dr. Berthold Ecker: Do 20.11. 17.30 Uhr, Do 4.12. 17.30 Uhr

Führungen mit dem Sohn des Künstlers Dr. Leopold Birstinger: Do 13.11. 17.30 Uhr, Do 27.11. 17.30 Uhr, Sa 13.12. 15.00 Uhr, Sa 27.12. 15.00 Uhr, Sa 10.01. 15.00 Uhr
 
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