Existiert ein Geheimplan der EU-Finanzminister?  

erstellt am
28. 10. 03

Karas: Ecofin gibt Kommission und EU-Parlament einen Maulkorb
Geheimplan der EU-Finanzminister inakzeptabel und undemokratisch!
Brüssel (evp-ed) - "Die bekannt gewordenen 'Geheimpläne' des Ecofin-Rates sind aus demokratie- und wirtschaftspolitischer Sicht inakzeptabel. Wenn die Finanzminister tatsächlich vorhaben sollten, Kommission und Europaparlament einen Maulkorb umzuhängen, kann und wird das Europäische Parlament als Vertretung der Bürger Europas einer solchen Änderung des Verfassungsentwurfes niemals zustimmen", sagte der Wirtschafts- und Währungssprecher der EVP-ED-Fraktion Mag. Othmar Karas am Montag (27. 10.), der sich bereits direkt nach Bekanntwerden der Pläne am Samstag in einer ersten Reaktion ablehnend zu diesen Vorhaben geäußert hatte.

"Ich habe noch selten einen derart kurzsichtigen und rückwärtsgewandten Umsturzversuch erlebt wie dieser Plan nun offenbart. Das Mitentscheidungsrecht beim EU-Haushalt ist eines der ältesten Rechte des EU-Parlaments. Jetzt ein rein beratendes Recht einfordern zu wollen, ist schlichtweg realitätsfremd", kritisierte Karas scharf. "Ich werde darauf dringen, dass in der nächsten Sitzung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments sowohl EU-Kommissar Pedro Solbes als auch der italienische Ecofin-Vorsitzende Giulio Tremonti Auskunft über diese Geheimpläne geben", so der EVP-ED-Wirtschaftssprecher weiter.

"Gerade jetzt, wo es sich einige Ländern wie Deutschland und Frankreich mit dem geltenden Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts richten und so vorgesehenen Maßnahmen entgehen können, ist eine Ausschaltung der Kommission in diesem wesentlichen Bereich der EU-Politik nicht akzeptabel. Die Kommission ist die Hüterin der Verträge. Dieses Ansinnen der Finanzminister ist eine Verhöhnung der Transparenz und des Fortschritts in der EU-Politik. Sind die Finanzminister tatsächlich der Ansicht, dass sie einfach so die Ergebnisse des EU-Konvents ignorieren und darüber hinaus geltendes Recht beschneiden können", fragte Karas.

Es könne nicht angehen, dass diejenigen, die selbst nicht imstande sind, ihre Finanzen im Griff zu halten und die notwendigen Strukturreformen mutig anzugehen, selbst zu Richtern über ihr Fehlverhalten würden. "Mit einem solchen Verfahren gäbe sich die Wirtschafts- und Stabilitätspolitik der Lächerlichkeit preis", betonte der österreichische Europaparlamentarier. Auch die angeblich geplante Beschneidung der Haushaltsrechte des Europaparlaments geht in dieselbe Richtung. "Diese Position ist selbstherrlich und zutiefst zu verurteilen. Die Haushaltsrechte gehören zur Kernkompetenz eines jeden Parlaments. Der EU-Konvent hat völlig richtig dem Europaparlament mehr Kompetenzen zugestanden, um Europa demokratischer, transparenter und damit bürgernäher zu gestalten. Jetzt hinter verschlossenen Türen ein Geheimpaket auszutüfteln und den Fortschritt in einen Rückfall umwandeln zu wollen, ist inakzeptabel und wird mit dem EU-Parlament nicht zu machen sein", betonte Karas abschließend.

 

Berger: Stresa-Geheimpapier der EU-Finanzminister existiert tatsächlich
»Die Bundesregierung muss sich distanzieren«
Wien (sk) - "Nach den mir zugänglichen Informationen existiert das geheime Stresa-Papier der EU-Finanzminister zur künftigen EU-Verfassung tatsächlich." Dies stellt Maria Berger, SPÖ-Europaabgeordnete und Mitglied des Verfassungskonvents, am Montag (27. 10.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst fest. Unter Führung des italienischen Finanzministers Tremonti wurde demnach ein Plan ausgearbeitet, der dem EU-Parlament bei der Budgeterstellung nur mehr eine beratende Rolle zugesteht. Darüber hinaus ist offenbar vorgesehen, dass nur der Rat der EU-Finanzminister, nicht aber die Kommission, über die Sendung von "Blauen Briefen" an die Mitgliedsstaaten entscheidet, falls diese die EU-Defizitkriterien verletzen. "Das ist ein Anschlag auf die Rechte des Europäischen Parlaments, ein Rückfall in die demokratische Steinzeit und eine Missachtung des EU-Konvents", so Berger.

"Dem EU-Parlament werden damit in seiner Kernkompetenz, der Budgetfrage, sogar Rechte genommen, die es derzeit schon hat", kritisiert Herbert Bösch, SPÖ-Abgeordneter und Budgetexperte im Europaparlament. "Offensichtlich scheuen die EU-Finanzminister die öffentliche Debatte über ihre Aufgaben." Die Finanzminister hätten schon jetzt die Kontrolle über die Haushaltsführung verloren. Wenn nun Budgetberatungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, dann solle damit offensichtlich die mangelnde Kompetenz kaschiert werden. Berger und Bösch fordern daher einhellig, "dass sich Finanzminister Grasser, Bundeskanzler Schüssel und Außenministerin Ferrero-Waldner sofort klar und unmissverständlich von diesem ungeheuerlichen Plan distanzieren."

 

 Kronberger: Geheimplan der EU-Finanzminister kommt einem Putschversuch gleich
Rücktritt aller Finanzminister wäre einzige saubere Konsequenz
Wien (fpd) - "Wenn sich das Gerücht als wahr herausstellt, müsste die einzige saubere Konsequenz lauten: Rücktritt aller Finanzminister. Das wäre man der Hygiene der europäischen Demokratie schuldig." So lautet die heftige Reaktion des EU-Abgeordneten Dr. Hans Kronberger am Montag (27. 10.) auf die Gerüchte um einen Geheimplan der EU-Finanzminister zur Änderung des EU-Verfassungsentwurfs.

Kronberger: "Der Versuch, die Befugnisse von Kommission und Parlament in Finanzfragen zu verstümmeln, käme einem Putschversuch gleich und wäre ein unerhörter Anschlag auf die europäische Demokratie. Dass diese Pläne auch noch geheim gehalten werden, ist ein Beweis mehr für ihre absolute Demokratiewidrigkeit."

Hans Kronberger fordert vom Rat die restlose Aufklärung dieses Falles. Andernfalls, so der Abgeordnete, werde immer ein bitterer Nachgeschmack bleiben. Kronberger: "Eine EU, die vor einer neuen Verfassung und mit der Erweiterung vor dem größten Abenteuer ihrer Geschichte steht, kann sich weder Skandale wie jenen um Eurostat noch derartige grundlegende Demokratieverletzungen leisten."

 

 Geheimpakt der EU-Finanzminister wäre Verschwörung gegen Demokratie und Parlamente
Voggenhuber: Grasser hätte damit Verfassung gebrochen – Finanzminister muss unverzüglich aufklären, ob es Geheimpakt gibt
Wien (grüne) - „Wenn es tatsächlichen einen Geheimpakt der EU-Finanzminister zur Änderung des Verfassungsentwurfs der EU gibt, in dem die Finanzminister zugunsten ihrer eigenen Machtvermehrung alle anderen Institutionen beschneiden wollen, dann wäre das eine Verschwörung gegen die Demokratie und die Parlamente in Europa“, kritisiert Johannes Voggenhuber, Europaabgeordneter der Grünen und Mitglied des EU-Verfassungskonvents am Montag (27. 10.). Voggenhuber wird unverzüglich alles daran setzen, um die erhobenen Vorwürfe auf EU-Ebene zu klären.

Gibt es diesen Pakt, dann würden sich dahinter Allmachtsphantasien der Finanzminister verbergen, die sich offenbar mit der Rolle der Exekutive nicht mehr begnügen wollen, sondern sich gegen alle Grundprinzipien der Demokratie zu Budget-Gesetzgebern aufschwingen wollen. „Dies auch noch geheim zu halten, würde bedeuten, dass die Finanzminister sich der demokratiepolitischen Ungeheuerlichkeit sehr wohl bewusst wären, es aber gerade deshalb vor der Öffentlichkeit und den Parlamenten verschweigen wollen“, so Voggenhuber.

Wenn es diesen Geheimpakt gibt und Finanzminister Grasser wäre daran beteiligt, dann wäre dies klar verfassungswidrig Die Verfassung verpflichtet die Regierung zwingend, über alle Vorhaben der EU und damit auch des Ecofin-Rates unverzüglich den Nationalrat zu informieren. „Eine Beteiligung des Finanzministers an einer derartigen Verschwörung würde zudem allen Erklärungen der österreichischen Bundesregierung vor dem Parlament und der Öffentlichkeit sowie von Schüssel in der Regierungskonferenz widersprechen“, so Voggenhuber.

Voggenhuber richtet daher mehrere Fragen an Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser. Grasser müsse unverzüglich beantworten,

  • ob dieser Geheimpakt existiere,
  • ob er sich daran beteiligt habe und
  • ob dies mit oder ohne Wissen bzw. Billigung des Bundeskanzlers bzw. der übrigen Bundesregierung erfolgt sei, sowie
  • warum der österreichische Nationalrat nicht informiert worden sei.

Bundeskanzler Schüssel müsse für den Fall, dass es den Geheimpakt gibt, sofort erklären,

  • ob er bereit ist, sich von einem solchen Anschlag auf elementare Grundsätze der Demokratie und auf den Kern einer zukünftigen europäischen Verfassung rückhaltlos zu distanzieren und
  • ob er bereit ist, unverzüglich den Nationalrat über alle Umstände genauestens zu informieren.

Voggenhuber erinnert daran, dass mit dem Verfassungsentwurf des Konvents versucht worden sei, eine umfassende Demokratisierung der Union zu bewerkstelligen. Immer deutlicher zu spüren gewesen sei zuletzt der vehemente Widerstand und der vehemente Wille der nationalen Regierungen diese Demokratisierung zu verhindern, weil damit ein Machtverzicht verbunden wäre. Schon auf der Regierungskonferenz sei man sich über nichts einig gewesen, außer darüber, den Gesetzgebungsrat aus dem Verfassungsentwurf zu streichen. Der Gesetzgebungsrat hätte demokratische Grundelemente von Gewaltenteilung, Öffentlichkeit und parlamentarischer Kontrolle in der Gesetzgebung des Rates bedeutet. „Der Geheimpakt der Finanzminister, wenn es ihn gibt, wäre aber jedenfalls ein unerhörter Anschlag gegen die Demokratisierung Europas“, so Voggenhuber.

 
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