Thema Nationalratswahl – 12. November 2002

 Außenpolitik 
 Petritsch fordert Rückkehr zu berechenbarer Außenpolitik
Petritsch für Ausbau des UNO-Sitzes Wien
Wien (sk) - Die Rückkehr zu einer berechenbaren und professionellen Außen-, EU- und Sicherheitspolitik und einen Neubeginn forderte der Spitzenkandidat der Wiener SPÖ bei der NR-Wahl, Botschafter Wolfgang Petritsch am Montag (11. 11.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem stellvertretenden SPÖ-Vorsitzenden Heinz Fischer. Der in den letzten zweieinhalb Jahren entstandene Vertrauensverlust könne nur durch eine Bundesregierung wieder gut gemacht werden, die in sich konsistent agiert, mit einer Anti-Europa-Patei wie der FPÖ sei dies nicht möglich. Österreich müsse Prioritäten setzen und sich als glaubwürdiger und paktfähiger Partner präsentieren. Zudem müsse die österreichische Außen-, EU- und Sicherheitspolitik auf breitem Konsens basieren.
Einer abgestimmten Außenpolitik völlig zuwider handeln würde der Kärntner Landeshauptmann Haider mit seinem Irak-Besuch. Ausgerechnet zu einem äußerst sensiblen Zeitpunkt fahre das einfache Parteimitglied einer Regierungspartei nach Bagdad und torpediert" damit die Möglichkeit für Österreich, im Rahmen der UNO als Vermittler tätig zu sein. Österreich habe durch Haiders Privatreise viel an Glaubwürdigkeit verloren. Aufgabe wäre es gewesen, auf Basis der Vorgaben der UNO darauf abzuzielen, dass die UN-Inspektoren Zugang zu den Waffenarsenalen des Iraks haben und prüfen können, ob der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt. Hier hätte sich Österreich viel stärker einbringen können, wenn es mit "einer Stimme" gesprochen hätte.
Petritsch wies weiters darauf hin, dass sich die Bedrohungsszenarien nach Ende des kalten Krieges und nach Österreichs Beitritt zur EU radikal verändert hätten, in der Sicherheits- und Außenpolitik sei daher ein wesentlich breiterer Ansatz notwendig. Grundsätzlich nehme der militärische Aspekt in der Sicherheitspolitik eine immer kleinere Rolle ein, der zivile Aspekt gewinne immer mehr an Bedeutung. Heute sei es nicht die Gefahr eines Atomkriegs, die uns bedrohe und uns dazu zwinge, uns unter "einem Schirm" zu verstecken, sondern heute sei die Bedrohung durch asymmetrische Konflikte wie Terrorismus, organisierte Kriminalität und Drogenhandel viel akuter. Petritsch machte in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die von ihm aufgezählten Bereiche alle in die Agenda der UNO-Sitze in Wien falle. Hier müsste Österreich die vorhandenen Kapazitäten viel stärker nützen, die scheidende Bundesregierung sei jedoch absolut untätig gewesen. Gerade auch der Aspekt, dass Österreich der einzige EU-Mitgliedsstaat mit einem UNO-Sitz sei, würde für einen Ausbau der UNO-Sitzes Wien sprechen.
Auf die Frage, wie er die Situation in der Irak-Krise einschätze, zeigte sich Petritsch optimistisch. Wenn die Dynamik anhalte und der Irak auf die vorgelegten Texte eingehe, dann sei eine friedliche Lösung möglich. Angesprochen, ob er für das Weiterbestehen des Auslandssenders Radio Österreich International (RIO) sei, betonte Petritsch, dass Österreich sich ein "akustisches Fenster nach außen leisten sollte". Er habe immer eine positive Meinung über RIO gehabt, so der Botschafter. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der EU-14 gegen die österreichische Bundesregierung hielt Petritsch fest, dass die schwarz-blaue Koalition diese zur "Vernebelung" verwendet hätten. Die SPÖ habe hier keine negative Rolle gespielt und sei "absolut korrekt" vorgegangen.
   
 Spindelegger: Absurde Vorstellung von Fischer und Petritsch
SPÖ hat außenpolitischen Konsens verhindert - stand immer auf der falschen Seite - Argumentation wie bei Sanktionen
Wien (övp-pk) - "Es ist absurd, das gerade die SPÖ, die seit mehr als einem Jahrzehnt einen breiten Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik verhindert, nun das Fehlen dieses Konsenses beklagt. Genauso absurd ist es, wenn ausgerechnet der Nationalratspräsident den gültigen Beschluss des Nationalrates über die neue Sicherheitsdoktrin als 'Makulatur' bezeichnet, weil es eine demokratische Mehrheit ohne die SPÖ gegeben hat. Offenbar gilt Demokratie für die Sozialisten nur dann, wenn die Ergebnisse nach ihren Vorstellungen ausfallen", sagte der außenpolitische Sprecher der ÖVP Dr. Michael Spindelegger zur Pressekonferenz von NR-Präsident Heinz Fischer und SPÖ-Kandidat Wolfgang Petritsch am Montag (11. 11.). Die SPÖ sei in der Außenpolitik zunächst immer auf der falschen Seite gestanden. "Wenn daher jetzt gerade ein SPÖ- Kandidat die Rückkehr zu einer professionellen Außenpolitik fordert, dann ist auch das mehr als absurd."
Aufschlussreich sei diesbezüglich der Vorwurf von Wolfgang Petritsch, es gebe international einen großen Vertrauensverlust" gegenüber Österreich, und man müsse schwer darum kämpfen, "dass der Ruf Österreichs wieder hergestellt wird". "Das zeigt, dass die Sozialisten schon wieder ein Zerrbild von unserem Land und seiner Rolle in Europa zeichnen, wie sie das bei den Sanktionen getan haben", so Spindelegger, für den sich Wolfgang Petritsch damit als Kandidat für einen österreichischen Außenminister "ganz klar disqualifiziert hat".
"Die Sozialisten waren lange gegen den EU-Beitritt Österreichs und mussten erst von der ÖVP überredet werden, sie haben die kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa bis zum letzten Tag unterstützt, sie waren gegen die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker im ehemaligen Jugoslawien und sie haben ganz Österreich im Ausland als 'Hort des Bösen' hingestellt, weil es erstmals seit 30 Jahren keinen sozialistischen Bundeskanzler gibt - und jetzt will ausgerechnet ein Sozialist eine bessere Außenpolitik für Österreich machen", fragte Spindelegger.
Die Volkspartei bemühe sich seit mehr als zehn Jahren um einen neuen Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik mit der SPÖ. Ein Konsens zur Sicherheitsdoktrin sei auch nicht an der NATO-Haltung der ÖVP gescheitert. "Die Volkspartei hat von den Sozialisten bei den Verhandlungen zur Sicherheitsdoktrin ausdrücklich keine Zustimmung zu einem NATO-Beitritt Österreichs eingefordert, sondern wir wollten einen Grundkonsens über die Außen- und Sicherheitspolitik erreichen, die Österreich ja auch als Nicht-NATO-Mitglied machen muss. Das war aber nicht möglich, weil die Sozialisten geistig noch immer nicht im neuen Europa angekommen sind", kritisierte Spindelegger.
Es genüge ein Blick auf die Homepage der ÖVP, "damit man feststellen kann, welche Anerkennung und Wertschätzung Wolfgang Schüssel heute in ganz Europa genießt", verwies der außenpolitische Sprecher auf ein diesbezügliches Kurzvideo mit Aussagen europäischer Spitzenpolitiker. Den Sozialisten sei zudem offenbar auch entgegangen, "dass Kanzler Schüssel bzw. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner in nur zweieinhalb Jahren alle wichtigen Politiker Europas und der Welt persönlich getroffen haben und ausgezeichnete Beziehungen zu ihnen unterhalten, egal, ob es sich um die Präsidenten der USA oder Russlands handelt, den UNO-Generalsekretär oder europäische Regierungschefs wie den französischen Premierminister oder die politischen Spitzen der neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa", schloss Spindelegger.